# taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete: Grüne wollen „ganz in Ruhe“ ber… | |
> Die FDP drängelt und schließt Kompromisse aus. Trotzdem wird die Ampel im | |
> Bundestag keinen schnellen Beschluss zur Bezahlkarte fällen. | |
Bild: Ein Geflüchteter zeigt eine Bezahlkarte in Offenbach in Baden-Württembe… | |
BERLIN taz | Die FDP wollte schnell fertig werden, die Grünen nehmen aber | |
Tempo raus: Der Bundestag wird in der laufenden Sitzungswoche keine | |
Gesetzesgrundlage zur Bezahlkarte für Asylbewerber*innen schaffen. „Es | |
stellen sich noch Fragen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am | |
Dienstag. „Wir gucken uns das gerade ganz in Ruhe an auf Ebene der | |
Berichterstatterinnen und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Dort | |
wird gründlich beraten.“ | |
Damit stellte sie sich gegen FPD-Fraktionschef Christian Dürr, der | |
vergangene Woche gefordert hatte, im Schnellverfahren bis spätestens | |
Freitag im Parlament abzustimmen. | |
Die Ministerpräsident*innen der Länder hatten sich schon im Herbst | |
darauf geeinigt, bundesweit Bezahlkarten für Geflüchtete einzuführen. Statt | |
Bargeld sollen sie finanzielle Leistungen über eine Karte erhalten und mit | |
dieser einkaufen. [1][Je nach Ausgestaltung sind solche Karten nur regional | |
gültig] und nicht dafür geeignet, Geld abzuheben. Strittig war lange Zeit, | |
ob für die flächendeckende Einführung ein Bundesgesetz geändert werden | |
muss. Am 1. März gaben aber die Grünen in der Bundesregierung ihren | |
Widerstand in der Frage auf und das Kabinett einigte sich auf einen | |
Formulierungsentwurf für den Bundestag. | |
Im Parlament wird ab dieser Woche aber weiterverhandelt. Auch nach Ansicht | |
der zuständigen Berichterstatterin der Grünen, der Abgeordneten Stephanie | |
Aeffner, gibt es noch einiges zu klären. „Wie stellen wir sicher, dass | |
Menschen weiterhin Verträge für Internet, Telefon, Strom oder | |
Rundfunkgebühren abschließen können, Dinge, für die man ein Konto und Geld | |
braucht? Wie können Geflüchtete, die hier studieren, ihre Kopierkarten | |
weiterhin mit Bargeld aufladen oder in der Mensa essen?“, so Aeffner zur | |
taz. | |
Auch viele Sozialkaufhäuser und Secondhandläden hätten kein | |
Kartenlesegerät, so dass Menschen nicht mehr ohne Weiteres an günstige | |
Kleidung kämen. | |
## Kabinettsbeschluss mit offener Frage | |
Aeffner befürchtet, „dass wir Menschen über die Bezahlkarte von | |
gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen und damit auch Integrationschancen | |
zerstören“. Auch auf die Behörden könnten ihr zufolge aufwendige Verfahren | |
zukommen. „Denn diese müssen sicherstellen, dass Geflüchtete ihre Bedarfe | |
decken können, wozu auch Verträge und entsprechende Abbuchungen von einem | |
Konto gehören.“ Die Karte müsse so ausgestaltet werden, dass | |
Asylbewerber:innen weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen | |
können. | |
Dass es grundsätzlich noch Gesprächsbedarf gibt, hatte sich schon im | |
Kabinettsbeschluss angedeutet. Darin hatte das von Hubertus Heil (SPD) | |
geführte Ministerium für Arbeit und Soziales einen Prüfauftrag formuliert: | |
Im parlamentarischen Verfahren solle die offene Frage geprüft werden, ob | |
bestimmte Gruppen wie Erwerbstätige, Azubis oder Studierende von der | |
Bezahlkarte ausgenommen werden. | |
FDP-Fraktionschef Dürr gab sich am Dienstag dennoch genervt vom grünen | |
Redebedarf: „Ich rufe alle Koalitionspartner auf, dass das Thema | |
Bezahlkarte so schnell wie möglich rechtssicher abgeschlossen wird“, sagte | |
er. Kompromisse schloss er aus: Inhaltlich könne es gegenüber dem | |
Regierungsbeschluss „gar keine Abschwächung geben“. | |
Druck machen im Hintergrund auch Unternehmensvertreter, die mit der | |
Bezahlkarte so schnell wie möglich Geld verdienen wollen. Seit Anfang März | |
gelten für das Lobbyregister des Bundestags verschärfte Regeln; | |
registrierte Lobbyist*innen müssen seitdem offenlegen, für welche | |
Gesetzesvorhaben sie bei Abgeordneten werben. Unter den seitdem | |
aktualisierten Einträgen befindet sich der [2][der Publk GmbH aus | |
Niedersachsen, die Systeme für Bezahlkarten anbietet]. Als Inhalt der | |
Lobbyarbeit hat das Unternehmen angegeben: „Vortrag von Sachargumenten | |
hinsichtlich Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens“. | |
12 Mar 2024 | |
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[1] /Bezahlkarte-fuer-Gefluechtete-in-Thueringen/!5997072 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Anna Lehmann | |
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