# taz.de -- Bildungsgerechtigkeit in Berlin: Am Stadtrand besonders mangelhaft | |
> In Berlins Außenbezirken fehlen deutlich mehr Lehrer*innen als in der | |
> Innenstadt. Der Senat sollte die Schulen dort daher besonders gut | |
> ausstatten. | |
Bild: Schulkinder bei einer Einschulungsfeier in Berlin. Auch die Ausbildung ih… | |
Am Berliner Stadtrand wird Bildungsgerechtigkeit klein geschrieben. Denn es | |
zeichnet sich ab: Je weiter vom Zentrum entfernt Schulen liegen, umso | |
größer ist der Lehrer*innenmangel. Zahlen aus Marzahn-Hellersdorf | |
offenbaren einen im Vergleich zur Innenstadt komplett unterversorgten | |
Bezirk. Hier gibt es [1][besonders viele Schulen, an denen weniger als 95 | |
Prozent der Lehrer*innenstellen] besetzt sind. Und: An den Schulen des | |
Bezirks arbeiten im Vergleich besonders viele (noch) nicht voll | |
ausgebildete Lehrer*innen. | |
Besonders hart trifft es die Grundschulen: Von 94 zum Schuljahr 2023/24 neu | |
besetzten Vollzeitstellen konnten nur 14 mit vollausgebildeten | |
Grundschullehrer*innen besetzt werden. Die restlichen verteilten sich | |
auf Quereinsteiger*innen in unterschiedlichen Ausbildungsgraden und | |
auf sonstige Lehrkräfte. Für die Schüler*innen ist das besonders | |
ungerecht, weil ja gerade an den Grundschulen auch Grundlagen gelegt | |
werden. | |
An einigen Schulen entsteht so eine Unwucht. Denn letztlich qualifizieren | |
ja auch die fertig ausgebildeten Kolleg*innen die Quereinsteiger*innen. | |
Wenn die Hälfte oder mehr als die Hälfte des Kollegiums aus auszubildenden | |
Lehrer*innen besteht, ist es [2][sehr fragwürdig, inwieweit diese von | |
den erfahrenen Kolleg*innen sinnvoll angeleitet] werden können. Diese | |
Situation wird sich absehbar noch verschärfen, weil es ja auch die | |
ausgebildeten Lehrer*innen sind, die pensioniert werden und dann | |
ausscheiden. | |
Aber warum greift der Senat hier als Arbeitgeber*in nicht | |
ein?Anscheinend traut sich niemand so richtig, Lehrer*innen an | |
vermeintlich unbeliebte Schulen zu schicken. Obwohl – oder gerade weil – | |
Berliner Lehrer*innen ja nun auch wieder verbeamtet werden. Staatsdienst | |
bedeutet offenbar noch lange nicht, dass der Staat auch lenken kann. Bei | |
Zwang bestehe die Gefahr, dass die so gesteuerten Lehrpersonen sich | |
dauerhaft krank meldeten oder nach Brandenburg abwanderten, heißt es immer | |
wieder. | |
## Steuerung abgeschafft | |
Die vorherige Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hatte verfügt, | |
dass die Schulen ihren Bedarf an Lehrer*innen in Zeiten allgemeinen | |
Mangels nicht zu 100 Prozent ausschöpfen konnten. So sollten überall | |
Stellen offen bleiben. Die amtierende Senatorin Katharina Günther-Wünsch | |
(CDU) hat sogar das Wenige, was dadurch an Steuerung möglich war, noch | |
zurückgenommen. [3][Stattdessen spricht sie von „Klebe-Effekten“]: Also der | |
Vorstellung, dass Referendar*innen an den Schulen, an denen sie | |
ausgebildet werden, auch später gern arbeiten wollen. | |
Solche Klebe-Effekte sind allerdings bisher vor allem Wunschdenken. Statt | |
sich in der Frage die Kapitäninnenmütze aufzusetzen, lässt die Senatorin | |
die Bildungsgerechtigkeit dahindümpeln. Aktuell hat der Senat in dieser | |
Frage faktisch kapituliert. Eine Schulleiterin aus Spandau gab an, seit | |
mehreren Jahren gar keine Referendar*innen mehr an der Schule zu | |
haben. Dort ist der Mangel ähnlich groß wie in Marzahn-Hellersdorf. | |
Letztlich ist das extrem ungerecht für die Kinder, bei denen nun der | |
Wohnort mit darüber entscheidet, wie gut sie gefördert werden. Hier nicht | |
gegenzusteuern bedeutet schädliche Untätigkeit. | |
## Geld statt Kleber | |
Auf Freiwilligkeit zu setzen ist trotzdem richtig. Doch anstatt Kleber | |
sollte die Senatsverwaltung Geld in die Hand nehmen. Denn eine [4][Schule, | |
die besonders gut ausgestattet ist, ist für Lehrer*innen auch bei | |
längerem Anfahrtsweg attraktiv]. Wenn das Geld dafür da ist, Ideen | |
umzusetzen, wenn genug Zeit da ist, um intensiv pädagogisch zu arbeiten, | |
können das viel gewichtigere Argumente für eine Schule sein als deren Lage. | |
Ein [5][Kollegium, dass die Muße hat, über pädagogische Schwerpunkte | |
nachzudenken], zieht auch andere engagierte Lehrer*innen an. | |
Gerade einer CDU-Politikerin liegt das Denken in Anreizen eigentlich nah. | |
Daher wäre auch genau das der Punkt, an dem die Senatsverwaltung nun | |
sinnvoll ansetzen könnte. Mit gut finanzierten Ideen könnte die Senatorin | |
zeigen, dass sie es ernst meint, wenn sie sagt, dass kein Kind | |
zurückgelassen werden darf. | |
9 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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