# taz.de -- Polit-Affäre in Berlin-Lichtenberg: Der einsame Kampf des Kevin H�… | |
> Vor 3 Monaten wurde der Baustadtrat von Lichtenberg vom Dienst | |
> freigestellt. Der SPD-Politiker sieht sich als Opfer einer großen | |
> Intrige. | |
Bild: „Da müssen andere mal Konsequenzen ziehen“: Lichtenbergs freigestell… | |
BERLIN taz | Die traditionelle Jahrespressekonferenz des Bezirksamts | |
Lichtenberg ist eine Veranstaltung für Detailverliebte. Wie in den | |
Vorjahren arbeiten sich die Spitzen des Ostberliner Großbezirks auch am | |
Mittwochvormittag wieder im Schnelldurchlauf durch die kommenden | |
„Jahreshighlights“. | |
Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) widmet sich etwa dem künftigen | |
S-Bahn-Museum im Bahnhof Lichtenberg, Sozialstadträtin Catrin Goksch (CDU) | |
spricht über den Kampf gegen Alkoholismus, Verkehrsstadträtin Filiz | |
Keküllüoglu (Grüne) über neue Radwege, Jugend- und Baustadträtin Camilla | |
Schuler (Linke) über Freizeiteinrichtungen. Schwerpunkte der Bezirksarbeit | |
eben. Business as usual. | |
Dass das Medieninteresse daran zwar immer noch bescheiden, aber auffallend | |
größer als in den Vorjahren ist, hat dann auch einen anderen Grund. Denn | |
ein gewählter Stadtrat fehlt auf dem Podium: Kevin Hönicke (SPD), bis zur | |
Umbildung des Bezirksamts im Dezember Baustadtrat, seither zuständig für | |
Schule und Sport. Zumindest auf dem Papier. Faktisch ist Hönicke seit Mitte | |
Oktober für gar nichts mehr zuständig. „Ich sitze zu Hause bei vollen | |
Bezügen“, sagt er zur taz. | |
Hönicke ist auf Anordnung von Bürgermeister Schaefer [1][vom Dienst | |
freigestellt], seit drei Monaten. Gleich mitausgesprochen wurde Mitte | |
Oktober ein Verbot zum Betreten aller Dienstgebäude des Bezirksamts | |
Lichtenberg. Ein außergewöhnlicher Vorgang, der berlinweit für Schlagzeilen | |
gesorgt hat. | |
## Vorwurf: Verrat von Dienstgeheimnissen | |
Der SPD-Politiker, seit 2020 Stadtrat in Lichtenberg, beteuert bis heute, | |
dass ihm keinerlei Gründe für seine Freistellung genannt wurden, auch vom | |
Bürgermeister nicht. „Ich wusste nichts. Alle spekulierten“, sagt Hönicke. | |
„Da kamen Leute und haben gefragt, ob ich was mit Terrornetzwerken zu tun | |
habe.“ Dass genau das gefragt wurde, kann man glauben, muss man aber auch | |
nicht. Wie vieles in der Causa Hönicke. | |
Für Klarheit zu den Gründen sorgte eine Woche nach der Freistellung erst | |
die Staatsanwaltschaft, als sie erklärte, ein Ermittlungsverfahren gegen | |
den Bezirkspolitiker eingeleitet zu haben. Der Tatvorwurf: Verrat von | |
Dienstgeheimnissen. | |
Konkret, so der im Raum stehende Verdacht, soll Hönicke Anfang 2023 dem | |
Tagesspiegel anonym eine Art Dossier mit internen Mails und | |
Gesprächsnotizen zugeschickt haben, in denen es um Vorwürfe des | |
Dienstmissbrauchs und sexueller Belästigung gegen einen Mitarbeiter des | |
Bezirksamts aus dem Jahr 2022 ging. | |
Im Anschreiben zu dem Dossier wurde zudem [2][dem damaligen | |
Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke)] unterstellt, er habe versucht, | |
die Übergriffe des Mitarbeiters zu vertuschen. Die Dokumente sollen von | |
Hönicke bewusst vor der Wiederholungswahl im Februar 2023 verbreitet worden | |
sein, um der im Bezirk bis dahin dominierenden Linken zu schaden. Nichts | |
hiervon ist bisher bewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung. | |
## Die Spur der Briefmarke | |
Allerdings ist inzwischen belegt, dass die Briefmarke auf der | |
seinerzeitigen Post an den Tagesspiegel von Hönicke im Internet gekauft | |
wurde. Das streitet er auch gar nicht ab. „Ich kaufe seit Jahren digital | |
Briefmarken, das weiß jeder“, sagt Hönicke. Der gesuchte Whistleblower sei | |
er trotzdem nicht. Er habe mit dem Dossier nichts zu tun. Jemand anderes | |
könnte die Marke ja entwendet haben. | |
Das Verwaltungsgericht, das jüngst seine Freistellung bestätigte, hat | |
bislang keinen Anlass gesehen, dieser Argumentation zu folgen. Im | |
Gegenteil, das Gericht spricht von einem durch Tatsachen – eben die | |
Briefmarke – begründeten Verdacht, dass Hönicke gegen seine | |
Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat. | |
Stimmt alles nicht, sagt Hönicke. Richtig sei nur, dass er seit 2022 | |
versucht habe, den Vorwürfen der sexuellen Belästigung im Bezirksamt | |
nachzugehen. „Und ich wusste auch, dass der Mitarbeiter die Frauen unter | |
Druck gesetzt hat, ihre Aussagen zurückzunehmen“, so Hönicke. Tatsächlich | |
nahmen die Betroffenen ihre Aussagen zurück. Im März 2022 wurden die | |
internen Ermittlungen gegen den Mitarbeiter deshalb eingestellt. | |
