| # taz.de -- Zukunft der Ostsee: Kein Nationalpark, aber mehr Schutz | |
| > Für einen Nationalpark hat es nicht gereicht. Dennoch gibt es in | |
| > Schleswig-Holsteins seit Dienstag einen Aktionsplan für den Ostseeschutz. | |
| Bild: Endliche Weiten: 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee sollen … | |
| KIEL taz | Während im Pressesaal im dritten Stock des Landtagsgebäudes | |
| Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Umweltminister Tobias | |
| Goldschmidt (Grüne) den „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ vorstellten, | |
| demonstrierten draußen vor dem Haus Mitglieder von Naturschutzverbänden. | |
| Was Günther als „echten Meilenstein“ lobt, halten die Vertreter:innen | |
| von Nabu und BUND für deutlich zu wenig. Auch die Opposition im Kieler | |
| Landtag sieht den Kabinettsvorschlag kritisch, wenn auch aus anderen | |
| Gründen. | |
| Nach langen Debatten um einen Ostsee-Nationalpark haben sich CDU und Grüne | |
| auf einen Kompromiss geeinigt. Der „Aktionsplan“ umfasst ein Paket von 16 | |
| Maßnahmen. Die wichtigste: Künftig sollen 12,5 Prozent der zu | |
| Schleswig-Holstein gehörenden Ostseefläche unter „strengen Schutz“ gestel… | |
| werden. | |
| Drei große Gebiete werden dafür in den Küstenstreifen und westlich der | |
| Insel Fehmarn neu eingerichtet. Weitere Flächen, die bereits als | |
| Natura-2000-Gebiete ausgewiesen sind, sollen einen strengeren Schutzstatus | |
| erhalten. Auf diesen insgesamt rund 39.400 Hektar soll die Natur „im | |
| Wesentlichen ungestört“ bleiben, heißt es im Plan, der noch die örtlichen | |
| Beteiligungsverfahren durchlaufen muss. | |
| In den Schutzzonen darf nicht mehr industriell gefischt werden, Stellnetze | |
| sind verboten, privates Strandangeln bleibt allerdings erlaubt. Auch | |
| Störungen durch Wassersport sollen dort, wo Vögel brüten oder rasten, nur | |
| noch zu bestimmten Zeiten erlaubt sein. Das Befahren mit Booten oder | |
| Wassersportgerät ist bis auf wenige Ausnehmen in den Schutzzeiten verboten. | |
| Einigen Menschen gingen das zu weit, sagte Günther. „Aber wer gar nichts | |
| mit Naturschutz verbinden kann und darauf beharrt, seinen Sport egal wo und | |
| egal mit welchem Motor zu betreiben, dem kann ich auch nicht helfen.“ | |
| Minister Goldschmidt hatte für einen Ostsee-Nationalpark gekämpft und | |
| verloren. Mit dem jetzigen Ergebnis ist er dennoch zufrieden: „Es ist der | |
| größte Schritt, den der Naturschutz der Ostsee je gemacht hat. Das macht | |
| mich zu einem glücklichen Meeresschutzminister.“ Munition werde aus dem | |
| Meer geholt, Schadstoffe allmählich abgebaut. Der Schweinswal werde | |
| profitieren, wenn Schleppnetze abgebaut würden und Tempolimits für | |
| Speedboote eingerichtet werden. | |
| ## Zustimmung von den Regierungsparteien | |
| „Wir schaffen erstmals echte Ruheoasen für eine europaweit einzigartige, | |
| marine Tier- und Pflanzenwelt.“ Das Bundesland übernehme „auch | |
| international Verantwortung“, so der Minister: „Schleswig-Holstein | |
| schreitet voran, davon wird der gesamte Ostseeraum profitieren.“ Das | |
| Programm sei damit in „von Krisen geprägten Zeiten ein Schritt der | |
| Hoffnung“. | |
| Zustimmung kommt auch von beiden Regierungsparteien. Von einem „sehr, sehr | |
| guten Ergebnis“ spricht CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Anders als in einem | |
| Nationalpark seien auch „aktive Umweltschutzmaßnahmen“ möglich, etwa das | |
| Ansiedeln von Riffen oder Seegraswiesen. In der CDU-Fraktion habe es einen | |
| Lernprozess gegeben: „Wir sind nun tief im Thema drin und sind überzeugt, | |
| dass die Ostsee geschützt werden muss.“ Auf dem jüngsten CDU-Parteitag war | |
