# taz.de -- Munition in Nord- und Ostsee: Die Bergung beginnt | |
> Auf dem Boden von Nord- und Ostsee schlummern gefährliche Behälter – | |
> Überreste der zwei Weltkriege. Nun beginnt eine Pilotphase zur Bergung. | |
Bild: Es gibt noch viele Munitionsreste zu bergen in der Ostsee | |
BERLIN taz | Genug gebadet: Nach über 70 Jahren holen Bund und Länder | |
gefährliche Weltkriegsmunition aus Ost- und Nordsee. [1][Geplant wird das | |
Megaprojekt seit Langem, nun tritt es in seine praktische Phase]. Erste | |
Verträge mit Firmen, die sich an der Bergung und Entsorgung der Munition | |
beteiligen, stünden kurz vor dem Abschluss, heißt es aus dem | |
Umweltministerium, im Sommer soll es richtig losgehen. | |
Auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee liegen insgesamt 1,6 Millionen | |
Tonnen Munition aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Fässer und Kisten | |
sind dort zum Teil nach Kriegsende versenkt worden, um sie schnell | |
unschädlich zu machen. [2][Experten beobachten mit großer Sorge diese | |
Altlasten], weil sie im Salzwasser zu rosten beginnen und Schwermetalle und | |
dann andere Gifte abgeben können. Diese drohen über Muscheln und Fische | |
auch in die menschliche Nahrungskette zu gelangen und die ohnehin | |
verschmutzten marinen Ökosysteme noch stärker zu belasten. | |
Darum hat das Bundesumweltministerium das „Sofortprogramm zur | |
Munitionsbergung“ aufgelegt, wie es sich die Ampelregierung in ihrem | |
Koalitionsvertrag vorgenommen hatte. 100 Millionen Euro stellt der Bund | |
bereit, um die Technik und Infrastruktur zu entwickeln, die für die Bergung | |
notwendig sind. Das Geld finanziert dabei lediglich die Pilotphase. Die | |
Mittel für die anschließende, jahrzehntelange Bergung soll von Bund und | |
Ländern gemeinsam aufgebracht werden. | |
## Ende 2026 soll die industrielle Bergung beginnen | |
Das Pilotprogramm startet im Sommer. Dabei werden verschiedene Techniken | |
und Maschinen – beispielsweise Greifarme und selbstfahrende | |
Unterwasserfahrzeuge – entwickelt und getestet. Diese gibt es bislang | |
nicht. Ebenfalls neu entwickelt wird eine schwimmende Plattform, von der | |
aus die Bergung und Entsorgung – meist an Land – organisiert werden kann. | |
Entsorgt wird die unbrauchbare Munition in speziellen Öfen, die Sprengstoff | |
verbrennen können. Ziel sei eine „sichere und effektive Verfahrenskette“, | |
heißt es aus dem Ministerium. Die Erkenntnisse sollen einfließen in die | |
anschließende Konstruktionsphase der Plattform und der letztlich | |
eingesetzten Werkzeuge. Ende 2026, so der Plan, soll die industrielle | |
Bergung der Munition beginnen. | |
Weil die Entwicklung von Plattform und Technik für die eher mittelständisch | |
organisierte Branche, die mit Munitionsbergung befasst ist, technologisch | |
durchaus herausfordernd ist, wird das Vergabeverfahren als | |
„Innovationspartnerschaft“ organisiert. Das heißt, dass Experten von Bund | |
und Ländern sowie dem Projektträger Jülich mit interessierten Unternehmen | |
zusammen arbeiten und gemeinsam entwickeln, welche Techniken und Verfahren | |
am Ende angefragt werden. Erfahrung besteht bislang vor allem bei der | |
Bergung größerer Minen und Bomben, die für den Umgang mit Kisten und | |
Fässern voller Sprengstoff nur zum Teil angewendet werden kann. | |
Bis wann die ganzen 1,6 Millionen Tonnen des Militärmülls vom Meeresboden | |
gehoben und entsorgt werden können, lässt sich kaum abschätzen. Das | |
Ministerium sieht die Aufgabe als ein Generationenprojekt. Während der | |
Pilotphase in diesem Sommer sollen 60 Tonnen, letztendlich jährlich 750 | |
Tonnen jährlich geborgen werden. | |
Getestet wird zunächst an vier Orten in der Ostsee in der Lübecker und der | |
Mecklenburger Bucht. Anders als in der Nordsee, in der Ebbe und Flut den | |
Meeresboden heftig bewegen und die Munitionskisten unter zum Teil | |
meterhohen Sandschichten begraben haben, liegt die versenkte Munition in | |
der Ostsee „wie auf einem Tablett“, so ein Experte. Zudem gelten die | |
Altlasten in dieser Gegend als weitgehend ungefährlich und damit | |
handhabbar. Die vier Orte für das Pilotprojekt seien nach | |
wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht worden; dies mache sie gut | |
geeignet, um erste Erfahrungen zu sammeln. | |
## Fischer sind erleichtert | |
Im Deutschen Fischereiverband in Hamburg ist man erleichtert, dass die | |
Bergung endlich startet. „Das Problem kommt immer dringlicher auf uns zu“, | |
sagt ein Sprecher des Verbandes. „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, könnte | |
es passieren, dass die Fische nicht mehr lebensmitteltauglich sind“. Eine | |
Neuauflage des Problems droht zumindest in Nord- und Ostsee nicht: Dort | |
wird inzwischen keine Munition mehr versenkt. | |
21 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gefahr-fuer-Nord--und-Ostsee/!5954952 | |
[2] /Munitionssprengungen-in-Nord--und-Ostsee/!5831246 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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