| # taz.de -- Internationale Tourismusbörse in Berlin: Reisen so wie früher | |
| > Die Tourismusbranche beteuert, dass sie sich der Klimakrise angenommen | |
| > hat. Stimmt das? Ein Rundgang über die ITB lässt Zweifel aufkommen. | |
| Bild: Der Klimakrise zum Trotz: Die Luftfahrtbranche inszeniert sich auf der ITB | |
| Berlin taz | Hinter dem Tempeltor aus Sandstein erstreckt sich eine | |
| Wüstenlandschaft. Männer in weiten, farbigen Roben reiten im | |
| Sonnenuntergang den Kamm einer Düne entlang. Wunderschön. Wären da nicht | |
| die laute Geräuschkulisse und die dichte Menschenmasse in der Halle der | |
| arabischen Länder auf dem Berliner Messegelände – und die Sache mit | |
| „Transition in Travel & Tourism“, zu Deutsch „Wandel von Reisen und | |
| Tourismus“. Dabei ist der das Motto der diesjährigen Internationalen | |
| Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Mit rund 5.500 Ausstellern aus fast 190 | |
| Ländern und knapp hunderttausend Besucher:innen ist es die weltweit | |
| größte Messe der Branche. | |
| Denn trotz prächtigen ökonomischen Zustands steht der Tourismus vor | |
| riesigen Herausforderungen. Die [1][Branche verursacht bis zu 8 Prozent der | |
| CO2-Emissionen, soll aber bis 2050 klimaneutral sein]. Hier helfen die | |
| ausführlichen Erklärungen eines schicken Lufthansa-Piloten am Pavillon der | |
| Fluggesellschaft auch nicht weiter. Der Mann fuchtelt eifrig vor einer | |
| Ausstellungswand: „Die Lösung heißt SAF: sustainable aviation fuel!“. Er | |
| erklärt lange den erstrebten Kreislauf zur Herstellung [2][von nachhaltigem | |
| Treibstoff]. Doch auch die goldenen Streifen auf seiner Uniform vermögen | |
| den Fakt nicht zum Glänzen zu bringen, dass SAF derzeit nur etwa 2 Prozent | |
| des Treibstoffs für die Flüge der Lufthansa-Gruppe ausmacht. | |
| Steht die Reisebranche also hinter dem Wandel, den sie sich auf die Fahnen | |
| geschrieben hat? „Rhetorisch ja, aber leider nicht praktisch“, konstatiert | |
| Antje Monshausen, Tourismus-Expertin beim evangelischen Hilfswerk Brot für | |
| die Welt. Die Tourismuswirtschaft müsse ihre Verantwortung anerkennen und | |
| den Weg hin zur Klimaneutralität einschlagen, so Monshausen. „Aber das | |
| Gegenteil ist der Fall: Es wird weiterhin zu viel geflogen und das auch auf | |
| Strecken, auf denen es klimafreundlicher Alternativen gäbe, [3][zum | |
| Beispiel den Zug innerhalb Europas].“ | |
| Nur ein paar Meter weiter bei den Ständen der Kreuzfahrt will man nicht | |
| wirklich über Klimaschutz reden. Schließlich entsteht bei der italienischen | |
| Reederei Costa doch ein Gespräch: „Das ist ein schwieriges Thema“, meint | |
| die Vertreterin, „aber wir machen ganz viel.“ Sie erzählt von | |
| energiesparenden Fahrstühlen und vorbildlicher Abfalltrennung auf den | |
| Schiffen. Dass die [4][Wasserpaläste oft, anstatt Landstrom anzuzapfen, | |
| sogar im Hafen klimaschädlich Kerosin verbrennen] würden, liege an der | |
| Infrastruktur vor Ort. Schuld sind also die anderen. | |
| ## Erhitzte Fernziele | |
| Und auch die angeflogenen Destinationen sind immer stärker vom Klimawandel | |
| betroffen. Der Vertreter eines Luxusresorts auf den Malediven reagiert | |
| gereizt, als er danach gefragt wird, wie denn die Villen langfristig | |
| betrieben werden sollen. Schließlich [5][schrumpfen die Atolle], drohen | |
| weitgehend vom Meer geschluckt zu werden. Der Herr rühmt sich, in seinen | |
| Resorts gebe es neuerdings ausschließlich Glas- statt Plastikflaschen und | |
| Plastik-Strohhalme seien auch verbannt worden. Der Tourismus und die vielen | |
| Flugzeuge, die jährlich auf der Inselgruppe landen, seien wichtig: „Um | |
| nicht unterzugehen, schütten wir einfach unsere Inseln auf.“ Tatsächlich | |
| ist das eine gängige Praxis und neuerdings sind auch schwimmende Städte | |
| geplant. | |
| Antje Monshausen sieht vor allem die Tourismusbranche in der Pflicht: | |
| „Gerade die Reiseveranstalter haben einen ganz massiven Einfluss darauf, | |
| wie klimaverträglich der Tourismus ist.“ Allerdings scheint diese Einsicht | |
| auf der Messe wenig Platz zu haben. So verkündet Thierry Antinori von Qatar | |
| Airlines feierlich, die Airline werde im kommenden Winter die Berlin-Flüge | |
| aufstocken. [6][Klimawandel und Menschenrechte] sind für die katarische | |
| Fluggesellschaft heute kein Thema. | |
| ## Applaus für Autokratien | |
| „Autokratische Regime bekommen an der Messe die ganz große Bühne“, | |
| kritisiert Monshausen. Es sei für die Regime ein politisches und | |
| wirtschaftliches Modell: Einerseits profitierten sie vom Geldfluss, | |
| andererseits könnten sie ein positives Image in die Welt senden. „Die | |
| Reiseveranstalter sollten darauf hinwirken, dass sie die Zivilgesellschaft | |
| in den betroffenen Ländern stärken und nicht zu Komplizen autoritärer | |
| Staaten werden“, so Monshausen. Sonst werde der Tourismus „zum Feigenblatt | |
| autoritärer Staaten“. | |
| Exemplarisch ist das Beispiel des ITB-Gastgeberlands Oman. Eigentlich | |
| sollen Partnerland-Bewerber seit 2022 gegenüber der Berliner Messe, die die | |
| ITB ausrichtet, gewisse Zusicherungen machen: zum Beispiel, dass Reisende | |
| weder wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung | |
| noch ihrer Herkunft diskriminiert werden. Diese [7][Menschenrechte sind im | |
| Oman nicht garantiert]. Doch der neue Code of Conduct greift in dem Fall | |
| noch nicht, da der Oman schon vor Inkrafttreten eingeladen wurde. | |
| Die Messe bietet klischeehafte Szenen, mit denen man heutzutage nicht mehr | |
| rechnet. An vielen Ständen stehen leicht bekleidete Frauen wie ausgestellt | |
| herum, in Folklore gekleidete Menschen und Tanzgruppen gibt es auch. Die | |
| Gäste können sich außerdem in Luxus-Interieurs von Emirates, der | |
| Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, zurückziehen. Die | |
| Pyjamas würden aus recycelten Plastikflaschen gefertigt, versichert eine | |
| Flugbegleiterin. | |
| 7 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Carlo Mariani | |
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