| die Idee eines Nationalparks einstimmig abgelehnt worden, die Grünen | |
| stimmten dagegen einhellig dafür. | |
| Auf die Frage, wer diesen Streit verloren oder gewonnen habe, wollte sich | |
| der [1][Grünen-Fraktionsvorsitzende Lasse Peterdotter] nicht einlassen: „Es | |
| ist weder schwarz noch weiß, Hauptsache die Ostsee gewinnt.“ Noch nie sei | |
| so eine große Fläche der Ostsee unter Schutz gestellt worden. Auch das | |
| große Problem der Dünger-Einträge werde angegangen: Um 20 Prozent soll die | |
| Menge an Nährstoffeinträgen gesenkt werden, so Petersdotter. | |
| Genau diesen Punkt sehen die Umweltschutzverbände kritisch. Denn Nitrate, | |
| Phosphor und andere Stoffe, die aus Kläranlagen und vor allem aus der | |
| Landwirtschaft stammen, sind das größte Problem für das flache Binnenmeer | |
| Ostsee. Im überdüngten Wasser vermehren sich Algen, sterben ab und werden | |
| nicht mehr zersetzt. So entstehen „Todeszonen“, in denen es weder Fische | |
| noch Pflanzen mehr gibt. „[2][Der Ostsee geht es schlechter, als viele | |
| ahnen]“, sagt Alexander Schwarzlose, Landesvorsitzender des | |
| Naturschutzbundes (Nabu) in Schleswig-Holstein. Denn was sich unter Wasser | |
| abspiele, sei „eben nicht so sichtbar wie ein totes Bambi auf der Straße“. | |
| Doch die Ziele der Landesregierungen, gerade was die Düngereinträge | |
| betreffen, gingen nicht weit genug: „Dass es weniger Einträge geben soll, | |
| ist keine neue Maßnahme, sondern EU-rechtlich festgelegt“, sagt | |
| Schwarzlose. „Man verspricht nun zu erfüllen, was man bisher versäumt hat | |
| umzusetzen. Das ist kein Umweltschutz!“ | |
| Kritisch sehen die Naturschutzverbände auch die Art, wie die Düngereinträge | |
| verringert werden sollen. So gibt es in Schleswig-Holstein keine | |
| Schutzstreifen an Bächen, Gräben und Auen – sie würden einen Teil des | |
| Düngers zurückzuhalten, meinen Fachleute. Auch im Rahmen des Aktionsplans | |
| sollen diese Streifen nicht verbindlich eingerichtet werden. Mit der | |
| Landwirtschaft wird eine „Zielvereinbarung“ abgeschlossen, dazu will das | |
| Landwirtschaftsministerium bis Jahresende ein Konzept vorlegen. | |
| „Alles freiwillig und noch unterhalb der Vorgaben der | |
| Wasserrahmenrichtlinie, das ist alles lau und lasch“, fasst Ole Eggers vom | |
| BUND Schleswig-Holstein zusammen. Doch trotz der Kritik sehen die | |
| Umweltverbände in der Größe der Schutzgebiete auch einen Schritt in die | |
| richtige Richtung. | |
| ## Keine weiteren Debatten | |
| Für die Oppositionspartei FDP [3][geht der Schutz eher zu weit]: „Wir | |
| fürchten, dass es der erste Schritt zu einem Nationalpark Ostsee ist“, sagt | |
| Fraktionschef Christopher Vogt. Dass sich die Grünen diesen Park mit seinem | |
| noch strengeren Schutzcharakter weiter wünschen, ist ein offenes Geheimnis. | |
| Doch bis zum Ende der laufenden Regierungszeit solle es [4][keine weiteren | |
| Debatten] darüber geben, sagte Lasse Petersdotter. | |
| Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass Schleswig-Holsteins Beitrag | |
| allein nicht reichen wird. „Wir machen erste eigene Hausaufgaben, dann | |
| gehen wir auf Nachbarn zu“, sagt Goldschmidt. „Die Ostsee kriegt nur mit | |
| einem gemeinsamen Kraftakt die Kehrtwende hin.“ | |
| 19 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gruenen-Fraktionschef-ueber-gruene-Politik/!5984399 | |
| [2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1311111/umfrage/anteil-eutro… | |
| [3] /Debatte-ueber-Nationalpark-Ostsee/!5983076 | |
| [4] /Streit-um-Nationalpark-Ostsee/!5983075 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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