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# taz.de -- Hamburger Hauptbahnhof: Sichtschutz gegen das Drogenelend
> Sozialsenatorin stellt Maßnahmen vor. Dazu gehören eine soziale
> Koordinierungsstelle, ein Ordnungsdienst, und die Neugestaltung eines
> Parks.
Bild: Soll neu gestaltet und mit einem Zaun geteilt werden: der August-Bebel-Pa…
Hamburg taz | Seit der Pandemie wird die Verelendung [1][rund um Hamburgs
Hauptbahnhof] immer sichtbarer. Um die Lage von obdachlosen und
Drogenabhängigen zu verbessern, stelle Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer
(SPD) am Mittwoch gemeinsam mit dem Leiter Bezirksamts Mitte, Ralf
Neubauer, ein Maßnahmenpaket vor. Das solle das zum 1. April geplante
Verbot des Alkoholkonsums im und am Hauptbahnhof „begleiten“, so
Schlotzhauer.
Etwas weiter abseits, aber gut für Autofahrer und Bahnreisende zu sehen,
liegen der kleine August-Bebel-Park und die [2][Suchthilfeeinrichtung „Drob
Inn“]. Deren Klienten hatten sich während der Coronapandemie angewöhnt, die
ganze Grünfläche zu nutzen, um Abstand zu halten – [3][was ihre
Sichtbarkeit erhöhte]. Neubauer kündigte nun an, quer durch den kleinen
Park einen 1,63 Meter hohen Sichtzaun errichten zu lassen.
Die zur Straße gelegene Seite soll mit Bäumen bepflanzt werden, die größere
Fläche dahinter mit blauem Asphalt belegt werden, auf dem Sitzgelegenheiten
und Schirme zum Schutz vor Sonne und Regen aufgestellt werden. Der Zaun
werde noch mit Kunst verschönert und sei vom Drob Inn vorgeschlagen worden,
sagte er. Die Sichtbarkeit, etwa wenn jemand auf dem Boden schläft, sei
auch für die Klienten nicht schön.
Laut Schlotzhauer hat sich die Lage am Hauptbahnhof jüngst etwas
verbessert. Das könne an dem im Winter angebotenen Notprogramm für
Obdachlose an anderer Stelle liegen. Laut Neubauer werden auch die unlängst
auf dem August-Bebel-Platz aufgestellten Toiletten durchaus genutzt und
entlasten die Sanitäranlagen im Bahnhof.
## Neue Herausforderung für Sozialarbeit
Mit dem Ende des diesjährigen [4][Winternotprogramms] soll es nun aber
etwas Neues geben. Es sei wichtig, „einen Unterschied zu machen“, sagte
Schlotzhauer. Herzstück soll ein „Social HUB“ in den Räumen der
Bahnhofsmission sein. Eine Stelle mit drei Mitarbeitenden, die alle Hilfen
für Obdachlose und Suchtkranke in Bahnhofsnähe koordiniert.
Auch weitere Stellen wie der sozialpsychiatrische Dienst, die Jobcenter
oder Tagesaufenthaltsstellen sollen mitmachen. Es solle bei jeder Person
geklärt werden, welcher Träger sich kümmert, sagte Schlotzhauer. Für eine
Einschätzung würde auch die Polizei zu Rate gezogen. Datenschutzbedenken
seien geklärt, so die Senatorin. Für Sozialarbeiter sei diese neue
Kooperation „eine Herausforderung“.
Mehr Streetworker für Obdachlose stellte Schlotzhauer perspektivisch im
Rahmen einer „Neuaufstellung“ in Aussicht. Die soll es aber dezentral
geben, um den „Druck vom Innenstadtbereich“ zu nehmen.
Für das Hauptbahnhof-Umfeld ist zunächst etwas ganz Neues geplant: Teams zu
je drei „Sozialraumläufern“ sollen rund um Bahnhof und Drob Inn für
Anwohner und Klienten Ansprechpartner sein. Und zwar in zwei Schichten, von
sechs Uhr früh bis 22 Uhr.
Die Läufer sind an ihrer Kleidung erkennbar und sollen rund um das Drob Inn
auf Regeln hinweisen – mit Sätzen wie „Auf dem Vorplatz darf nicht gelegen
werden“, „Die Toilette ist zu benutzen“ oder „Bitte konsumieren Sie im …
Inn“. Für ihre Aufgabe müssten die Läufer „eine gewisse Robustheit
mitbringen“, sagte Neubauer. Von daher sei es richtig, damit nicht
Sozialarbeiter zu betrauen.
