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# taz.de -- Cash oder Karte?: Zeche prellen wäre das Beste
> Die einen lieben Bargeld, die anderen Kreditkarten – und alle glauben,
> dass ihre Zahlmethode die umweltschonendere ist. Wer recht hat, ist
> wurscht.
Bild: Barzahlen oder mit Karte? Oder weg rennen?
Cash oder Karte, das ist die Frage. Eine hochexplosive Frage, ach was,
scheinbar ist sie noch brisanter als einst die Debatte um die
Corona-Impfpflicht. Keine Alltagsangelegenheit ist so emotional aufgeladen
wie diese. Während die Bargeldliebhaber:innen für Freiheit,
Selbstbestimmung, Anonymität fighten, kontern die Gegner:innen mit dem
Kampf gegen Drogenhandel, Geldwäsche, Korruption. Der Diskurs beschäftigt
Arme wie Reiche, Frauen wie Männer, Junge wie Alte. Mit der Liebe zum
Bargeld heute ist es wie in den 1960ern in der Musik: Stones oder Beatles?
Doch jetzt könnte es noch komplizierter, ergo emotionaler werden. Denn ob
man im Portemonnaie nach Münzen und Scheinen kramt oder die Creditcard
zückt und an das Kartenterminal hält, entscheidet darüber, ob man eine
große oder kleine Ökosau ist.
Ha, jetzt denken Sie bestimmt, ich bin voll auf der guten Seite, denn die
schlechtere Ökobilanz hat garantiert das Team Karte. Wegen der vielen
Server, auf denen all das digitale Zeug und eben auch die Finanzströme
gespeichert sind. Die Server müssen gekühlt werden, sie fressen viel zu
viel Strom, der auch noch immer nicht großflächig Ökostrom ist. Das ist
alles hundsmiserabel für die Umwelt. Und dann noch dieses umstrittene
Bitcoinschürfen. Dafür braucht es Spezialrechner, für die eine
Mining-Industrie entwickelt wurde, die einen eigenen Kreislauf von
Elektroprodukten besitzt.
Also alles gut mit dem 100-Euro-Schein und dem 50-Cent-Stück? Kann sich das
Team Bargeld beruhigt zurücklehnen, weil es an der Supermarktkasse beim
digitalen Erwärmen der Atmosphäre nicht mitmacht?
Ganz und gar nicht. Bargeldliebhaber:innen sitzen einem fetten
Selbstbetrug auf. Wie der vor Kurzem von der [1][Community Cashless
Society] veröffentlichte aktuelle Report herausfand, tragen
Bargeldzahler:innen stärker als Kartenzahler:innen zum
CO2-Ausstoß bei. Der ökologische Fußabdruck ist bei Kartenzahlung um 21
Prozent geringer als beim Bargeld. Ein [2][niederländisches Forschungsteam
hat sogar einen 36 Prozent größeren ökologischen Footprint] bei der
Barzahlung ausgerechnet.
Der Cashless-Society-Report fand auch heraus, dass Deutschland bei der
ökologischen Bargeldsauerei in Europa an zweiter Stelle steht, gleich nach
Italien, wo Bargeld noch beliebter ist als zwischen Ostsee und Zugspitze.
Wie kann es sein, dass Bargeld umweltschädlicher ist als diese
Plastikkarte? Man ahnt es: Um Papierscheine und Münzen herzustellen, werden
Bäume abgeholzt und Metalle wie Kupfer und Zinn abgebaut. Die Scheine
müssen gedruckt, die Münzen geprägt werden. Das frisst jede Menge Energie,
für die Scheine braucht man Farbe. Und dann der Geldtransport zu den
Automaten und Banken. Geldautomaten werden mit Strom betrieben, die meisten
Geldautos fahren mit Benzin. Zu guter Letzt schlägt auch noch die
Vernichtung von aussortiertem Bargeld zu Buche.
Also besser zack, zack ins Team Karte wechseln? Halt, ihr vergesst uns,
[3][ruft jetzt eine halbe Million Menschen: Wir haben gar kein Konto.] Wie
sollen wir ohne Bargeld Brot, Milch, Klopapier kaufen? Wie den Kaffee im
Bistro bezahlen? Und wie das [4][Deutschlandticket]?
Doch es lohnt nicht, sich aufzuregen. In welchem Team Sie sich wohler
fühlen, ist scheißegal. Denn solange man in dem einen Café die Kreditkarte
zücken muss, der Bäcker gegenüber aber nur Bares nimmt und der Supermarkt
die Karte erst ab 20 Euro akzeptiert, ist es sowieso ratsam, immer beides
dabei zu haben: Bargeld und Karte.
17 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.ambrosetti.eu/en/our-communities/cashless-society-community/
[2] https://link.springer.com/article/10.1007/s11367-017-1408-6
[3] https://www.kontofinder.de/blog/leben-ohne-girokonto/
[4] /Deutschland-Ticket-grenzt-Arme-aus/!5958035
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Kolumne Starke Gefühle
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Kreditkarte
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Kolumne Berliner Szenen
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