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# taz.de -- Long Covid Awareness Day: Wir sind alle vulnerabel
> Am 15. März ist Internationaler Long Covid Awareness Day. Millionen
> Betroffene warten auf Therapien. Wie steht es um sie?
Bild: #NichtGenesen-Proteste am Internationalen Long Covid Awareness Day 2023 i…
Wie protestieren, wenn man zu krank ist, um das Haus zu verlassen? Ein
guter Teil des #LongCovidAwarenessDay findet in Social Media statt:
Betroffene sind aufgerufen, Fotos von sich selbst vor und nach der
Infektion zu posten. In Berlin hängt eine Initiative vor dem Bundestag 500
Bilder von Erkrankten und ihre Arbeitskleidung an Wäscheleinen auf. So will
sie darauf hinweisen, dass die Krankheit nicht nur für die Betroffenen
schlimm ist, sondern auch ein [1][enormer volkswirtschaftlicher Schaden]
entsteht.
Es ist das zweite Jahr, in dem Betroffenenorganisationen zu Protest am 15.
März aufrufen, dieses Jahr auch unter dem Slogan #ConfrontLongCovid. Knapp
vier Jahre ist es her, dass Patient*innen erstmals ihren Zustand Long
Covid nannten, nachdem sie sich von einer akuten Covidinfektion nicht
erholen konnten. Millionen Menschen weltweit sind durch die Folgen einer
Covidinfektion chronisch krank. Es kann Personen jeden Alters, Geschlechts
oder Gesundheitszustands treffen.
Bei anderen Protesten wurden Feldbetten oder Rollstühle mit Portraits
benutzt, um die fehlenden Menschen zu vertreten. Für [2][Liegenddemos]
werden [3][solidarische „Stellvertreter*innen“ für Erkrankte] gesucht, die
für sie demonstrieren, wie in diesem Monat für [4][ME/CFS] und Long Covid
in etlichen Städten geplant. Oder Werbeflächen werden gemietet, um auf
ihnen Forschung an Therapien zu fordern. In Australien werden Gebäude und
Brücken angestrahlt.
Hunderttausende Betroffene
Die geforderte Aufmerksamkeit für Long Covid ist kein Selbstzweck. Die
Hoffnung ist, dass Aufmerksamkeit für das Problem auch mehr Hilfe folgt,
und der Größe des Problems angemessene Summen in Versorgung und Therapie
gesteckt werden, so dass es spürbare Verbesserungen gibt.
Zudem brauchen die Kranken von ihrem Umfeld Solidarität und Verständnis:
Für die Einschränkungen, unter denen sie leiden und für die Hilfe, die sie
benötigen. Auch müssen sie – wie auch andere vulnerable Gruppen – vor
weiteren Infektionen geschützt werden. Von [5][besserem Infektionsschutz]
profitieren allerdings auch aktuell Gesunde.
Niemand kann seriös sagen, wie viele Menschen insgesamt von Long Covid
betroffen sind. Denn die Zahlen werden nicht systematisch erfasst und gehen
teilweise stark auseinander, auch gibt es keine eindeutige Definition von
Long Covid. Jedoch geben immer wieder kleinere Erfassungen Hinweise, dass
es sich um ein enormes Problem handelt.
Die AOK hat [6][kürzlich Zahlen veröffentlicht], die einen Einblick geben:
Knapp 2 Prozent der berufstätigen AOK-Versicherten war zwischen 2020 und
2023 wegen Covidspätfolgen krankgeschrieben gegenüber 36,5 Prozent wegen
einer akuten Coviderkrankung. Das sind laut AOK allein in dieser
Personengruppe 126.154 Menschen. Besonders betroffen sind soziale und
Gesundheitsberufe – in diesen arbeiten mehrheitlich Frauen und sie haben
ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die Zahlen seien möglicherweise unterschätzt
– denn viele haben auch keine oder eine andere Diagnose als die hier
verwendete, schleppen sich zur Arbeit, aber sind dennoch krank.
Keine zugelassenen Therapien
Vielen ist nicht bewusst: Zugelassene Therapien für Long Covid gibt es
immer noch nicht. Es ist alles andere als leicht, ärztlich gut betreut zu
werden oder in eine Long-Covid-Ambulanz zu kommen. Es gibt es nur eine
sichere Form der Prävention: sich vor einer Corona-Infektion zu schützen.
