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# taz.de -- Schwerelosigkeit in Bremer Fallturm: 146 Meter mit weißem Zylinder
> Das im Bremer Fallturm erzeugte Vakuum ist besonders gut, sagen
> Wissenschaftler. Doch auch für eine Kunstaktion eignet er sich.
Bild: Schwerelos auf der Erde: Der Bremer Fallturm macht's möglich
Nähert man sich Bremen, sieht man ihn von Weitem: einen dünnen weißen
Zylinder, 146 Meter hoch, obenauf ein spitzer Kegel, glänzend wie eine
Diskokugel. Ein Minarett? Ein Leuchtturm? Jedenfalls ein Wahrzeichen –
[1][der Bremer Fallturm].
Mit ihm im hat die noch recht junge Bremer Uni eine Landmarke gesetzt. Er
ermöglicht Wissenschaftler*innen aus aller Welt, die Schwerkraft
auszublenden – bis zu 9,2 Sekunden lang können kleine Experimentkapseln
hier in der Schwerelosigkeit beobachtet werden.
Nun ist jeder geworfene Ball einen Moment lang schwerelos, mit Abstrichen
jede Gabel, die irgendwo runterfällt. In Bremen aber gibt es nicht nur
länger andauernde Schwerelosigkeit, sondern auch solche für echte
Connaisseure: Hier, so wirbt das „Zentrum für angewandte
Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation“, werde „[2][die beste Qualität
an Schwerelosigkeit geboten]“, sie sei „teilweise sogar noch besser als auf
der internationalen Raumstation“.
Das liegt an dem besonders guten Vakuum, das den freien Fall erst perfekt
macht – kein Luftwiderstand hält die stürzenden Experimentkapseln auf. Wenn
das Labor leergepumpt ist, befindet sich in dem 1.700-Kubikmeter-Raum noch
etwa die Luft, die in einen Ballon passen könnte. Gut genug für die beste
Schwerelosigkeit der Erde.
In der Halle am Fuße des Fallturms herrscht Betriebsamkeit: Mechaniker
verstöpseln Kabel an einer Experimentkapsel der Wissenschaftlerinnen, die
kaum einer so ganz versteht – es geht um Quanten. Die offenen Metallträger,
die durch die Halle führen, erinnern an ein Stadion, ein ziemlich kleines.
Beherrscht aber wird der Raum von einer Art sehr, sehr großen
Wäschetrommel. Wer sie betritt, kommt in ein riesiges Labor. Hier beginnt
die eigentliche Fallröhre, hier wird das Vakuum geschaffen.
## 122 Meter völlig frei nach oben
Gerade stehen hier aber noch ein paar Schüler*innen und schauen hoch zum
knatschegelben Fallrohr. 3,5 Meter Durchmesser soll das Rohr haben – aber
die Breite verliert sich optisch, wenn man hineinschaut in diese Höhe. 122
Meter ragt es nach oben, völlig frei ohne sich je anlehnen zu dürfen an die
Betonröhre, die es von außen umgibt: Das Rohr soll keinen Einflüssen der
Außenwelt unterliegen. Alles bleibt draußen, wenn draußen Sturm ist, dann
knirscht das Gebäude.
Unter den Füßen knirscht es auch, denn überall liegt Styropor. Wo immer man
seine Hände ablegt, lässt feiner Staub die Finger weiß und ein bisschen
stumpf werden. Mit Styropor wird die Experimentkapsel nach ihrem freien
Fall aufgefangen, mit 170 km/h stürzt die Experimentkapsel hinein, die
Kügelchen werden dabei hochgeschleudert, zerreiben unter Hitze und Druck
und setzen sich überall nieder. Einiges bleibt liegen bis zum nächsten
Experiment.
Das beginnt gleich: Ein Achtklässler lenkt eine Experimentkapsel mit einem
Hubwagen heran. Einige Mitschüler*innen winken, als die silberne Dose
mit einem Seilzug nach oben in die Fallröhre gezogen wird. Man könnte sie
auch mit dem Katapult nach oben schießen – die Schwerelosigkeit würde dann
schon auf dem Flug nach oben beginnen; aber hier und heute reichen die 4,74
Sekunden des freien Falls völlig aus.
Üblicherweise genutzt wird der Fallturm für die Weltraumforschung. Heute
ist in der Kapsel: Staub. Ziemlich alter Staub, um genau zu sein, 500 Jahre
alt, so circa. Schüler*innen aus zwei Unesco-Projektschulen [3][haben
ihn auf dem Speicher des gotischen Bremer Rathauses gesammelt], an einer
selten genutzten Wendeltreppe, wo wirklich selten jemand durchfeudelt.
Ganz exakt kommt es nicht an aufs Alter, denn der heutige freie Fall ist
eher künstlerischer Art. Wolfgang Stöcker, Leiter des Internationalen
Staubinstituts in Köln beziehungsweise eigentlich das Staubinstitut in
Person, ist auch da, er hat sich die Aktion ausgedacht.
## Alter Staub vor dem Fall
Ganz, ganz oben wartet jetzt der alte Staub auf seinen Fall in die
Schwerelosigkeit. Eine Kamera sendet live aus dem Inneren der Kapsel
Bilder, wie er dort liegt vor einer kleinen, vielleicht 20 Zentimeter
großen Rathausbühne aus Pappe, die die Schüler*innen gebastelt haben.
Für die 4,74 Sekunden Schwerelosigkeit müssen 18 Pumpen 90 Minuten lang
Luft abpumpen. Die Bremer Schüler*innen streiten, wer von ihnen mit dem
blauen Knopf im Kontrollraum den Abwurf auslöst. Als es passiert ist,
überträgt die Kamera einen kurzen Moment lang, wie der Staubhaufen vor dem
Rathaus scheinbar vom Boden abhebt und schwebt. Dann bricht die Verbindung
ab.
Endlich jubelt ein Lehrer los – die Schüler*innen stimmen ein, und es
wird laut im kleinen Kontrollraum.
25 Feb 2024
## LINKS
[1] /Raumfahrtforschung-in-Bremen/!5854763
[2] https://www.zarm.uni-bremen.de/de/fallturm/allgemeine-informationen/wie-fun…
[3] https://www.bildung.bremen.de/unesco-projektschulen-experimentieren-mit-dem…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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