| # taz.de -- Bürgerbefragung zur Werkserweiterung: Grünheide sagt Nein zu mehr… | |
| > 65 Prozent der Anwohner:innen stimmten gegen die Erweiterung der | |
| > Giga-Factory. Teslas Expansion könnte so zumindest verzögert werden. | |
| Bild: Über 5.000 Stimmen mussten am Dienstag ausgezählt werden | |
| Berlin taz | Als Wahlleiter Christoph Giese am Dienstagabend kurz nach 20 | |
| Uhr die letzten Zahlen des offiziellen Wahlergebnisses verkündet, wird er | |
| immer wieder vom Jubel der Tesla-Gegner:innen unterbrochen, die ihre Freude | |
| nicht mehr zurückhalten können: Insgesamt 3.499 Grünheider:innen | |
| stimmten [1][gegen Teslas Vorhaben, seine Gigafactory um weitere 120 Hektar | |
| zu erweitern.] Mit 65 Prozent der gültigen Gesamtstimmen ein überraschend | |
| klares Ergebnis. | |
| Als einen „historischen Sieg für den Wald- und Wasserschutz“ bezeichnet die | |
| sichtlich gut gelaunte Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide das | |
| Ergebnis. Die Bürgerinitiative erwarten, dass sich die | |
| Gemeindevertreter:innen nun auch an das Ergebnis halten werden: | |
| „Alles andere wäre undemokratisch hoch zehn.“ | |
| Welche konkreten Auswirkungen das Ergebnis der Bürgerbefragung haben wird, | |
| ist noch unklar. Doch das klare Nein dürfte Teslas Vorhaben, das | |
| Fabrikgelände von derzeit 280 Hektar nochmal um 120 Hektar zu erweitern, | |
| zumindest verzögern. | |
| Der Gemeinderat beschloss bereits im letzten Jahr die Aufstellung des für | |
| die Erweiterung notwendigen Bebauungsplans, wollte aber vor der endgültigen | |
| Abstimmung erstmalig eine Bürgerbefragung durchführen. Obwohl das Ergebnis | |
| rechtlich nicht bindend ist, kündigten einige Gemeinderatsmitglieder im | |
| Vorfeld an, dem Votum folgen zu wollen. | |
| ## Unklare Folgen | |
| Der parteilose Bürgermeister Arne Christiani sagte am Dienstagabend etwas | |
| zerknirscht: „So in der Form ist der B-Plan nicht gewollt, es wäre | |
| unsinnig, ihn so zur Abstimmung zu bringen.“ Ob das nun das komplette Aus | |
| der Werkserweiterung oder nur eine Überarbeitung des Bebauungsplans | |
| bedeutet, ließ Christiani aber offen. | |
| Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach äußerte sich ähnlich | |
| gegenüber der dpa: „Ich sehe das Ergebnis als eine Motivation, die noch | |
| nicht beseitigten Bedenken in den nächsten Wochen und Monaten konzeptionell | |
| zu beantworten.“ | |
| Konkret plant Tesla, das Fabrikgelände um 120 Hektar zu erweitern. Dazu | |
| müsste das Unternehmen weitere 100 Hektar Wald roden. Tesla argumentiert, | |
| es benötige die Flächen, um zusätzliche Lagerkapazitäten für | |
| Ausgangsmaterialien und produzierte Fahrzeuge schaffen. Der Autobauer will | |
| damit unabhängiger gegenüber weltpolitischen Ereignissen werden, wie etwa | |
| den Huthi-Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer. Weil wichtige Teile | |
| fehlten, stoppte Tesla die Produktion für zwei Wochen. Erst am 11. Februar | |
| liefen wieder Autos vom Band. | |
| Ebenso soll auf der Fläche ein Güterbahnhof entstehen. Derzeit wird der | |
| Güterverkehr vor allem über Lkws abgewickelt. Ein Ausbau der Landstraße und | |
| Autobahnzubringer ist ebenfalls in dem Bebauungsplan vorgesehen. | |
| Wann der Gemeinderat über den Bebauungsplan abstimmen will, ist noch nicht | |
| bekannt. Am 14. März ist die nächste Sitzung, am 16. Mai die letzte | |
| Sitzung, bevor in den Kommunalwahlen ein neuer Gemeinderat gewählt wird. Um | |
| dem Ergebnis Nachdruck zu verleihen, rufen Tesla-Gegner:innen am 10. März | |
