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# taz.de -- Biologe über Schadstoffe in der Ostsee: „Eine Entlastung für di…
> Miesmuscheln in der Ostsee nehmen weniger Schwermetalle und Schadstoffe
> auf. Für generelle Entwarnung ist es laut Biologe Mario von Weber zu
> früh.
Bild: Filtern, was ins Meer kommt: Miesmuscheln in der Ostsee
Hamburg taz |: Herr von Weber, wie geht es den Muscheln der Ostsee?
Mario von Weber: Die Muscheln in [1][der Ostsee] sind belastet. Wir
untersuchen sie aber seit Mitte der 90er-Jahre und stellten fest, dass
einige [2][der von uns untersuchten Schadstoffe zurückgingen]. Teils
kontinuierlich, teils in den letzten Jahren.
Welche Schadstoffe denn?
Wir untersuchen eine ganze Reihe von Stoffen. Das sind zum Beispiel
Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Chrom, Nickel und Zink. Allen bekannt ja
auch das hochgiftige Quecksilber. Am stärksten gingen Kupfer, Zink und Blei
zurück, aber auch die anderen Metalle an fast allen unserer acht
Probestellen an der Ostseeküste. Sehr erfreulich sind auch die Rückgänge
beim Quecksilber, das weltweit verbreitet ist. Hier haben wir seit 2000
keine Überschreitung der Umweltqualitätsnorm bei Muscheln. Und wir haben
Rückgänge bei organischen Schadstoffen, zum Beispiel dem
Pflanzenschutzmittel Lindan oder DDT, aber auch bei PCB.
Wie kommt es dazu?
Das ist zum Teil die Folge von Anwendungsverboten. Blei im Kraftstoff zum
Beispiel wurde um 2000 herum EU-weit verboten. Bei den anderen Metallen
gibt es weniger Belastungen aus Industrie und Kläranlagen. Das sind auch
kleine Dinge. Zahnärzte dürfen ihre Abwässer nicht mehr einleiten, ohne
vorher das in Amalgam enthaltene Quecksilber abzuscheiden. Lindan, DDT und
PCB sind seit Jahrzehnten verboten, das heißt, es kommen weniger von diesen
Schadstoffen in die Umwelt.
Was bedeutet das für das Ökosystem Ostsee?
Es ist für die Muschel auf jeden Fall eine Entlastung. Und Muscheln werden
von anderen Organismen gefressen, von Fischen oder tauchenden Enten. So
lagern auch diese Tiere weniger Schadstoffe ein. Am Ende der Nahrungskette
steht auch der Mensch, der die Fische oder die Muscheln isst. Es gibt für
die menschliche Gesundheit eigene Grenzwerte, die wir nicht untersuchen.
Aber für den Menschen ist der Rückgang auch positiv.
Kann man Muscheln essen?
Die Ostsee-Miesmuschel ist zu klein, die wird nicht vermarktet. Aber an der
Nordsee gibt es große Kulturen, die vermarktet werden. Zur Nordsee kann ich
nichts sagen, aber ich weiß, dass diese Muscheln vor dem Verkauf von den
Lebensmittelbehörden genau untersucht werden.
Wo verbleiben die Schadstoffe, wenn sie zurückgehen?
Sie werden in der Nahrungskette akkumuliert, die Organismen lagern sie ein,
im Fettgewebe, in der Leber, zum Teil in den Muskeln. Zum Teil werden
Schadstoffe in den Fischen abgebaut, [3][zum Beispiel die Polyzyklischen
Aromatischen Kohlenwasserstoffe, abgekürzt PAKs]. Aber in der Regel sind
diese Schadstoffe schwer abbaubar.
Gelangen die Stoffe an den Meeresgrund, wenn die Tiere sterben?
Genau. Dann werden sie im Sediment eingelagert. Schwermetalle sind nicht
abbaubar, das sind ja Elemente. Aber organische Schadstoffe wie
Pflanzenschutzmittel werden teilweise von Bakterien abgebaut. Aber das hat
seine Grenzen. Stoffe wie Lindan sind seit den 1970ern verboten und wir
finden sie immer noch. Die sind an Schwebstoffe gebunden, die die Muscheln
mit dem Wasser filtrieren.
Wie ist es mit den PAKs, die bei der Erdölverarbeitung entstehen?
Die Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe entstehen bei
Verbrennungsprozessen von Holz und Kohle, aber auch bei natürlichen
Prozessen wie Waldbränden. Dazu haben wir noch nicht genug Messreihen.
Aber die Grenzwerte werden nicht überschritten?
Ja. Es gibt bei den PAKs zwei Stoffe, für die Grenzwerte, die sogenannten
Umweltqualitätsnormen, in der Oberflächengen-wässerverordnung der
Bundesrepublik geregelt sind, als Umsetzung von EU-Richtlinien. Diese Werte
werden eingehalten. Das sind festgelegte Grenzwerte, um das Ökosystem vor
Schaden zu bewahren. Der Mensch verzehrt ja nicht solche Mengen von
Muscheln. Aber es gibt Organismen, die sich hauptsächlich davon ernähren.
Gibt es Schadstoffe, die nicht zurückgehen?
Das Halbmetall Arsen. Das ist auch giftig. Da haben wir tendenziell sogar
leichte Anstiege. Die können wir uns bisher noch nicht erklären, das ist
ein Thema für die Forschung. Auch die seit 2008 verbotenen
Organo-Zinn-Verbindungen, die früher für Schiffsanstrich verwendet wurden,
nehmen in unseren Muschelproben noch nicht ab.
Wie kann man herausfinden, woher das Arsen stammt?
Es ist sehr schwierig, solche Ursachen festzustellen. Wenn es keine
Einleitungen gibt, kann es sein, dass es über die Luft kommt. Eine mögliche
Erklärung – mit ganz großem Fragezeichen – wären die [4][Kampfmittel aus
dem Zweiten Weltkrieg]. Da gibt es eine Reihe von arsenhaltigen
Verbindungen. Dadurch, dass die Behälter, in denen sie sind, jetzt
durchrosten, kann es sein, das diese austreten. Aber das wäre nur eine
These.
Gibt es andere Belastungen durch alte Munition?
Ja, die sogenannten „Sprengstofftypischen Verbindungen“, STV, die seit zwei
Jahren in aller Munde sind. Nur haben wir die noch nicht in unserem
Untersuchungsprogramm. Forscher vom Geomar in Kiel haben festgestellt, dass
Fische und Muscheln damit belastet sind.
Also gibt es keine generelle Entwarnung für die Muschel?
Nein. Es gibt immer wieder neue Stoffe, die wir noch gar nicht eingeordnet
haben. Das wird ein Problem bleiben, solange die Industrie neue Stoffe in
die Umwelt bringt, die sie schädigen.
5 Aug 2023
## LINKS
[1] /Hochexplosiv-und-gefaehrlich/!5918298
[2] https://www.lung.mv-regierung.de/insite/cms/umwelt/wasser/gewaesserguete/ge…
[3] /Verklappung-und-Verpestung/!5851226
[4] /Kriegsmunition-in-Nord--und-Ostsee/!5743283
## AUTOREN
Kaija Kutter
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