| # taz.de -- Die Tram M10 steht immer öfter im Stau: Lang, langsam, am langsams… | |
| > Die M10 legt eine lange Strecke zurück. Nicht immer hat sie ein eigenes | |
| > Gleisbett. Das bringt Verspätungen ein. Ein Video macht sich darüber | |
| > lustig. | |
| Bild: Idealfall: auf der Warschauer Brücke (hier am Endhaltepunkt) fährt die … | |
| Berlin taz | Carsten Meyer muss man sich als entspannten Menschen | |
| vorstellen. Er lebt im [1][Bötzowviertel] in Prenzlauer Berg und hat die | |
| Zeit, sich eines Themas anzunehmen, das immer mehr Menschen ärgert, nervt | |
| und erbost, die entlang der Strecke wohnen, die die Straßenbahnlinie M10 | |
| nimmt. Doch Meyer bleibt erstaunlich entspannt dabei, wie man den kurzen | |
| Filmen, die in seinem [2][Youtube-Kanal] zu sehen sind, entnehmen kann. | |
| Die M10 verbindet den S- und U-Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain | |
| mit dem U-Bahnhof Turmstraße in Moabit und braucht dafür laut Fahrplan 43 | |
| Minuten. | |
| Das klappt eher selten. Denn die M10 verbindet gleich mehrere Bezirke, die | |
| Strecke wurde mit den Jahren immer länger, die Reise führt am Frankfurter | |
| Tor, an Eberswalder und Bernauer Straße, am Naturkundemuseum, Hauptbahnhof | |
| und Nordbahnhof vorbei. Und die Linie soll die nächsten Jahr ja noch länger | |
| werden: [3][Bis Tegel soll die M10 ab 2030] führen. Der Senat hat dafür | |
| Anfang Januar die nächsten Planungsschritte beschlossen. Doch die brauchen | |
| Zeit: sage und schreibe 7 Jahre (für die dann fertigen 7 Kilometer). | |
| Das alles kann ja irgendwie nicht gut gehen. Genau das bildet Carsten Meyer | |
| mit seinen Videos ab. Vor ein paar Wochen schon teilte er zum Beispiel | |
| einen [4][sechs Minuten langen Film], der in Echtzeit das Dilemma ironisch | |
| überhöht auf den Punkt bringt. „M10-Meditation – tiefenentspannt auf Achs… | |
| lautet der Titel. | |
| Die Kamera verfolgt eine [5][Straßenbahn der Linie M10], die sich, aus | |
| Richtung Nordbahnhof kommend, die letzten 100 Meter zur Haltestelle | |
| U-Bahnhof Eberswalder Straße – ja, man muss es so sagen – vorkämpft. | |
| ## Im Schneckentempo | |
| Die Tram kriecht im Schneckentempo voran, immer nur ein paar Meter kann sie | |
| fahren, mehr sind nicht drin: Denn sie fährt auf der Straße, also nicht in | |
| einem eigenen Gleisbett, konkurriert also mit den vielen Autos – und die | |
| bremsen die M10 eben aus. | |
| Das geht so mehrere Minuten lang, bis die Tram die Kreuzung an der | |
| Schönhauser Allee/Eberswalder Straße überqueren kann. Und solche Kreuzungen | |
| gibt es ja auch woanders. Die Ampelvorrangschaltungen zugunsten von Pkw und | |
| Lkw tun das Übrige zur Entschleunigung der Tram. | |
| Das Stop-and-go-Tempo hat Meyer auf eine schöne Idee gebracht: Es hat das | |
| Video mit sanften wie monotonen tibetanischen Mönchsgesängen unterlegt; | |
| eine männliche Stimme lädt dazu ein, diese kleine unverhoffte Auszeit für | |
| eine Entspannungsübung zu nutzen. | |
| Was für eine grandiose Idee. Es bringt ja auch nichts, sich aufzuregen, | |
| wenn man festsitzt. Wir sollen den Ärger einfach wegatmen! Ganz im Sinne | |
| eines autogenen Trainings soll man sich der Enge in der Tram bewusst | |
| werden, sich auf sich selbst und den Atem konzentrieren, egal ob stehend | |
| oder sitzend. „Du bist an einem sicheren Ort und kannst jetzt nicht raus, | |
| du kannst nichts tun außer entspannen …“ | |
| ## „Nutzen Sie die nächste Bahn“ | |
| Allerdings ist das leichter gesagt als getan, wenn man regelmäßig den | |
| öffentlichen Personennahverkehr benutzen muss – so wie der Autor. In diesem | |
| Falle die M10 am Montagmorgen viertel vor neun. Die Haltestelle an der | |
| Straßmannstraße ist schon voller Leute, das bedeutet: Da kam schon länger | |
| als geplant keine Tram, der Profi erkennt das sofort. Als die Bahn endlich | |
| eintrudelt, ist sie erfreulicherweise leer (wie das?). Alle wollen | |
| einsteigen, da springt die Anzeige um auf „Fahrschule“. | |
| Alle drängen in die nächste Tram, die zwei Minuten später in die | |
| Haltestelle einfährt. Folgerichtig ist es recht voll in der Bahn, aber noch | |
| erträglich, man hat schon Schlimmeres erlebt. „Nutzen Sie bitte auch die | |
| nächste Bahn“, ertönt da plötzlich die Stimme der Fahrerin beim Einsteigen, | |
| „die ist eine Minute hinter mir.“ Nützt aber nichts. Alle gehen auf Nummer | |
| sicher und wollen mit. Tja, das Vertrauen in die BVG ist erschüttert. | |
| Beim nächsten Stopp wiederholt sich das Ganze. „Steigen Sie doch nicht alle | |
| ein!“, heißt es mit Verweis auf die angeblich gleich folgende Bahn. Haut | |
| aber wieder nicht hin, alle wollen rein in den Zug. „Das ist ja, als ob ich | |
| gegen eine Wand rede“, echauffiert sich die Fahrerin diesmal, „wieso machen | |
| Sie das?“, zetert sie und wiederholt ihre „Bitte“ auch an der Haltestelle | |
| Frankfurter Tor. „Fahren Sie doch nicht alle bei mir mit … Aber es ist ja | |
| egal, was ich sage“, wird der Ton ärgerlicher. | |
| Derweil müssen Fahrgäste schmunzeln, andere zucken bloß mit den Schultern, | |
| aber die meisten kriegen eh nichts mit, sie tragen Kopfhörer. Beim nächsten | |
| Halt bleibt die Fahrerin still, sie hat wohl aufgegeben. Oder kurz eine | |
| Atemübung zur Entspannung eingelegt. | |
| 19 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6tzowviertel | |
| [2] https://www.youtube.com/@carstenmeyer2250 | |
| [3] /7-Jahre-fuer-7-Kilometer/!5982297 | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=YZ7j9i-NTO0 | |
| [5] https://www.bvg.de/de/verbindungen/linienuebersicht/m10 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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