| zu einer Demo auf. | |
| ## Werkserweiterung auch ohne neue Flächen | |
| Tesla warnt, sollte die Erweiterung nicht genehmigt werden, drohe dem Werk | |
| und den umliegenden Straßen ein Verkehrskollaps. Doch Kritiker:innen | |
| weisen darauf hin, dass sowohl die Lagerflächen als auch der Güterbahnhof | |
| im ersten Bebauungsplan vorgesehen seien und Tesla auch ohne die | |
| zusätzlichen Flächen auskommen würde. | |
| Dafür spricht, dass Tesla die Erhöhung der Produktionskapazitäten von | |
| 500.000 auf eine Million Fahrzeuge pro Jahr, die das Unternehmen im | |
| vergangenen März beantragt hat, vollständig auf dem bisherigen | |
| Betriebsgelände realisieren will. | |
| Vorausgegangen war der Auszählung ein intensiver Wahlkampf. Sowohl | |
| Tesla-Gegner:innen als auch -[2][Befürworter:innen] versuchten in den | |
| letzten Wochen möglichst viele Bürger:innen durch Plakate, | |
| Informationsveranstaltungen und Haustürgespräche von ihren Argumenten zu | |
| überzeugen. | |
| Wie sehr die Abstimmung die Gemeinde bewegt hat, zeigte nicht nur die hohe | |
| Wahlbeteiligung von über 70 Prozent, sondern auch das hohe Interesse an der | |
| öffentlichen Auszählung am Dienstagnachmittag. | |
| ## Erstmalig Mitbestimmung | |
| Zeitweise über hundert Leute hatten sich ab 14 Uhr im Bürgerhaus des | |
| Grünheider Ortsteils Kegel versammelt. Darunter auch viele | |
| Tesla-Befürworter:innen, Tesla-Unternehmensvertreter:innen und | |
| Pressevertreter:innen. | |
| Gelegenheit, bei der Ansiedlung des US-amerikanischen E-Autobauers in ihrer | |
| Nachbarschaft mitzuentscheiden, hatten die Grünheider:innen bislang | |
| kaum. Seit der Ankündigung von Elon Musk Ende 2019, seine Gigafactory im | |
| Berliner Umland zu errichten, wurde das Projekt in beispielloser | |
| Geschwindigkeit von der Landespolitik durchgepeitscht. Nur etwas mehr als | |
| zwei Jahre später eröffnete die Fabrik im März 2022. In der Zeit reichten | |
| Naturschutzverbände und andere Kritiker:innen zahlreiche Einwendungen | |
| im Rahmen der Genehmigungsverfahren ein. Diese wurden von Tesla und den | |
| zuständigen Behörden weitestgehend ignoriert – und das, obwohl die Fabrik | |
| in einem Trinkwasserschutzgebiet liegt. | |
| Dabei sind die Grünheider:innen nicht die Einzigen, die die Erweiterung | |
| kritisch sehen. So warnt der Landesbetrieb Forst Brandenburg vor einer | |
| Rodung. Der Wald sei viel älter und artenreicher als in der Umweltprüfung | |
| des Bebauungsplans angenommen. „Entgegen dieser Darstellung ist der | |
| überwiegende Teil des Waldes über 100 Jahre alt. Der Altersmittelwert über | |
| alle Bestände beträgt 90 Jahre“, heißt es in einer Stellungnahme der | |
| Brandenburger Forste aus dem April letzten Jahres. | |
| Auch seien die vorgeschlagenen Ausgleichspflanzungen nicht dazu geeignet, | |
| die Rodungen zu kompensieren: „Forstwissenschaftlich betrachtet kann, | |
| bezogen auf die betroffene Waldfläche mit der vorgesehenen Kompensation und | |
| bezogen auf 30 Jahre, keine ausgeglichene CO₂-Bilanz erzielt werden“ | |
| Auch der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) warnt vor der Erweiterung. | |
| Die Fördermengen seien bereits ausgeschöpft, die Versorgung von neuen | |
| Industrie- und Wohnansiedlungen können schon jetzt nicht mehr | |
| sichergestellt werden. Auch bemängelt der WSE, dass, wie schon das | |
| Hauptwerk, [3][ein Teil der Erweiterung im Wasserschutzgebiet lieg]t. | |
| Neuausweisungen und Erweiterungen von Industriegebieten sind damit | |