## Das Rathaus als Intrigantenstadl | |
Darauf beruft sich am Mittwoch gegenüber der Presse auch | |
Bezirksbürgermeister Martin Schaefer. Ihm sei es wichtig, noch einmal | |
darauf hinzuweisen, „dass sich die Vorwürfe möglichen behördeninternen | |
Fehlverhaltens und sexueller Übergriffe in keiner Weise bestätigt haben“, | |
so der CDU-Politiker. Dessen habe er sich nun noch einmal vergewissert. Und | |
klar müsse sein: „Gewalt wird bei uns im Bezirksamt nicht geduldet und | |
Täter werden nicht geschützt.“ | |
Kevin Hönicke sagt, er will sich mit diesen Erklärungen nicht | |
zufriedengeben. Schon 2022 habe er das nicht. Er habe sich auch damals | |
weiter für die betroffenen Frauen stark gemacht, wenn auch nicht | |
öffentlich. „Ich werde frauenfeindliches Verhalten niemals dulden.“ Zur | |
Wahrheit gehört: Auch Hönicke sah sich schon dem Vorwurf ausgesetzt, | |
weibliche Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg rund | |
gemacht zu haben. Auch das bestreitet er. | |
Nun stand Lichtenbergs Rathaus schon lange vor Hönickes Freistellung in dem | |
Ruf, ein Intrigantenstadl, eine Schlangengrube zu sein. Dass der Fall des | |
SPD-Politikers ganz besondere Aufmerksamkeit genießt, hat aber auch mit ihm | |
selbst zu tun. Der 39-Jährige ist als aufbrausend bekannt. Häufig über | |
Kreuz lag er in der Vergangenheit nicht zuletzt mit der Linken im Bezirk. | |
Ein Linken-Politiker nannte ihn mal einen „politischen Falschspieler“. | |
Sein Auftreten in der BVV, aber, wie es heißt, auch hinter den Kulissen | |
sorgte freilich auch mehr als einmal für befremdete Reaktionen. Selbst in | |
seiner eigenen Partei wird Hönicke als „Enfant terrible“ und „ein wenig | |
durchgeknallt“ beschrieben. Ein Mann, der jedenfalls gern auf Konfrontation | |
geht und dabei das Licht der Öffentlichkeit sucht. | |
## Bezirksbürgermeister Schaefer unter Beschuss | |
Genau das macht der freigestellte Stadtrat seit 3 Monaten vor allem in | |
eigener Sache. Durch aktives Mitwirken Hönickes hat seine Geschichte nun | |
durch einen langen Beitrag in der Berliner Zeitung auch noch einmal eine | |
seltsame Wendung genommen. Wieder geht es um massive Vorwürfe, diesmal aber | |
gegen Bezirksbürgermeister Martin Schaefer. | |
Der CDU-Mann, heißt es hier, habe [3][nach seinem Amtsantritt 2023] | |
ausgerechnet jenen Mitarbeiter mit den Nachforschungen zum Absender des | |
Dossiers beauftragt, gegen den sich die vermeintlichen Vorwürfe der Frauen | |
gerichtet hätten. Die Berliner Zeitung machte aus dem Fall Hönicke einen | |
Fall Schaefer – und spekulierte schon über den baldigen Rücktritt des | |
Rathauschefs. | |
Der Bürgermeister sagt bei seiner Jahrespressekonferenz am Mittwoch, die | |
Berichterstattung habe ihn „betroffen“ gemacht. „Ja, der Mitarbeiter hat | |
tatsächlich in meinem Auftrag Dinge für mich übernommen, aber in einem sehr | |
überschaubaren Rahmen und zu einem Zeitpunkt, als ich noch nicht wusste, | |
gegen wen sich die Vorwürfe richten“, so Martin Schaefer. Der Mitarbeiter | |
habe „auch in keiner Weise Ermittlungen angestellt, hier ist nichts | |
Unlauteres geschehen“. | |
## Hönicke: „Ich bin da professionell“ | |
Kevin Hönicke sagt: „Alles, was in dem Beitrag steht, stimmt.“ Der zum | |
Nichtstun verurteilte Stadtrat sieht sich vor allem als Opfer. „Mir wurde | |
berichtet, Herr Schaefer würde alles dafür tun, dass Herr Hönicke nicht | |
mehr zurück ins Rathaus kommt.“ Würde er denn bei der Stimmungslage zurück | |
wollen? „Ich bin da professionell.“ Und überhaupt, sagt Hönicke mit Blick | |
auf den Bürgermeister: „Da müssten andere mal Konsequenzen ziehen.“ Aus d… | |
Bezirks-CDU heißt es hierzu: „Hönicke ist wirklich vom Weg abgekommen.“ | |
Am Dienstag hat Kevin Hönicke bekannt gegeben, bei den [4][Parteiwahlen der | |
Berliner SPD] im Mai als Vizevorsitzender zu kandidieren. In der | |
Hauptstadt-SPD ist man dem Vernehmen nach nicht so begeistert. | |
Anm. d. Red.: Eine frühere Version des Beitrags konnte, die | |
Berichterstattung der Berliner Zeitung aufgreifend, auch ohne Namensnennung | |
Rückschlüsse zulassen auf den im Text erwähnten Mitarbeiter des Bezirksamts | |
Lichtenberg. Das Landgericht untersagte der Berliner Zeitung Ende Februar | |
2024 die namentliche Nennung des Mitarbeiters und die Weiterverbreitung der | |
Vorwürfe gegen ihn. Die taz hat sich entschlossen, die Passagen, die | |
Rückschlüsse auf den Mitarbeiter zulassen könnten, zu entfernen. Die | |
Berlin-Redaktion | |
18 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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