Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Atomstrom in Europa: Verflochten mit Russland
> Von Uran bis zu den Brennelementen – die gesamte europäische
> Atomwirtschaft hängt von Russland ab. Umweltverbände fordern ein Embargo.
Bild: Umweltschützer demonstrieren für Uran-Embargo vor der Brennelementefabr…
Erst jüngst berichtete die Anti-Atom-Organisation.ausgestrahlt von
angereichertem Uranhexafluorid, das von Russland über einen
niederländischen Hafen zur Brennelementefabrik in Lingen gebracht wurde.
Die Atomkraftgegner [1][fordern nun ein „umgehendes Atom-Embargo“] gegen
Russland.
Auch in der Politik gibt es entsprechende Stimmen. Die Energieexpertin der
Grünen im Europäischen Parlament, Jutta Paulus, forderte schon im Mai, die
EU müsse „ein schnellstmögliches Embargo für Uranimporte aus Russland
beschließen und die eng verflochtene Zusammenarbeit zwischen europäischen
und russischen Unternehmen im Nuklearbereich beenden“. Es werde „keine
europäische Energiesouveränität geben, solange [2][Atomkraftwerke in Europa
am Netz bleiben], die von russischen Ersatzteilen und russischen
Brennstäben abhängig sind“.
Doch weder die EU-Kommission noch die Mitgliedstaaten haben das Thema
bisher aufgegriffen. Russland spielt für die hiesige Atomkraft eine
existenzielle Rolle. Eine aktuelle Studie des österreichischen
Umweltbundesamts zeigt: Russland liefert Natururan, Uranprodukte und
Brennelemente. Das russische Staatsunternehmen Rosatom beherrsche etwa 15
Prozent der globalen Uranproduktion, weil es neben den Minen in Russland
auch 22 Prozent des kasachischen Uranabbaus kontrolliere. Damit sei Rosatom
der zweitgrößte Uranproduzent der Welt. Zudem biete Russland
„Dienstleistungen im Bereich Bau, Betrieb, Rückbau und Modernisierung von
Kernkraftwerken“ an.
Zahlen für die EU publiziert auch die Euratom Supply Agency (ESA). Danach
kamen 2020 gut 20 Prozent des in der EU eingesetzten Natururans aus
Russland, weitere 19 Prozent aus Kasachstan, das lange zu den engsten
Verbündeten Russlands gehörte. Nur zu 0,5 Prozent wurde der europäische
Uranbedarf aus heimischen Quellen gedeckt – aus einer zwischenzeitlich
stillgelegten Mine in Rumänien. Heute nutzt die EU überhaupt kein eigenes
Uran mehr.
## In den Händen von Rosatom
Aber Russland liefert nicht nur Uran. Rund 26 Prozent des Urans der
EU-Reaktoren wurde von Rosatom angereichert. Die Exporte gingen laut
österreichischem Umweltbundesamt unter anderem an Frankreich, Deutschland,
Spanien, Belgien, Schweden, Finnland, und Tschechien.
Manche Reaktoren in der EU sind von russischer Bauart und deshalb besonders
von Russland abhängig. 15 Reaktoren sind vom russischen Typ WWER – in der
Slowakei, in Bulgarien, Tschechien, Finnland und Ungarn. Sie benötigen
spezielle Brennelemente, die lange grundsätzlich aus Russland kamen.
Inzwischen werden solche Brennelemente zwar auch von der US-Firma
Westinghouse produziert. Zusammen mit acht europäischen Partnern erhielt
sie von der EU 2015 zwei Millionen Euro an Fördermitteln, um die
Brennstoffversorgung für Reaktoren russischer Bauart in der EU zu sichern.
Allerdings reichen die Kapazitäten bei weitem nicht aus, um alle
europäischen Reaktoren zu versorgen.
