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# taz.de -- Studie zum Effekt von Lichtverschmutzung: Licht nervt Muscheln
> Wenn es unter Wasser ständig hell ist, wird die Biodiversität geschädigt.
> Das Kieler Geomar-Helmholtz-Zentrum hat dazu eine Studie veröffentlicht.
Bild: Schlecht für das Leben unter Wasser: Lichtverschmutzung wie hier durch d…
Rendsburg taz | Dank künstlichen Lichts hat der Mensch die Nacht erobert –
und zerstört damit langfristig die Ökosysteme. Trotz zahlreicher Studien
wird die Lichtverschmutzung aber nur langsam als Problem erkannt. Nun
schaut ein Forschungsprojekt, das in acht Ländern gleichzeitig stattfindet,
auf die Ökosysteme der Küsten weltweit: Was ändert sich, wenn der
Tag-Nacht-Rhythmus von Meeresalgen gestört wird? Die Fäden der Forschung
laufen im Kieler Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung zusammen.
Acht Teams aus je zwei Studierenden werden in den kommenden Monaten auf den
Kapverdischen Inseln, in Finnland, Japan, Kroatien, Malaysia, Portugal,
Spanien und Wales parallele Experimente starten. Die Forschungsreihe ist
Teil des [1][Ausbildungsprogramms „Globaler Ansatz durch Modulare
Experimente“ (Game)] am Kieler Geomar. Im Mittelpunkt der diesjährigen
Arbeit steht die Frage, ob und wie Meeresalgen von nächtlichem Kunstlicht
beeinflusst werden. Daraus ergeben sich Folgefragen: Setzen sich die
Effekte im Nahrungsnetz fort? Gibt es einen Einfluss auf den Menschen?
„Von Landpflanzen ist bereits bekannt, dass nächtliches Kunstlicht sie
beeinträchtigen kann. In den flachen Küstenmeeren übernehmen mehrzellige
Algen, deren größte Vertreterinnen ganze Unterwasserwälder bilden können,
ähnliche Funktionen wie die höheren Pflanzen an Land. Bislang gibt es aber
noch keine Untersuchungen dazu, wie sich nächtliches Kunstlicht auf diese
Organismen auswirkt“, so steht es in einer Pressemitteilung des Geomar.
Lichtquellen sind „Straßenlaternen über die Beleuchtung in Häfen, an
Gebäuden, in Aquakulturanlagen bis zu Schiffen und Bohrinseln auf hoher
See“, sagte Mark Lenz, wissenschaftlicher Koordinator des Game-Programms,
der taz kürzlich in einem [2][Interview]. Bis in zehn Meter Tiefe sei der
Einfluss noch spürbar, rund 25 Prozent der Küsten weltweit seien betroffen.
Für das Experiment werden Algen im Labor teils im natürlichen
Tag-Nacht-Rhythmus gehalten, teils unter Lichtstress gesetzt. In einige
Becken setzen die Studierenden Schnecken und Seeigel, die sich von Algen
ernähren. Dabei interessiert die Forschenden, ob die beweideten Algen eine
chemische Verteidigung gegen Fraß aufbauen und ob diese Fähigkeit durch das
nächtliche Kunstlicht beeinträchtigt wird.
Die aktuelle Studie baut auf früheren Game-Jahrgängen auf. Studierende
untersuchten seinerzeit, wie das Verhalten von Schnecken und Seeigeln durch
Kunstlicht beeinflusst wird, schauten sich die Filtrationsleistung von
Muscheln an und widmeten sich wirbellosen Wesen wie Seepocken und
Manteltieren. Bisherige Ergebnisse zeigten „deutliche Einflüsse“ des
Kunstlichts, so Studienleiter Lenz. Tagaktive Arten bleiben länger wach,
nachtaktive haben wegen des Lichts weniger Zeit zum Fressen. Da sich einige
Arten unter Licht besser vermehren als andere, nimmt die Vielfalt unter
Wasser ab.
Diese Ergebnisse decken sich mit den Studien über Pflanzen und Tiere an
Land. Eine Sammlung solcher Studien lieferte die Universität Jena im
Oktober vorigen Jahres. Demnach wirkt sich Kunstlicht sogar auf
unterirdische Gemeinschaften aus, beeinflusst die Bodenatmung und die
Effizienz der Kohlenstoffnutzung.
[3][Insekten sterben durch Licht] – weil sie wie gefangen um eine Laterne
kreisen, aber auch, weil ihre Fressfeinde nachts auf die Jagd gehen und sie
nun sehen können. Das Wachstum von Pflanzen wird gestört, es kommt laut Uni
Jena zu einer Verringerung von Biomasse und Diversität.
Die [4][Lichtverschmutzung] nimmt stetig zu. Das Büro für
Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) kam in einer 2020
präsentierten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass weltweit sowohl die Größe
der beleuchteten Flächen als auch die Intensität des Lichts jährlich um je
zwei Prozent zunehmen. Dabei holen Länder in Afrika, Südamerika und Asien
auf. Deutschland ist bereits „hell erleuchtet“, heißt es in der
Stellungnahme des TAB.
## Besonders lichtstark sind Bayern und Schleswig-Holstein
Besonders lichtstark sind Bayern und Schleswig-Holstein. Die LED-Lampen,
die als energiesparend gelten, helfen nicht gegen die Lichtverschmutzung,
im Gegenteil, so das TAB: „Das kurzwellige blaue Lichtspektrum der LED
steht im Verdacht, humanmedizinisch und ökologisch nachteilige Wirkungen zu
erzeugen. Zudem führt die kostengünstige Verfügbarkeit der
energieverbrauchsarmen LED zur immer weitergehenden Nutzung.“
Die Ideen des TAB, wie sich die Lichtflut eindämmen ließe, bleiben
allerdings vage. So könnten etwa die Kommunen Lichtsatzungen erlassen,
öffentliche Debatten geführt werden und Wettbewerbe Ideen zur „nachhaltigen
Beleuchtung“ fördern. Der Deutsche Bundestag überwies den Bericht ohne
Beratung in die Ausschüsse.
Das neue Projekt am Geomar-Helmholtz-Zentrum läuft noch bis Ende Dezember
dieses Jahres. Bewerbungen für den Game-Jahrgang 2025 sind ab sofort
möglich. Die Forschungen werden zu einem großen Teil durch die
[5][Klaus-Tschira-Stiftung] finanziert.
10 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.geomar.de/game
[2] /Archiv-Suche/!5977868&s=Mark+Lenz&SuchRahmen=Print/
[3] /Bis-zum-Absturz/!6006951
[4] /Lichtverschmutzung/!t5028185
[5] https://klaus-tschira-stiftung.de/projekte/geomar/
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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