# taz.de -- Gesetz gegen russische Oppositionelle: Enteignung à la Putin | |
> Haft allein reicht nicht mehr. Mit Präsident Putins neuem „Gesetz über | |
> Dreckskerle“ können Andersdenkende jetzt auch ihren Besitz verlieren. | |
Bild: Präsident Putin im Kreml | |
MOSKAU taz | „Das Gesetz über die Dreckskerle wurde angenommen“, frohlockte | |
Wjatscheslaw Wolodin, der schrill ausrufende Vorsitzende der Staatsduma, | |
des Unterhauses des russischen Parlaments, bereits vor zwei Wochen. Da | |
hatten alle Anwesenden der Sitzung – fast 80 Prozent aller | |
Duma-Abgeordneten – für das Gesetz gestimmt, mit dem der Staat | |
Kritiker*innen des Regimes deren Besitz, Orden und Titel konfiszieren | |
darf. | |
An diesem Mittwoch hat nun auch der russische Präsident Wladimir Putin die | |
Änderungen unterschrieben. Damit tritt ein weiterer Gummiparagraf in Kraft, | |
dessen Ziel vor allem die Abschreckung ist und sich in erster Linie gegen | |
russische Emigrant*innen richtet. Sie sollen sich auch außerhalb ihres | |
Landes nirgends sicher fühlen. | |
## Rache an russischen Emigranten | |
[1][Haft allein reicht dem Regime nicht mehr aus], um politische Ansichten | |
von Menschen zu bestrafen, die es nicht dulden will. Mit dem Gesetz der | |
Enteignung will es sich vor allem an denen rächen, die den Krieg, der in | |
Russland weiterhin offiziell nicht Krieg, sondern „militärische | |
Spezialoperation“ genannt werden muss, verurteilen und das Land zu | |
Hunderttausenden verlassen haben. | |
[2][„Sie führen ein Leben in Wohlstand, vermieten ihr Eigentum] und | |
bekommen weiterhin ihre Tantiemen auf Kosten russischer Bürger. Diese | |
Mittel verwenden sie zur Unterstützung des Nazi-Regimes in der Ukraine. Sie | |
besudeln unser Land mit Dreck und fühlen sich im Ausland ungestraft. Sie | |
glauben wohl, dass die Justiz sie nicht erreichen kann“, schrieb Wolodin | |
noch vor der Verhandlung in der Duma und meinte damit wohl [3][bekannte | |
russische Showgrößen und Oppositionelle, die mittlerweile im Ausland | |
leben]. | |
„Dreckskerle“ und „Verräter“ nennt er alle, die den russischen Überfa… | |
die Ukraine auch nur zu hinterfragen wagen. Das Parlament erfülle lediglich | |
ein „Bedürfnis in der Gesellschaft“, die Einschränkungen entsprächen dem | |
Willen des Volkes, behauptet Wolodin immer wieder. | |
## Vage formuliertes Gesetz schürt Ängste | |
Mit der Verschärfung des Gesetzes können nun mehr Straftaten als bisher mit | |
der Konfiszierung des Eigentums geahndet werden. Dazu gehören vor allem die | |
„Verbreitung vorsätzlicher Falschinformationen über die russische Armee“ | |
und „öffentliche Aufrufe zu Tätigkeiten, die gegen die Sicherheit des | |
Staates gerichtet sind“. Darunter fallen: Desertion, illegaler | |
Grenzübertritt, Spionage, Hochverrat, geheime Zusammenarbeit mit | |
ausländischen Organisationen, Beihilfe zur Erstellung von Sanktionslisten, | |
Rehabilitierung von Nationalsozialismus (darunter fallen nach offiziöser | |
russischer Handhabung jegliche Äußerungen zur Unterstützung der Ukraine). | |
Das Gesetz ist – wie viele russische Gesetze – vage formuliert. Damit | |
erweitert die Justiz den Anwendungsbereich der Paragrafen. Letztlich weiß | |
niemand, womit er sich strafbar macht. Die Willkür ist gewollt. Zu den | |
bereits jetzt oft unverhältnismäßig langen Haftstrafen kommt nun für die | |
Verurteilten durch die Verschärfung die Beschlagnahme von Besitz, mit dem | |
sie die angebliche Straftat begangen hätten. | |
## Autos, Handys, Honorare – nichts ist mehr sicher | |
Auch Mittel, die sie durch das ihnen zur Last gelegte Vergehen erhielten, | |
kann der Staat konfiszieren. Das kann bei einer, die etwas Regimekritisches | |
postet, das Mobiltelefon sein, bei einem Journalisten, der über die Ukraine | |
schreibt und somit in den Augen der russischen Justiz „Falschnachrichten | |
über die russische Armee“ verbreitet, das Honorar sein, bei jemandem, der | |
die „Sicherheit des Staates gefährdet“, auch schon das Auto sein, das | |
dieser lange vor der „Straftat“ gekauft hatte. | |
Das Gesetz soll nicht rückwirkend angewendet werden. Bislang. Abgeordnete, | |
die dafür stimmten, meinen, damit russische Bürger*innen zu schützen, | |
„unsere Kinder und Enkel“, wie Irina Jarowaja sagte, die das Gesetz mit in | |
die Duma eingebracht hatte, wie so viele andere diskriminierende Vorhaben | |
zuvor. | |
Die Verschärfungen sind ein Teil der Politik, die auf Rache sinnt und | |
[4][ihrer Ohnmacht gegenüber Andersdenkenden] mit immer radikaleren | |
Repressionen beizukommen versucht. Einer Politik, die auf Drohungen setzt | |
und Angst sät, bei Russ*innen im In- wie im Ausland. | |
14 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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