# taz.de -- Holocaust-Gedenktag in Freital: Leise gegen die AfD | |
> Die AfD soll die offizielle Rede der sächsischen Stadt Freital zum | |
> Holocaust-Gedenktag halten. SPD, Grüne und Linke organisieren ein | |
> „Kontrastprogramm“. | |
Bild: Polen, Oswiecim 2020: Schild mit Aufschrift „Halt“ am Rande der Geden… | |
BERLIN taz | Während in ganz Deutschland Hunderttausende gegen die AfD auf | |
die Straße gehen, soll die extrem rechte Partei in Freital die offizielle | |
Rede zuhalten. Trotz Kritik hält der Oberbürgermeister Uwe Rumberg daran | |
fest. | |
Jedes Jahr begeht die Stadt den 27. Januar, den Tag des [1][Gedenkens an | |
die Opfer des Nationalsozialismus], an dem Mahnmal auf dem Platz des | |
Friedens. Jedes Jahr ist eine andere Fraktion des Stadtrats an der Reihe – | |
in diesem ist es demnach die AfD. Auch eine Sitzung des Ältestenrats | |
änderte nichts daran. Eine Demokratie müsse das aushalten, hieß es. Aber | |
für die Mitte-Links-Koalition des Freitaler Stadtrats, bestehend aus SPD, | |
Grünen und Linken, war das der Grund, um ein „Kontrastprogramm“ | |
aufzustellen. | |
Steffi Brachtel war in den vergangenen Jahren immer beim offiziellen | |
Gedenken der Stadt dabei, dieses Mal organisiert sie das Kontrastprogramm | |
mit: ein Spaziergang, vom Parteibüro der SPD zu dem der Grünen und am | |
Schluss zu dem der Linken. Dazwischen wollen sie beim Mahnmal Blumen | |
niederlegen und es sind zwei Reden geplant. | |
„Wir wollen nichts Großes oder Lautes machen. Es ist ja ein stiller | |
Gedenktag“, sagte Brachtel. In jedem Büro sollen Fotos von Martin Neuhof | |
gezeigt werden, der für sein [2][Fotoprojekt „Herzkampf“ Menschen | |
porträtiert], die sich für soziale und politische Themen und gegen | |
Rassismus einsetzen. | |
## AfD-Redner beim Holocaust-Gedenken | |
So eine Ausstellung sei besonders in Freital wichtig, „um denen Mut zu | |
machen, die sich auch in AfD-Hochburgen gegen die Partei stellen“, sagte | |
der sächsische Fotograf Neuhof der taz. Er plane, am Spaziergang in Freital | |
teilzunehmen. | |
Brachtel hat den Kontakt geknüpft, von ihr gibt es auch ein Porträt. Seit | |
Jahren setzt sie sich gegen Nazis in Freital ein und wurde dafür [3][mit | |
dem Zivilcourage-Preis] ausgezeichnet. Mit Blick auf die | |
Gedenkveranstaltung der Stadt sagt sie, „es ist absurd, dass ein | |
AfD-Politiker die Rede halten soll“, besonders nach dem geheimen | |
[4][Treffen in Potsdam, bei dem die Partei] mit anderen extremen Rechten | |
über einen Plan für massenhafte Deportationen sprach. | |
Dafür zeigte Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg Unverständnis. Er war | |
früher bei der CDU, mittlerweile gehört er zur Wählervereinigung | |
Konservative Mitte. Im MDR warnte er davor, das öffentliche Erinnern an den | |
Holocaust „zu instrumentalisieren“, das spalte. Außerdem bestehe die | |
Gefahr, dass „das aufrichtige Erinnern an die Opfer der | |
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in den Hintergrund gedrängt wird“. | |
Die Vorsitzende des Freitaler SPD-Ortsvereins, Katja Wätzig, kündigte der | |
taz an, die beiden StadträtInnen der SPD werden an der offiziellen | |