Eine glimpflich überstandene Infektion heißt leider nicht, dass es die
nächste auch sein wird. Deshalb werden bei jeder Coronawelle auch weitere
Long-Covid-Fälle hinzu kommen, solange es keine bessere Impfung und
Therapien gibt.
Wie kommt es, dass es vier Jahre nach Pandemiebeginn immer noch keine
zugelassenen Therapien gibt? Das Post-Covid-Syndrom kann unterschiedliche
Formen annehmen, womöglich verschiedene Mechanismen haben. Ist Long Covid
durch virale Persistenz verursacht? Werden andere Viren reaktiviert? Ist es
eine Autoimmunreaktion? Hat das Virus neurologische oder Organschäden
verursacht? Oder eine Kombination der Hypothesen?
Zu den Krankheitsmechanismen wird rege geforscht und es laufen auch etliche
[7][Medikamentenstudien]. Aber für diese braucht es viel Zeit und Geld.
Willige Studienteilnehmende gibt es genug, um manche Studien entwickelt
sich ein regelrechter Hype. Es gibt so viele verzweifelte Betroffene, die
alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel schon ausgeschöpft haben. Ohne
Studienteilnahme sind Heilversuche wie Blutwäschen auch nur für wenige
finanzierbar.
Besonders wichtig ist es bei Long Covid, diszipliniert unter der eigenen
Belastungsgrenze zu bleiben und mit Energie zu haushalten. Sonst drohen
etwas später heftigere Symptome und in manchen Fällen auch dauerhafte
Verschlechterungen. Diese von ME/CFS-Patient*innen übernommene Strategie
nennt sich Pacing – kann aber die Krankheit auch nicht heilen, nur managen.
Kleine Fortschritte
Das soll nicht heißen, dass es überhaupt keine Hilfe gibt.
Patient*innen können ihre Beschwerden teilweise mit bereits üblichen
Medikamenten, Anwendungen und Lebensstiländerungen lindern. Auch tut sich
politisch ein bisschen: Im Bundesgesundheitsministerium gibt es Pläne,
[8][eine Liste mit Off-Label-Medikamenten] zu erstellen, deren Einsatz bei
Long Covid ausnahmsweise von den Kassen bezahlt werden soll. Aktuell zahlen
Betroffene Off-Label-Medikamente selbst – sofern sie das Glück haben, dass
ihnen sie jemand verschreibt. Das Bundesgesundheitsministerium bietet
inzwischen eine [9][Informationswebseite zur Aufklärung] an. Auch wurden
Millionen für Forschung zugesichert.
Allerdings stünden die Summen in keinem guten Verhältnis zu dem, was
eigentlich gebraucht werde, kritisiert beispielsweise immer wieder die
prominenteste Medizinerin in dem Feld, Carmen Scheibenbogen. Sie leitet die
Immundefekt-Ambulanz der Charité Berlin.
Insgesamt wird die Versorgung von den Betroffenen aber als desaströs
empfunden. Ihre aufwändigen Fälle treffen auf ein ausgebranntes
Gesundheitssystem. Manchen helfen manche Therapieversuche, manchen hilft
Zeit, manchen hilft noch nichts. Warum das so ist, ist noch nicht gut
erforscht. Auch warum es manche Leute trifft, und andere nicht, ist nicht
bekannt. Grundsätzlich sind alle vulnerabel.
15 Mar 2024
## LINKS
[1] https://bmchealthservres.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12913-023-0960…
[2] https://www.instagram.com/liegenddemo/?hl=de
[3] https://bsky.app/profile/liegenddemo.bsky.social/post/3kne4vnyjz424
[4] /Diagnose-Chronisches-Fatigue-Syndrom/!5938615
[5] https://www.manager-magazin.de/hbm/long-covid-and-the-economy-there-is-mone…
[6] https://www.aok.de/pp/bv/pm/2024/post-covid-und-long-covid/
[7] https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/coronavirus/entwicklung-von-ar…
[8] https://www.martin-ruecker.com/off-label-long-covid-corona-postvac
[9] http://www.bmg-longcovid.de/
## AUTOREN
Anna Böcker
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