| # taz.de -- Digitale Überwachung der Ostsee: Umweltzustand in Echtzeit | |
| > Der Ostsee geht es schlecht. Forschende des Kieler Geomar und der Kieler | |
| > Uni überwachen ihren Zustand künftig mithilfe von künstlicher | |
| > Intelligenz. | |
| Bild: Die Eckernförder Bucht: schon länger observiert und deshalb der Ort, an… | |
| Rendsburg taz | Die Ostsee mit ihrem flachen Wasser, dicht besiedelten | |
| Ufern und starkem Schiffsverkehr leidet besonders unter der Klimaerwärmung: | |
| „Das Brackwassermeer Ostsee erwärmt sich schneller als jedes andere“, hei�… | |
| es in einer Stellungnahme des Naturschutzbundes Nabu. „Das Ökosystem | |
| kippt“, warnt auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). | |
| Das heißt: Wäre das Meer eine Person, gehörte sie auf eine Intensivstation. | |
| Eine Behandlung der Patientin – etwa Fischereiverbote oder mehr geschützte | |
| Zonen durch den [1][Status als Nationalpark] – wird seit Jahren diskutiert, | |
| ist aber [2][bislang nicht in Sicht.] | |
| Zumindest eine genaue Überwachung soll die Schwerkranke nun erhalten. | |
| Forschende des Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der | |
| Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) setzen dafür auf ein | |
| gemeinsames Projekt namens Insyst. Die Abkürzung steht für „Intelligentes | |
| System“. Es soll helfen, die Küstengewässer der Ostsee, wo sich die | |
| Probleme besonders stark zeigen, mithilfe [3][künstlicher Intelligenz] zu | |
| überwachen. | |
| Für das Pilotprojekt hat das Team die Eckernförder Bucht ausgewählt. Kein | |
| Zufall, erklärt Projektleiterin Helmke Hepach. Denn am Ausgang der Bucht, | |
| am Boknis Eck, werden seit 1957 regelmäßig Proben genommen. Die Messung | |
| zählt nach Mitteilung des Geomar zu den ältesten Zeitreihen dieser Art | |
| weltweit, bei denen kontinuierlich physikalische, chemische und biologische | |
| Parameter erfasst werden. | |
| Interessant für die Forschenden sind Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff und | |
| Methankonzentrationen. Allerdings finden bisher vor allem sogenannte | |
| „diskrete“ Messungen statt, heißt es in einer [4][gemeinsamen | |
| Pressemitteilung von Geomar und CAU]. Gemeint ist, dass von einem Schiff | |
| aus Wasserproben genommen und anschließend zur Auswertung ins Labor | |
| gebracht werden. Das Problem: Die Ergebnisse liegen erst nach Tagen oder | |
| gar Monaten vor. | |
| 2016 hat das Geomar ein Observatorium am Meeresboden aufgebaut. Der | |
| Bocknis-Eck-Knoten sammelte automatisch Daten und schickte sie per Kabel an | |
| die Oberfläche. Allerdings verschwanden 2019 die beiden etwa | |
| schreibtischgroßen Kästen, die das Observatorium bilden, spurlos. Im | |
| Februar 2020 fand ein Wracksuch- und Forschungsschiff des Bundesamtes für | |
| Seeschifffahrt und Hydrographie eines der Gestelle wieder, es lag rund 200 | |
| Meter vom ursprünglichen Standort entfernt. | |
| Wie es dorthin kam, bleibt unklar. Aber nun wollen Hepach und ihr Team für | |
| Insyst ein neues Unterwasser-Observatorium aufbauen. Dessen Daten fließen | |
| beständig in ein Computermodell der Ostsee ein, das dann die physikalischen | |
| Parameter in der Eckernförder Bucht abbildet. Hinzu kommen Daten aus | |
| anderen Quellen, die bisher einzeln erfasst und erst allmählich | |
| zusammengebracht wurden. Die KI soll sie sofort verknüpfen und auswerten. | |
| Damit entsteht im Computer ein Profil des Meeres, mit dem sich der | |
| „Umweltzustand künftig annähernd in Echtzeit erfassen“ lasse, versprechen | |
| die Forschenden. | |
| „Herkömmliche statistische Verfahren können diesen großen Datenmengen nicht | |
| mehr gerecht werden“, sagt Olaf Landsiedel, Professor an der technischen | |
| Fakultät der CAU und im Projekt für die KI-Methodik zuständig. Und je mehr | |
| Daten, desto genauer werde das Ergebnis, so Landsiedel. Auf Grundlage der | |
| echten Werte können die Forschenden am Rechner hypothetische Szenarien | |
| durchspielen und testen, welche Maßnahmen helfen, um die Bedingungen für | |
| die bedrohte Tier- und Pflanzenwelt zu verbessern. | |
| Bereits heute finden sich in der Ostsee „Todeszonen“, in denen kein Leben | |
| mehr möglich ist. Sie entstehen durch [5][Überdüngung], die zu einer | |
| überproportionalen Algenblüte führen. Wenn sie sich zersetzen, verbrauchen | |
| sie Sauerstoff, der dann am Meeresgrund fehlt. Immer noch gelangten | |
| jährlich mehr als 825.000 Tonnen Stickstoff, das entspricht etwa 44.000 | |
| LKW-Ladungen zusätzlicher Nährstoffe, in die Ostsee, schreibt der Nabu, der | |
| vor weiterer Überdüngung und [6][ihren Folgen], der sogenannten Eutrophie, | |
| warnt. | |
| ## Datensammlung via App | |
| Wenn Insyst läuft, werden die Forschenden zumindest genau wissen, wie der | |
| Status des Meeres ist. Die gesammelten Daten sollen allen Interessierten | |
| zur Verfügung gestellt werden, dazu werde noch eine | |
| Kommunikationsplattform entwickelt, kündigen Geomar und CAU an. Zudem wird | |
| eine App erstellt, über die sich andere Forschende oder Gruppen mit eigenen | |
| Beobachtungen an der Datensammlung beteiligen können. | |
| Die schwarz-grüne schleswig-holsteinische Landesregierung fördert das | |
| Projekt mit 750.000 Euro, die aus der KI-Strategie des Landes stammen. Bei | |
| der Übergabe der Fördermittel erinnerte Digitalisierungsminister Dirk | |
| Schrödter (CDU) an den Plan, Schleswig-Holstein zur „digitalen | |
| Vorzeigeregion“ zu machen. „Umweltschutz, Digitalisierung und künstliche | |
| Intelligenz sind untrennbar miteinander verbunden“, sagte Schrödter. | |
| Geomar-Direktorin Katja Matthes nennt das Projekt wegweisend: „Die | |
| Integration von künstlicher Intelligenz in Meeres-Monitoring-Konzepte | |
| bietet sich als vielversprechender Ansatz an, der jedoch bisher noch kaum | |
| genutzt wird.“ Das „Intelligente System“ aus Kiel könne einen Beitrag | |
| leisten, solche Methoden generell weiterzuentwickeln. Sie könnten in | |
| Zukunft „dabei helfen, unsere marinen Ökosysteme zu schützen und zu | |
| bewahren“, sagte Matthes bei der Übergabe des Förderbescheids. | |
| 16 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Nationalpark-Ostsee-vor-dem-Aus/!5960363 | |
| [2] /Zukunft-der-Ostsee/!5996361 | |
| [3] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174 | |
| [4] https://www.geomar.de/news/article/kuenstliche-intelligenz-fuer-besseren-os… | |
| [5] /Ostsee-auf-der-Kippe/!5538765 | |
| [6] /Fischfang-in-der-Ostsee/!5860698 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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