Diese als Versuch für acht Monate geplante Maßnahme wird an einen „externen
Dienstleister“ vergeben, der noch nicht ausgesucht ist. Im Gespräch waren
Security-Firmen und Personaldienstleister. Die Schulungen dieser Kräfte
soll die Sozialbehörde sicherstellen. Klappt das gut, übernimmt der Bezirk
Mitte. Zudem soll es ein „Streetwork-Mobil“ geben, besetzt von städtischen
Streetworkern. Der Kleinbus soll auch als „Shuttle“ dienen, um Menschen in
schweren Fällen in Kliniken zu bringen.
Der „Social HUB“ hat zudem die Möglichkeit, obdachlose Menschen mit
„verfestigtem Aufenthalt“ am Hauptbahnhof in ein weiteres Modellprojekt
namens „Übergangswohnen“ zu bringen. 16 Plätze stehen dafür in einer alt…
Villa in Eimsbüttel bereit. Es würden dafür weitere Häuser und Betreiber
gesucht, sagte Schlotzhauer.
Das Angebot sei zur Stabilisierung der Menschen gedacht und keine
dauerhafte Unterkunft, und damit „unterhalb des Ansatzes von Housing
First“. Ein solches Projekt, das Menschen ohne Bleibe bedingungslos eine
Wohnung bietet, gibt es bisher an anderer Stelle, auch als Modellversuch,
mit begrenzten Plätzen.
## Eine Ampel fürs Winternotprogramm
Jedes Jahr im März kommt wieder die Debatte darüber auf, das Hamburger
Winternotprogramm mit seinen rund 800 Plätzen ganzjährig zu öffnen. Dem kam
Hamburg bisher nur entgegen, indem es Plätze für pflegebedürftige
Obdachlose schuf. Schlotzhauer kündigte an, es würden 2024 gesonderte
Wohnunterkünfte für psychisch kranke Obdachlose geschaffen. Zudem soll das
Winternotprogramm selbst über ein „Ampelsystem“ erweiterte Öffnungszeiten
bekommen, je nach Wetter.
Parallel zur Pressekonferenz der Senatorin veröffentlichen die Fraktionen
von [5][SPD und Grünen einen Antrag]. „Es ist staatliche Aufgabe, die
Spirale des Elends zu durchbrechen“, sagt die Grünen-Sozialpolitikerin
Mareike Engels. Mit der nun geplanten „Sozialen Koordinierungsstelle“
könnte dies gelingen. In dem Antrag konstatiert Rot-Grün, dass sich die
Obdachlosigkeit unter Suchterkrankten deutlich erhöht habe. Derzeit biete
das Drob Inn mit dem Projekt „Nox“ eine Unterbringungsmöglichkeit. Doch
diese müsse um weitere Notschlafstellen und Ruhemöglichkeiten ergänzt
werden.
Schlotzhauer machte klar, dass derzeit nicht geplant sei, Konsumräume an
anderer Stelle einzurichten. Denn dafür einen Standort zu finden, seien
„sehr schwierige Diskussionen“.
Ein von Fachleuten geforderter Weg, Verelendung frühzeitig zu verhindern,
ist die Schaffung einer gesonderten Notschafstelle für junge Erwachsene.
Die Grünen hatten 2020 so eine Stelle im Koalitionsvertrag verankert. Nach
vier Jahren ist sie noch immer nicht in Sicht. Die Umsetzung durch die
Sozialbehörde läuft schleppend. Geplant sei, dass der städtische Träger
Fördern&Wohnen die Notschlafstelle bereit stellt, sagte Schlotzhauer. „Wir
sind noch auf der Suche nach einer Immobilie.“
21 Feb 2024
## LINKS
[1] /Sicherheit-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5945319
[2] /Unerwuenschte-Klientel/!5960136
[3] /Repressive-Drogenpolitik-in-Hamburg/!5902050
[4] /Obdachlosigkeit-im-Winter/!5977197
[5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/86500/schwerpunktaktion_am…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hauptbahnhof
Obdachlosigkeit
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