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# taz.de -- Kritik an Demos gegen rechts: Verschieden vereint
> Bei den Demos gegen rechts kommen Menschen zusammen, die sonst nicht
> zusammenkommen würden. Das sollte Grund zur Freude statt Besserwisserei
> sein.
Bild: Demonstration gegen die die AfD in Darmstadt am 23. Januar 2024
Mindestens 820.000 Menschen bundesweit auf der Straße gegen rechts. Das ist
die Zahl vom letzten Wochenende. Bis zu 100.000 sollen es in [1][Düsseldorf
und Hamburg] gewesen sein. 100.000 waren es nach konservativen Schätzungen
schon eine Woche vorher in [2][Berlin] und [3][München].
Auch [4][in vielen mittelgroßen und kleinen Städten] gibt es Demos. Für das
kommende Wochenende sind weitere angekündigt. Am Samstag will das Bündnis
„Hand in Hand“ in Berlin eine [5][Menschenkette um das Reichstagsgebäude]
bilden. Mehr als 1.200 Organisationen haben nach eigenen Angaben den Aufruf
des Bündnisses unterschrieben. Ja, genau, über 1.200 Organisationen, nicht
über 1.200 Personen!
Toll, oder?
Das finden nicht alle. Auf die [6][Massenproteste nach den Recherchen] über
[7][Deportationspläne] von AfD-Politiker:innen und anderen Rechtsextremen
folgte in der Presse und den sozialen Medien prompt auch die Kritik an
diesen Protesten. Für manche scheint die Lust am Besserwissen schwerer zu
wiegen als das politische Anliegen.
Ihnen waren die Demos, zu denen sehr kurzfristig mobilisiert wurde, zu
wenig divers; es waren viel zu viele weiße Deutsche da, die viel zu
bürgerlich sind; und natürlich geht es gar nicht, dass diese weißen,
bürgerlichen Deutschen auch noch Spaß haben auf diesen Demos, zu denen sie
ja eh nur kommen, um sich zu vergewissern, dass sie die Guten sind und auf
der richtigen Seite stehen.
Eine Bewegung, die sich spaltet, bevor sie sich richtig gebildet hat – das
gibt es nur bei den Progressiven.
## Bitte traurig gucken
Als ich auf die erste Demo in Berlin gegangen bin, musste auch ich mit
Bedauern feststellen, dass sich der Pariser Platz leider nicht plötzlich in
einen Ort vollendeter egalitärer Utopie verwandelt hatte.
Ich war trotzdem froh, dass zur Abwechslung mal keine Coronaleugner oder
Putinfans den Platz gefüllt hatten, sondern Menschen, die zwar woanders
herkamen als ich, bestimmt auch anders dachten, die aber immerhin ein
Problem damit hatten, dass Nazis mich und andere Menschen wie mich
abschieben wollen. Menschen also, die, wenn man sie darauf anspricht,
möglicherweise auch offen gegenüber der Kritik sind, dass die Parteien, die
sie wählen, mit ihrer restriktiven Migrationspolitik die AfD nicht
schwächen, sondern stärken.
In diesem Moment der Zuversicht musste ich an ein [8][Detail aus der
Correctiv-Recherche] denken: Einer der Organisatoren des Potsdamer
Nazitreffens hatte sich darüber gefreut, dass die Deportationsfantasien die
Rechten trotz aller Streitpunkte zusammenführen. Eure Gegner, dachte ich
dann offenbar etwas voreilig, haben auch viele Differenzen, in ihrer
Gegnerschaft zu euch Faschisten sind sie aber ebenso vereint!
Die Frage der Diversität ist trotzdem ein wichtiger Punkt. Ich erinnere
mich an meine ersten politischen Erfahrungen [9][als frisch
eingeschriebener Student], an das einschüchternde Auftreten mancher
Aktivist:innen auf Demos, an die Zurechtweisungen und Codes, die ich,
wenn überhaupt, erst viel später verstanden habe.
Ich frage mich, wie viel Bock migrantische Arbeiterkinder auf Demos haben
können, wenn sie von irgendwelchen Oberkritischen penetrant belehrt werden,
wie richtiger Antifaschismus funktioniert. Und dass sie bitte auch traurig
genug gucken sollen, statt Spaß an der Erfahrung zu haben, dass sie nicht
allein sind.
31 Jan 2024
## LINKS
[1] /Demos-gegen-rechts-am-Wochenende/!5988363
[2] /Wie-viele-bei-den-Demos-gegen-Rechts/!5984447
[3] /Aktivist-ueber-Demos-im-laendlichen-Raum/!5988263
[4] /Termine-Demos-gegen-Rechtsextremismus/!5988174
[5] /Menschenkette-um-den-Reichstag/!5986877
[6] /Reaktion-auf-das-rechte-Geheimtreffen/!5983000
[7] /Parteichef-Tino-Chrupalla-wohl-dabei/!5986087
[8] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[9] /Bildung-und-Klasse/!5953463
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Kolumne Postprolet
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Islam
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