# taz.de -- Schulbildung in Berlin: Fit machen fürs Malochen | |
> Ein Chancenjahr vor der Schule und ein Pflichtjahr an deren Ende soll | |
> mehr Gerechtigkeit in die Bildung bringen. Gymnasien aber werden | |
> exklusiver. | |
Bild: Schweisser*innen sind begehrt – davor steht aber das Bildungssystem mit… | |
Mit ihrem neuen Schulgesetz will Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch | |
(CDU) „Übergänge gestalten“. Deshalb habe sie insbesondere die | |
frühkindliche Bildung, den Wechsel auf die weiterführenden Schulen und die | |
Befähigung für die Arbeitswelt in den Blick genommen, sagte sie bei der | |
Vorstellung des Gesetzentwurfs am Montag. „Unser vorrangiges Ziel ist es, | |
dass Berliner Kinder und Jugendliche erfolgreich ihre Bildungswege | |
durchlaufen“, sagte Günther-Wünsch. Die Senatorin will daher ein | |
Kita-Chancenjahr und ein 11. Pflichtschuljahr einführen und den Zugang zu | |
Gymnasien neu regeln. | |
„Es geht mir um Bildungsgerechtigkeit“, betonte sie. Und um die | |
herzustellen, sei es wichtig, [1][schon vor der Schule anzufangen] und vor | |
allem die Kinder mit wenig oder gar keinen Deutschkenntnissen zu erreichen. | |
Mit dem Kitajahr 2025/26 sollen also alle Kinder ab dem 3. Lebensjahr einen | |
„Willkommensgutschein“ zugeschickt bekommen. Ziel sei es, die Eltern so | |
früh wie möglich einzubeziehen. | |
Wenn die Kinder [2][trotzdem nicht in den Kitas landen] und später | |
Sprachdefizite aufweisen, sollen sie dann ein verpflichtendes | |
Kita-Chancenjahr absolvieren. Das bedeutet, dass sie ein Jahr lang eine | |
Kita besuchen oder Angebote zur Sprachförderung von mindestens 35 Stunden | |
pro Woche wahrnehmen, bevor sie eingeschult werden. | |
Die Senatorin hat damit die rund 3.600 Kinder im Blick, die bisher gar | |
keine Kita besuchen. Unter diesen seien die Sprachdefizite besonders groß, | |
und ein Großteil würde nicht in der bisher bereits verpflichtenden | |
Förderung ankommen. „Wir sind sehr gewillt, diesen Weg gemeinsam mit den | |
Eltern zu gehen“, sagte Günther-Wünsch. Wenn alles Anstupsen aber nicht | |
fruchte, werde sie auch mit Ordnungsgeldern arbeiten. | |
## Orientierung am Ende der Schulzeit | |
Um am Ende der Schule keine Jugendlichen zu verlieren, soll [3][das 11. | |
Pflichtschuljahr] kommen. Vorgesehen ist es als Orientierungsjahr, um | |
diejenigen, die noch keine berufliche Perspektive und keinen | |
Ausbildungsplatz haben, [4][auf einen solchen vorzubereiten]. Das betrifft | |
laut Senat rund 3.000 Schüler*innen. Das Jahr soll sehr praxisorientiert | |
sein, die Senatorin sei dazu mit Industrie-, Handels- und Handwerkskammer | |
und den Innungen im Gespräch, sagte sie. „Wir verlängern die Schulpflicht | |
damit um ein weiteres Jahr – aber nicht über das 18. Lebensjahr hinaus“, | |
sagte sie. | |
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte das | |
[5][Pflichtschuljahr im Februar begrüßt]. Allerdings müsse es sich deutlich | |
von schulischen Bildungsgängen wie IBA oder einer reinen Berufsorientierung | |
unterscheiden, und dürfe sich nicht in der Orientierung erschöpfen, hieß es | |
von der Gewerkschaft. | |
An den Gymnasien schließlich will [6][die Senatorin das Probejahr | |
abschaffen]. Sie begründet diesen Schritt damit, dass zu viele Kinder ohne | |
Gymnasialempfehlung das Jahr nicht geschafft hätten. Nun können nur noch | |
diejenigen ans Gymnasium wechseln, die in der 5. und 6. Jahrgangsstufe auf | |
einen entsprechenden Notendurchschnitt von 2,3 kommen – beziehungsweise in | |
der Förderprognose unter 14 Punkten liegen. Wer trotzdem ein Gymnasium | |
besuchen möchte, muss seine*ihre Eignung im Rahmen von Probeunterricht | |
nachweisen. Dies soll die Schulen entlasten. | |
Mit dem [7][im Koalitionsvertrag angekündigten flächendeckendem | |
Religionsunterricht] wird es in der aktuellen Legislaturperiode nichts, | |
räumte die Senatorin ein. „Drei Jahre reichen nicht aus, um ein reguläres | |
Unterrichtsfach einzuführen“, sagte sie. Denn das müsse im Rahmenlehrplan | |
verankert und es müssten Lehrer*innen dafür eingestellt werden. | |
Allerdings sollen Träger Religionsunterricht anbieten können, wenn sie das | |
wollten und eine Nachfrage da sei. Das stünde dann nicht mehr zur | |
Disposition der Schule. | |
8 Apr 2024 | |
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[5] https://www.gew-berlin.de/aktuelles/detailseite/gew-berlin-begruesst-die-ei… | |
[6] /Reform-des-Berliner-Schulgesetzes/!5974070 | |
[7] /Religion-als-Schulfach-in-Berlin/!5923632 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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