Und noch ein weiterer Teil der hiesigen Atomwirtschaft ist längst in
russischen Händen: Die Firma Nukem im bayerischen Alzenau – durch
Atomskandale in den 80er Jahren bekannt – gehört [3][komplett zum
Rosatom-Konzern]. Sie ist heute auf den Rückbau kerntechnischer Anlagen
spezialisiert sowie auf „Ingenieurdienstleistungen und Consulting“ – das
Unternehmen ist in der Branche also vielfach involviert.
## Etikettenschwindel ist möglich
Somit kann Europas Atomwirtschaft also ohne Russland kaum agieren. Aber wie
sieht es aus, wenn man nur die deutschen Reaktoren betrachtet? Der
Kerntechnik Deutschland e. V. hält im Falle einer erneuten Beschaffung von
Brennelementen die bisherigen Lieferwege schlicht für „irrelevant“. „Sol…
eine politische Entscheidung über einen längeren Weiterbetrieb von
Kernkraftwerken getroffen werden, würde bei einer Beschaffung wohl schon
aus Gründen der Liefersicherheit auf russische Lieferanten verzichtet
werden“, sagt ein Verbandssprecher.
Das Uran könne auch unabhängig von Russland beschafft und verarbeitet
werden, versichert der Atomverband. Schließlich gebe es in Deutschland,
Frankreich, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den USA
Anreicherungsanlagen. Die Herstellung der Brennelemente könne in Lingen
oder bei Westinghouse im schwedischen Västerås erfolgen.
Zwar will auch die Organisation.ausgestrahlt nicht grundsätzlich
ausschließen, dass Deutschland Brennelemente ohne russischen Bezug würde
auftreiben beziehungsweise herstellen können. Doch angesichts der
vielfältigen Verflechtungen in der europäischen Atomwirtschaft sei bei
solchem Ansinnen ein Etikettenschwindel möglich – jedenfalls so lange, wie
die EU die Atomgeschäfte mit Russland nicht grundsätzlich unter Embargo
stellt.
11 Nov 2022
## LINKS
[1] /Treffen-der-G7-Aussenministerinnen/!5892790
[2] /Leck-in-franzoesischem-AKW/!5890562
[3] /Atomenergie/!5157766
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Russland
Atomenergie
Energiekrise
Uran
Atomstrom
IG
Anti-Atom-Bewegung
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt klimaland
Schwerpunkt Atomkraft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Energiepolitik in Tschechien: Prag baut neue Reaktoren
Rund 100 Kilometer entfernt von Wien sollen in Tschechien neue
Reaktorblöcke gebaut werden. In Österreich regt sich dagegen bereits
Widerstand.
Urantransporte nach Lingen genehmigt: Russisches Uran bleibt willkommen
Atomkraftgegnern zufolge wurden 40 neue Uranlieferungen an die
Brennelementefabrik Lingen genehmigt. Sie kommen vom russischen Konzern
Rosatom.
Energieexperte über AKW-Sicherheit im Krieg: „Handelsbeziehungen sind wichti…
Der Energieexperte Mycle Schneider kritisiert die UN-Atomagentur IAEO.
Wegen ihrer Arbeit in der Ukraine werde es zur Normalität, im Krieg ein AKW
zu betreiben.
Herstellung von Brennelementen: Ministerium für Aus von Uranfabriken
Sonst sei der Atomausstieg unglaubwürdig, schreibt das Umweltressort. Eine
schnelle Schließung ist aber nicht in Sicht.
Leck in französischem AKW: Kumulierte Zwischenfälle
Ein Leck im AKW Civaux belastet Frankreichs angespanntes Stromnetz.
Mittelbar hat das auch Auswirkungen auf die Versorgungslage in Deutschland.
Bürger:innenräte in der Klimakrise: Das Los als Lösung?
Zufällig ausgewählte Menschen sollen in Freiburg und Umgebung Vorschläge
für eine bessere Klimapolitik machen. Das erste Fazit fällt gemischt aus.
Energiewende im Nachbarland: Polen steigt in die Atomenergie ein
Die Regierung plant gleich drei Atomkraftwerke, um auf Kohlestrom
verzichten zu können. Der erste Reaktor soll 2033 ans Netz gehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.