# taz.de -- Neuverfilmung von „Die Farbe Lila“: Zaghafte Emanzipation | |
> Gewalt gegen Frauen in den Südstaaten: In „Die Farbe Lila“ wird der Stoff | |
> von Regisseur Blitz Bazawule als Musical erneut auf die Leinwand | |
> gebracht. | |
Bild: Celie (Fantasia Barrino) und Shug Avery (Taraji P. Henson) in „Die Farb… | |
Georgia, im Süden der USA, 1909: die beiden Schwestern Celie und Nettie | |
Harris leben in einer Kleinstadt über dem Laden, den ihr gewalttätiger | |
Vater Alfonso betreibt. Celie (Phylicia Pearl Mpasi in ihrem Filmdebüt) | |
wird wiederholt von ihrem Vater vergewaltigt. Beide Male, bei denen sie | |
schwanger geworden ist, hat er die Kinder weggegeben. Als Mister, der ein | |
Stück Land in der Umgebung der Kleinstadt besitzt, Alfonso sagt, dass er | |
Nettie (Halle Bailey) heiraten will, lehnt der Vater ab. Stattdessen gibt | |
er ihm seine andere Tochter Celie mit. | |
Auch Mister erweist sich als gewalttätig, Celie wird regelmäßig von ihrem | |
Mann geschlagen. Als Celie nicht mehr im Haus ist, wird Alfonso Nettie | |
gegenüber übergriffig. Die flieht zu ihrer Schwester. Aber es dauert nicht | |
lange, bis Celies Mann Mister versucht, Nettie zu vergewaltigen. Als sie | |
sich wehrt, wirft Mister sie aus dem Haus und verbietet seiner Frau Celie | |
(als Erwachsene: Fantasia Barrino) jeden Kontakt. | |
Die Handlung von „Die Farbe Lila“ liest sich in jeder Zusammenfassung | |
erschütternd gewalttätig. Als [1][Steven Spielberg] den [2][Roman von Alice | |
Walker] 1985 verfilmte, wurde der Film zu [3][einem Blockbuster]. | |
Anschließend entstand basierend auf Film und Roman ein Broadway-Musical. | |
Das wurde nun von Spielbergs Produktionsfirma Amblin und der | |
Produktionsfirma von Oprah Winfrey verfilmt. | |
## Zaghafte Emanzipation | |
Auch wenn sich die Handlung im weiteren Verlauf zur Geschichte von Celies | |
zaghafter Emanzipation entwickelt, ist die Wahl der Form eines Musicals für | |
die Geschichte durchaus überraschend. Und doch hält sich das Musical seit | |
der Broadway-Premiere im Dezember 2005 in verschiedenen Besetzungen. Als | |
Regisseur wurde der ghanaische Musiker und Künstler Blitz Bazawule | |
gewonnen, der zuletzt an der Regie von Beyoncés „Black Is King“ mitgewirkt | |
hat. | |
Die stärksten Szenen des Films entwickeln Bazawule und Drehbuchautor Marcus | |
Gradley wie schon in Spielbergs Film mit einigen Nebendarstellerinnen. | |
Sofia (Danielle Brooks), die Ex-Frau von Misters Sohn Harpo, ist vom ersten | |
Moment an ein wohlwollender Gegenpol zu Celie. Selbstsicher kommandiert sie | |
Harpo herum. Als der wiederum dem Vorbild seines toxischen Vaters folgend | |
versucht, sie zu schlagen, verlässt sie ihn umgehend. | |
Als sie der vermeintlich liberalen, weißen Frau des Bürgermeisters | |
widerspricht, wird Sofia zusammengeschlagen und wandert für Jahre ins | |
Gefängnis, das sie halb gebrochen wieder verlässt. Eine Zäsur, an der sie | |
lange arbeitet. | |
Sofias Geschichte ist das Nächste zu einer Figurenentwicklung in „Die Farbe | |
Lila“. Kranken die Figuren doch sonst nahezu ausnahmslos an jener Reduktion | |
auf Archetypen, die die Dramaturgie von Musicals so oft prägt (und die an | |
Spielbergs Film unter anderem als klischeehaft kritisiert wurde). Leider | |
verstärkt Bazawule dieses Problem, indem er die Etappen der Handlung des | |
Musicals über weite Strecken in einer Nummernrevue mit routinierter | |
Einfallslosigkeit abarbeitet und Szene an Szene reiht, ohne dass sich ein | |
Spannungsbogen einstellt. | |
## Klischeehafte Bilder | |
Der dänische Kameramann Dan Laustsen verschlimmert diese Starrheit noch, | |
indem er eine unermüdliche Tendenz zu Kranaufnahmen hat, denen jede Eleganz | |
abgeht und die einfachste Szenen unnötig kompliziert erscheinen lassen. Die | |
Bilder, die dabei entstehen, wirken wie Klischees ihrer selbst. | |
Wichtiger als alle filmischen Schwächen ist aber, dass der Film alle | |
Probleme hat, die schon an der früheren Verfilmung kritisiert wurden: So | |
wurde Spielberg unter anderem vielfach dafür kritisiert, dass er die | |
Liebesgeschichte, die das Buch zwischen Celie und Misters Ex-Frau, der | |
Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson) andeutet, auf einen schlichten Kuss | |
reduziert hat. Gut 40 Jahre später verfahren Gradley und Bazawule genauso. | |
Als neue Schwäche fügt die Neuverfilmung eine komplette Blindheit für die | |
Unterschiede zwischen Schwarzsein in den USA und Schwarzsein in Afrika | |
hinzu. Das zeigt sich vor allem in der Geschichte Netties, die auszuführen | |
mit erheblichen Spoilern verbunden wäre. Celies eigene Emanzipation ist – | |
das ist schon eine Schwäche der Buchvorlage – letztlich nur möglich durch | |
die Überwindung sozialer Hürden, die in beiden Verfilmungen gleich komplett | |
unsichtbar gemacht werden. | |
## Hollywoodkino | |
Die Neuverfilmung von „Die Farbe Lila“ ist ein gutes Beispiel für jene | |
Schwäche mittelteurer Produktionen, die das aktuelle Hollywoodkino prägt. | |
Von den 1970er bis 2000er Jahren machten Produktionen mit einem Budget im | |
unteren zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich das Gros der Filme aus. | |
Diese Filme spielten im Regelfall ihr Budget mindestens wieder ein, oft | |
mehr als das und im Idealfall ein Vielfaches. In diesem Segment waren also | |
auch Filme möglich, die keine sicheren Blockbuster waren. | |
Spielbergs „Die Farbe Lila“ hatte ein Budget von 15 Millionen | |
(inflationsbereinigt knapp 45 Millionen) Dollar und spielte etwa 100 | |
Millionen ein. Bazawules „Die Farbe Lila“ hat ein Budget von etwa 100 | |
Millionen Dollar und bislang etwa 65 Millionen eingespielt. Aus Sicht der | |
Produktionsfirmen ist „Die Farbe Lila“ also ein teurer Flop. Potenziellen | |
Zuschauer_innen sei gesagt: Es ist auch ein schlechter Film. | |
9 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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