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# taz.de -- Berlinale-Film „Les gens d’à côté“: Meister der leiseren T…
> In André Téchinés Film „Les gens d’à côté“ geht Isabelle Huppert…
> Polizistin auf Tuchfühlung mit Autonomen.
Bild: Lucie (Isabelle Huppert) als Polizistin in „Les gens d’à côté“
Die Inneneinrichtung von Wohnungen lässt häufig auf den sozialen Status,
aber nicht immer auf den Beruf ihrer Bewohner schließen. So kann man an den
Möbeln, den vielen Pflanzen in den Räumlichkeiten von Lucies Vorstadthaus
oder auch am Piano im Wohnzimmer nicht erkennen, dass hier eine Polizistin
wohnt. Auf diesen Gedanken kommen Lucies neue Nachbarn, ein freundliches
Paar mit Kind, auch nicht, wenn sie die nicht mehr junge Ordnungshüterin in
ihrem Heim besuchen.
Lucie ([1][Isabelle Huppert]) kümmert sich häufig um die Tochter von Yann
(Nahuel Pérez Biscayart) und Julia (Hafsia Herzi), danach essen sie
zusammen im Haus der Kleinfamilie. Die Forensikerin lebt allein, seit ihr
Partner Slimane – auch er war Polizist – sich das Leben genommen hat.
Irgendwann findet Lucie heraus, dass Yann das Département nicht verlassen
darf, also juristisch etwas gegen ihn vorliegt. Sie stellt Nachforschungen
an und entdeckt, dass ihr Nachbar mehrfach vorbestraft ist. Yann selbst,
der offiziell als Künstler arbeitet, erzählt ihr allerdings offen, dass er
als Autonomer regelmäßig im Schwarzen Block demonstriert.
Zunächst rückt Lucie ihrerseits nur mit der Halbwahrheit heraus, dass sie
Beamtin sei. Doch ewig lässt sich ihr Beruf nicht verbergen, zumal Yann
bald wieder Ärger mit der Polizei bekommt. Wie soll sich Lucie verhalten?
Folgt sie ihrem Arbeitsethos und denunziert den jungen Nachbarn oder lässt
sie ihr Handeln von ihrer Sympathie für ihn bestimmen?
## „Bullenschweine“ und „Randalierer“
Die Grundkonstellation in dem neuen Spielfilm von [2][André Téchiné], der
im Panorama Premiere feiert, birgt durchaus Konfliktpotenzial. Man könnte
daraus ein großes Drama mit allen erdenklichen Eskalationen machen.
Doch Téchiné war schon immer ein Meister der leiseren Töne. Denn hinter
denen, die radikale Linke „Bullenschweine“ oder aber Konservative
„Randalierer“ nennen, verbergen sich Menschen mit einer Lebens- und
Leidensgeschichte. Das mag eine banale Erkenntnis sein, aber in Zeiten sich
radikalisierender Meinungen und immer tieferer ideologischer Gräben in der
Gesellschaft optiert Téchiné für das (Zwischen-)Menschliche und Fragen der
Moral.
Er zeichnet seine Figuren nicht eindimensional: So trägt die Polizistin ein
riesiges Tattoo auf der Schulter oder raucht mit Yann gern einen Joint.
Auch der Idealist Yann kann seine militanten Aktionen durchaus
reflektieren, ist nicht hasserfüllt und politisch nicht auf einer Linie mit
seiner moderateren Lebensgefährtin. Durch die Interaktion von Lucie und
Yann lässt Téchiné Spannungsmomente entstehen, die in eine ziemlich
realistische Auflösung münden.
Die differenzierte Betrachtung zweier Protagonisten, die das Gesetz
zumindest auf dem Papier trennt, gelingt auch durch das intensive, aber
nuancierte Spiel von Isabelle Huppert und Nahuel Pérez Biscayart. Nebenbei
schaut der Film Polizist*innen bei ihrer Arbeit über die Schulter,
dokumentiert die Auswertung von Videoüberwachungen oder die Aufnahme von
Verhafteten. Einer dieser polizeilichen Standardvorgänge wird sich im Laufe
des Films wiederholen, doch dann ist er gegen jemanden gerichtet, den man
als Publikum bereits gut kennengelernt hat.
23 Feb 2024
## LINKS
[1] /Berlinale-wuerdigt-Isabelle-Huppert/!5831141
[2] /Berlinale--Ladieu-a-la-nuit/!5569308
## AUTOREN
Kira Taszman
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Film
Autonome
Linke Szene
Polizei
Kino
Schwerpunkt Berlinale
Deutscher Film
Catherine Deneuve
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