# taz.de -- Energiepolitik in Tschechien: Prag baut neue Reaktoren | |
> Rund 100 Kilometer entfernt von Wien sollen in Tschechien neue | |
> Reaktorblöcke gebaut werden. In Österreich regt sich dagegen bereits | |
> Widerstand. | |
Bild: Auch das tschechische AKW Temelín ist nicht weit von Deutschland und Ös… | |
Prag taz | Der Eifer, mit dem die tschechische Regierung ihre Atompläne | |
forciert, kam dann doch überraschend: Gleich vier neue Reaktorblöcke mit | |
einer Leistung von jeweils 1.200 Megawatt sollen bis 2050 in Tschechien | |
gebaut werden. Jeweils zwei sollen dann [1][die beiden AKWs] erweitern, die | |
sich im Süden der Republik nahe der österreichischen Grenze wie zwei Burgen | |
erheben. | |
Das ältere, Dukovany, liegt nur 100 Kilometer von Wien entfernt und | |
produziert seit 1985 Atomstrom in vier Warmwasserreaktoren russischer | |
Bauart. Das bekanntere, Temelín, liegt 60 Kilometer hinter Bayern, seine | |
beiden Warmwasserreaktoren sind seit dem Jahr 2000 in Betrieb. | |
Der Bau von vier Blöcken sei wirtschaftlich einfach günstiger, begründete | |
der tschechische Industrieminister Jozef Sikela die Idee. Unverbindliche | |
Angebote hätten die Erwartungen der Regierung übertroffen und gezeigt, dass | |
sich „bis zu 25 Prozent im Vergleich zum Bau eines einzigen Reaktorblocks | |
einsparen ließen“, erklärte Sikela. | |
Die Entscheidung bedeutet einen großen Schritt zur Durchsetzung des | |
„Nationalen Aktionsplans zur Entwicklung der Atomenergie in der | |
Tschechischen Republik“ aus dem Jahre 2019. Der räumt der Atomkraft in den | |
kommenden 25 Jahren Priorität im tschechischen Energiemix ein. | |
## Atomstrom gilt als klimafreundliche Alternative | |
Derzeit ist die Atomkraft für ein Drittel der tschechischen | |
Energieproduktion verantwortlich. Laut dem Plan soll er auf 46 bis 58 | |
Prozent erhöht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sei der Bau von drei | |
neuen Atomreaktoren optimal, so der Atomaktionsplan. Der kann sich | |
inzwischen auch auf [2][das Ergebnis der UN-Klimakonferenz COP28] berufen, | |
in dem 22 Länder ihre Bereitschaft erklärt haben, ihre nuklearen | |
Kapazitäten bis 2050 zu verdreifachen. | |
In Tschechien gilt Atomstrom ohnehin als die klimafreundliche Alternative | |
zur Kohlekraft. Die soll ab 2030 keine Rolle mehr in der tschechischen | |
Energieproduktion spielen. | |
Aber ohne Atomstrom lassen sich die Klimaziele nicht erreichen, sagt die | |
Atomphysikerin Dana Drábová. Die ehemalige Chefin des Amtes für nukleare | |
Sicherheit gilt in Tschechien als graue Eminenz der Atomenergie. Sie | |
glaubt, dass die geplanten vier neuen Reaktoren allein nicht ausreichen | |
werden, um die Klimaziele zu erreichen. „Um allein unseren Verbrauch zu | |
decken, brauchen wir auch noch Reaktoren mit kleiner und mittlerer | |
Leistung, die ja jetzt sehr modern sind“, meinte Drábová im tschechischen | |
Rundfunk. | |
Konkret geht es jetzt aber um das AKW Dukovany in Südmähren, das 2023 | |
insgesamt 14,3 Terawattstunden Strom erzeugt hat. Schon 2029 soll dort der | |
Bau der ersten beiden neuen Reaktoren beginnen. Ende Januar hat die | |
Regierung die Angebote bewertet, die sie in der Ausschreibung für die | |
Erweiterung des AKW Dukovany erhalten hat, die seit 2022 läuft. | |
Von drei Bewerbern blieben zwei übrig, die bis zum 15. April ein | |
verbindliches Angebot einreichen sollen: die französische EDF und der | |
südkoreanische Atombauer KHNP. Der US-Konzern Westinghouse beliefert seit | |
Ausbruch des Ukrainekriegs die tschechischen AKWs zwar mit Brennstäben, aus | |
dem Rennen um den Atomausbau sind die Amerikaner aber bereits | |
ausgeschieden. | |
## In Österreich regt sich Protest | |
Wie viel der Bau der neuen Reaktoren kosten soll, kann noch niemand richtig | |
sagen. Der oberste Bauherr der AKW-Erweiterungen, der halbstaatliche | |
Konzern CEZ, rechnet mit einem Preis von 160 Milliarden Kronen (6,3 | |
Milliarden Euro) pro Reaktor. Zumindest, so räumt die CEZ ein, zu den | |
Preisen von 2020. | |
Es gibt kaum etwas, für das es in der tschechischen Politik und | |
Gesellschaft einen solchen Konsens gibt wie den Nutzen der Atomkraft. Die | |
tschechische Wirtschaft lebt von einer energieintensiven Industrie, die | |
sich traditionell um Maschinenbau und Chemie dreht. Die meisten Tschechen | |
sehen es als unumgänglich an, in der Energieproduktion so weit wie möglich | |
autark zu sein. | |
Die Atompläne der Regierung werden daher auch von der Opposition getragen. | |
„Es gibt keinen anderen Weg. Wir können nicht auf die Kernenergie | |
verzichten. Es war richtig, dass wir dieses Vorhaben geplant haben und die | |
neue Regierung schließlich die Ausschreibung gestartet hat“, sagt der | |
Industrieexperte der oppositionellen ANO, Karel Havlíček. | |
Sorgen macht man sich allenfalls jenseits der tschechischen Grenze. Schon | |
jetzt regt sich in Österreich Protest. Sie werde es den tschechischen | |
Nachbarn so schwer wie möglich machen, ihre riskanten Ausbaupläne | |
umzusetzen, drohte die Landeshauptfrau des Weinviertels, [3][Johanna | |
Mikl-Leitner von der konservativen ÖVP,] schon in der Kronen-Zeitung. In | |
der atomstromfreien Alpenrepublik werden die tschechischen Atomkraftpläne | |
als Gefährdung oder Sicherheitsrisiko aufgenommen, wie die Reaktionen | |
zeigen. | |
12 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Ukrainische-AKWs-im-Kriegsgebiet/!5835654 | |
[2] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328 | |
[3] /OeVP-und-FPOe-arbeiten-wieder-zusammen/!5922624 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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