# taz.de -- 13 Jahre nach Tsunami und Super-GAU: Mysterium im Inneren des Reakt… | |
> Im Jahr 2011 kam es in Fukushima zur Kernschmelze. Mit dem strahlenden | |
> Material wird Japan noch Jahrzehnte umgehen und leben müssen. | |
Bild: Radioaktives Wasser in undichten Tanks ist eines von vielen Problemen in … | |
TOKIO taz | Dreizehn Jahre nach dem [1][GAU vom März 2011] bleibt das | |
Innere der Atomreaktoren von Fukushima ein ungelöstes Mysterium. Große | |
Trümmermengen und extreme Strahlung stoppen bis heute alle Versuche, auch | |
nur eine winzige Probe Corium herauszuholen. | |
Ein [2][Erdbeben der Stärke 9 und ein Tsunami hatten damals die | |
Stromversorgung und die Kühlung der Meiler zerstört und eine dreifache | |
Kernschmelze] verursacht. Eine lavaartige Mischung aus angereichertem Uran | |
als Kernbrennstoff und den geschmolzenen Überresten von stählernen | |
Steuerstäben voll mit Cadmium und Bor – „Corium“ genannt – brannte sich | |
durch den Boden der Reaktorbehälter und fraß sich in den Beton der | |
Sicherheitshüllen hinein. | |
Die gesamte Corium-Menge schätzt der Fukushima-Betreiber Tepco auf | |
gigantische 880 Tonnen. Wie viel des strahlenden Materials in jedem Reaktor | |
tatsächlich ausgetreten und wohin es geflossen ist, ließ sich bisher nicht | |
genau herausfinden. | |
Schon einige Gramm dieser Substanz würden Tepco zumindest Hinweise zu ihrer | |
Beschaffenheit geben. Daraus ließen sich dann Bergungsmethoden ableiten. | |
Doch die Probenentnahme sei wie das Eindringen in den „Hauptturm einer | |
Burg“, sagte Projektleiter Akira Ono anlässlich des Jahrestags der | |
Nachrichtenagentur AP. „Wir müssen noch viel nachdenken, um die | |
beispiellose Aufgabe der Entfernung des geschmolzenen Brennstoffs zu | |
bewältigen.“ | |
## Roboter bleiben stecken | |
Bisher gelang es den Ingenieuren nicht einmal, das Innere der Reaktoren | |
gründlich zu erkunden. Vor zwei Wochen schickte Tepco erstmals Minidrohnen | |
in den primären Sicherheitsbehälter des am stärksten havarierten Reaktor 1. | |
Die Flugroboter sollten den Betonsockel unter dem Druckbehälter | |
fotografieren, zwei weitere Drohnen dann den Sockel erkunden. Doch Tepco | |
musste das Vorhaben abbrechen: Ein schlangenförmiger Kriechroboter, der die | |
Daten der hochauflösenden Drohnenkameras an den Kontrollraum übertragen | |
sollte, blieb auf dem Weg zu seiner Zielposition stecken. Solche | |
unerwarteten Rückschläge brächten wertvolle Lektionen für die nächsten | |
Schritte mit sich, kommentierte Ono nüchtern. | |
Angesichts der geringen Fortschritte dieser Vorarbeiten gilt das offizielle | |
Ziel, die drei zerstörten Meiler bis 2051 komplett abzubauen, schon seit | |
Langem als unrealistisch. So werden die abgebrannten Brennelemente, die | |
unter dem Dach des Gebäudes von Reaktor 1 liegen, mit einer Verspätung von | |
zehn Jahren erst ab 2027 aus ihren Kühlbecken herausgeholt. Für die Bergung | |
und Lagerung der hochradioaktiven Schmelzmasse in den Reaktoren existieren | |
bisher nur vage Ideen und keine Ansätze für eine technischen Lösung. | |
## Mammutaufgabe im Alleingang | |
Trotz der gewaltigen Technikhürden und der ausufernden Kosten halten | |
Regierung und Tepco an dem Projekt fest. Womöglich wollen sie der Welt aus | |
nationalem Stolz beweisen, dass Japan diese Mammutaufgabe bewältigen kann, | |
nachdem die Atomkatastrophe [3][durch den mangelhaften Tsunamischutz der | |
Meiler weitgehend selbstverschuldet] gewesen war. | |
Doch ein erster Schritt in diese Richtung, die [4][Einleitung von über 1 | |
Million Tonnen gereinigten Kühlwassers in den Pazifik], kostete das Land | |
erneut viele Sympathien. Nach dem Beginn im August vergangenen Jahres wird | |
derzeit die vierte Charge stark verdünnt ins Meer abgelassen. Bis Ende März | |
wären dann insgesamt 31.200 Tonnen verklappt. Das entspricht der Menge von | |
10 der rund 1.000 Tanks voller Wasser. | |
In den nächsten zehn Jahren will Tepco ein Drittel der Behälter leeren und | |
damit auf dem AKW-Gelände Platz schaffen für die Stilllegungsarbeiten. Die | |
gesamte Einleitung wird 30 Jahre dauern, weil bei der weiter notwendigen | |
Kühlung des Coriums ständig neues kontaminiertes Wasser entsteht. | |
10 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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