| eigentlich untersagt – es sei denn, es wird eine Ausnahmegenehmigung | |
| erteilt, auf die Tesla spekuliert. | |
| 21 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Erweiterung-von-Tesla-in-Gruenheide/!5988656 | |
| [2] /Pro-Tesla-Kampagne-in-Gruenheide/!5984481 | |
| [3] /Ein-Jahr-Tesla-Gigafactory/!5920241 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
| ## TAGS | |
| Tesla | |
| Grünheide | |
| Abstimmung | |
| klimataz | |
| Gigafactory | |
| Tesla | |
| Tesla | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| Tesla | |
| Tesla | |
| Grünheide | |
| Tesla | |
| Tesla | |
| Tesla | |
| Verkehrswende | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Tesla | |
| Tesla | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Produktion in Brandenburg: Chinesische Autos aus Brandenburg | |
| Das Tesla-Werk in Grünheide bekommt wohl einen neuen Nachbarn: Das | |
| chinesische Unternehmen „Dreame“ will Luxus-E-Autos bauen. | |
| Symposium von Tesla-Kritiker:innen: Auf dem Highway in die Teslokratie | |
| Um Tech-Milliardäre zu hofieren, werfen Politiker:innen demokratische | |
| Grundsätze über Bord. Dabei braucht es gerade in der Wirtschaft Demokratie. | |
| Protestcamp gegen Tesla in Grünheide: Die Baumhäuser dürfen bleiben | |
| Die Räumung des Protestcamps ist ausgesetzt. Das Verwaltungsgericht Potsdam | |
| entschied zugunsten der Aktivist:innen. Wie geht es jetzt weiter? | |
| Brandanschlag auf Strommast: Tesla weiterhin nicht unter Strom | |
| Die Produktion im Tesla-Werk in Grünheide fällt länger aus als gedacht. | |
| Tausende Autos können nicht produziert werden. | |
| Brand bei Grünheide: Feuer legt Teslas Gigafabrik lahm | |
| Ein Brandanschlag führt zu einem Stromausfall in Grünheide. Ein | |
| Bekennerschreiben taucht auf – doch die Aktivist:innen vor Ort | |
| distanzieren sich. | |
| Brand bei Grünheide: Tesla-Werk evakuiert | |
| Am frühen Morgen hat südlich von Berlin ein Strommast gebrannt, die | |
| Energieversorgung wurde unterbrochen. Nun steht die Gigafactory still. | |
| Tesla und die Abwasser-Grenzwerte: Fast so unverschämt wie Elon Musk | |
| Tesla leitet seit Jahren zu viel Phosphor und Stickstoff ins Abwasser ein. | |
| Der Fall zeigt: Das Unternehmen ist kein guter Partner für die Region. | |
| Besetzung bei Tesla-Werk: Baumhäuser gegen Elektroautos | |
| Aktivist*innen besetzen ein Waldstück in Grünheide in Brandenburg, das | |
| der US-Autobauer Tesla für seine Werkserweiterung roden lassen will. | |
| Grenzwertüberschreitungen im Abwasser: Tesla das Rohr stopfen | |
| Der Wasserverband Strausberg-Erkner droht, die Abwasserentsorgung | |
| einzustellen, weil Tesla regelmäßig zu viele Schadstoffe ableitet | |
| Tesla als Symbol: Elektro-SUV als Teil des Problems | |
| Tesla stand einmal für die grüne Wende im Verkehr. Heute ist von diesem | |
| Image nicht viel übrig geblieben. | |
| Erweiterung von Tesla in Grünheide: Gigafactory auf Überholungskurs | |
| Tesla will in Grünheide groß ausbauen, dafür werden gerade die Bürger | |
| befragt. Manche sehen im US-Autobauer eine Chance, andere fürchten um die | |
| Umwelt. | |
| Pro-Tesla-Kampagne in Grünheide: Nicht immer nur dagegen | |
| Gemeindemitglieder dürfen über die Erweiterung der Gigafactory abstimmen. | |
| Eine Gruppe von Schülern wirbt im Rahmen einer Kampagne für ein „Ja“. | |
| Gigafactory in Grünheide: 110 Hektar mehr für Tesla | |
| Ab Montag können Anwohner:innen über die Erweiterung des Fabrikgeländes | |
| abstimmen. Das Votum ist aber rechtlich nicht bindend. |