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# taz.de -- Berlinale-Film „Love Lies Bleeding“: Mit Blut, Schweiß und Spu…
> „Love Lies Bleeding“ erzählt die Amour fou zwischen zwei Sportlerinnen.
> Er wirkt wie ein Befreiungsschlag für das lesbische Kino.
Bild: Sinnlich und dreckig: Katy O’Brian und Kristen Stewart in „Love Lies …
Der Schweiß perlt von den Wänden und den aufgepumpten Männerkörpern, die
ihre Muskeln in einem schäbigen Fitnessstudio stählen. Oder treffender: sie
zur Schau stellen, umgeben von martialischen Motivationssprüchen, die sie
noch einmal daran erinnern sollen, bloß keine Memme zu sein. „Nur Loser
geben auf“ und „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt“, prangt
ihnen in großen Lettern auf schmucklosen Schildern entgegen.
Der Schmutz und das Bedrohliche, das Bedrückende und der Siff der
trostlosen Kleinstadtkulisse, die Rose Glass im New Mexico der späten
Achtziger zeichnet, ist sofort spürbar. Es ist eine Man’s Man’s Man’s
World, die die britische Filmemacherin in ihrem zweiten Spielfilm
heraufbeschwört, überschäumend von archaisch-amerikanischen
Männlichkeitssymbolen. Zwischen Pickup-Trucks, Pilotenbrillen und Pistolen
hat sich die junge Lou (Kristen Stewart) als Managerin besagter Muckibude
darin eingerichtet.
Es ist ein festgefahrenes Dasein, das aus nicht viel mehr denn einsamen
Fertigmahlzeiten, Ketterauchen zum Klang von Entwöhnungskassetten und
Masturbieren auf der Couch zu bestehen scheint. Der lästig gewordenen
Situationship mit der abgetakelten Ex-Freundin Daisy (Anna Baryshnikov),
die Lou wohl nur aus Ermangelung an Dating-Alternativen in ihr Leben ließ,
versucht sie nach Kräften auszuweichen.
Wer hätte gedacht, dass es nicht mehr als eine obdachlose Bodybuilderin
braucht, die eigentlich nur auf der Durchreise nach Las Vegas ist, um nicht
nur Lous ereignislose Existenz, sondern auch gleich das gesamte kriminelle
Gefüge der Stadt aus den Angeln zu heben?
## Purer Pulp
Inmitten des puren Pulps setzt „Love Lies Bleeding“ zu einer der wohl
ungewöhnlichsten lesbischen Liebesgeschichten an, die je erzählt wurden:
Jackie (Katy O’Brian) hat gerade einen Job im örtlichen Schießsport-Club
bekommen, als sie wie eine Chimäre in Lous Fitnessstudio aufschlägt. Die
elektrisierende Anziehung zwischen ihnen ist augenblicklich da, ebenso die
Gefahr, die in ihrer Annäherung mitschwingt. Als sie ein aufdringliches
Männergrüppchen bei ihrem ersten angeregten Gespräch stört, kommt es
unmittelbar zum Faustkampf.
Es ist nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was im Laufe dieses mindestens
so sehr von Blut wie von Schweiß getränkten Thrillers noch folgen soll.
Nach ihrem Debüt, dem ebenfalls sapphisch gefärbten [1][Mystery-Horrorfilm
„Saint Maude“], wendet sich Rose Glass nicht weniger bildgewaltig einer
leidenschaftlichen Amour fou zwischen zwei Frauen zu, die dem machistischen
Kosmos, in dem sie sich entfaltet, nicht etwa zu entkommen versuchen –
sondern sich in die kompromisslose Konfrontation mit ihm begeben.
Effektvoll zeigt [2][„Love Lies Bleeding“], wie die (körperliche) Macht der
Männer immer wieder in ihr gerade geschaffenes Refugium vordringt, ihren
rauen, aber betörten Alltag zwischen spontanem Badezimmersex und hartem
Training, mit dem sich Jackie auf einen Wettkampf im Bodybuilding
vorbereiten möchte, stört.
Zum einen tritt Lous vom FBI beschatteter Vater (Ed Harris) als Chef ihrer
neuen Partnerin wieder auf den Plan und ruft in seiner Tochter traumatische
Erinnerungen an eine Jugend wach, die von seinen illegalen Waffengeschäften
überschattet wurde. Vor allem aber Lous Schwager JJ (Dave Franco), der
ebenfalls am Schießstand arbeitet und ihre Schwester Beth (Jena Malone)
immer wieder demütigt, ist dem Paar ein Dorn im Auge.
## Blutige Eskalation
Ein Dorn, dessen sich Jackie in einem explosiven Gewaltrausch entledigt,
nachdem JJ seine Frau krankenhausreif prügelte. Aufgeputscht von den
Anabolika, die Lou ihr verabreicht, tötet sie ihn und setzt so eine blutige
Eskalationsspirale in Gang, die das Drehbuch von Rose Glass und Weronika
Tofilska nicht nur gekonnt mit schauderhaften Schockmomenten und „Body
Horror“-Elementen, sondern auch absurd-komischen Szenarien verwebt.
Nichts aber wird so sehr von diesem Film in Erinnerung bleiben wie seine
ebenso stilsichere wie selbstbewusste Inszenierung der freimütigen
Sinnlichkeit zwischen den beiden Frauen im Zentrum. Zwar kennt Lous und
Jackies turbulente Liebe sicherlich keinerlei gesundes Maß, noch folgen die
beiden Liebenden irgendwelchen moralischen Gesetzen abseits ihrer eigenen.
Glücklicherweise aber sind Filme weder als Beziehungsratgeber
misszuverstehen, noch unterliegt das Handeln ihrer Figuren dem
kategorischen Imperativ. „Love Lies Bleeding“ ist dreckig, düster, sexy,
unerschrocken – und für das lesbische Kino, das meist noch immer allzu
handzahm und versöhnlich daherkommt, nicht weniger als ein
Befreiungsschlag.
23 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=EXs2-TY9qok
[2] https://www.youtube.com/watch?v=BF_J3-DmiS0
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
lesbisch
Sexualität
GNS
USA
Schwerpunkt Berlinale
Kolumne Subtext
Spielfilm
Französischer Film
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