Gedenkveranstaltung teilnehmen. Dass die AfD die Gedenkrede halte, sei | |
nicht passend, „aber als demokratisch gewählte Partei sollte an dieser | |
Stelle die AfD-Fraktion trotzdem nicht ausgeschlossen werden.“ Das | |
parallele Programm mit Grünen und Linken solle ziviles Engagement zeigen | |
und der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Es sei aber eben auch eine | |
Gegenbewegung zur AfD-Rede. | |
Auch der Vorsitzende der Freitaler AfD-Fraktion Torsten Heger versteht die | |
Kritik offenbar nicht. Nachdem die Sächsische Zeitung über die Debatte um | |
die AfD-Rede berichtet hatte, erklärte Heger dem MDR: „Wir haben unser | |
Recht, wie jede andere Stadtratsfraktion, an die widerlichen Verbrechen der | |
Nationalsozialisten – wohlgemerkt ‚Sozialisten‘ – zu erinnern.“ | |
Das sei geschichtsrevisionistisch, [5][sagte Jens-Christian Wagner, | |
Stiftungsdirektor der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora]. Der taz | |
erklärte der Historiker, „weil die NS-Verbrechen damit Linken und | |
Sozialisten zugeschrieben werden, die aber in Wirklichkeit bekanntlich zu | |
den ersten Opfern der NS-Diktatur gehörten.“ | |
Laut Wagner gehörte Antikommunismus wie der Antisemitismus zur DNA der | |
NSDAP. „Der Oberbürgermeister und der Ältestenrat in Freital erweisen der | |
Erinnerungskultur einen Bärendienst“, findet er. Auch das Internationale | |
Auschwitz Komitee kritisierte die geplante Rede eines | |
AfD-Landtagsabgeordneten auf das Schärfste. | |
## Vermeintliche Neutralität hilft Rechten | |
Zusätzlich zur Bilderausstellung liest der [6][antifaschistische Aktivist | |
Jakob Springfeld aus Zwickau] im Büro der Linken aus seinem Buch „Unter | |
Nazis“. Die Lesung war schon im November geplant, wurde vom | |
soziokulturellen Zentrum Freital jedoch abgesagt: zu politisch. „Diese | |
vermeintliche Neutralität, die dann rechte Kräfte stärkt, ist leider | |
verbreitet“, sagt Jakob Springfeld. Darum sei es wichtig, am Samstag in | |
Freital zu sein. | |
Wie die Stimmung derzeit in Sachsen ist, machte der am Dienstag | |
veröffentlichte Sachsen-Monitor deutlich. Laut der von Sachsens | |
Staatsregierung in Auftrag gegebenen Befragung sehen 64 Prozent ein | |
„gefährliches Maß an Überfremdung“. Zudem stimmten 18 Prozent der Aussage | |
zu, „Die Juden haben zu viel Macht in der Welt.“ Der Monitor befragte vom | |
vergangenen Juni bis Ende September 2.042 Menschen, und die Ergebnisse | |
gelten als repräsentativ. Antisemitismus ist laut der Studie auf dem | |
Vormarsch. | |
Bevor es am Samstag in das Freitaler Büro der Linken geht, steht im | |
„Kontrastprogramm“ noch der Besuch des Denkmals an. „Wir hoffen, die | |
offizielle Veranstaltung ist dann schon vorbei“, sagt Brachtel. Dort wollen | |
sie Blumen niederlegen, zwei Reden sind geplant. Die Inschrift auf der | |
Mauer des Denkmals lautet: „Die Opfer mahnen seid wachsam!“ | |
25 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gedenkstunde-fuer-Opfer-des-Holocaust/!5907977 | |
[2] https://herzkampf.de/herzkampf-die-ausstellung/ | |
[3] /Preis-fuer-Zivilcourage-in-Freital/!5350146 | |
[4] /Potsdamer-Radikalen-Treffen/!5986496 | |
[5] /Gedenkstaetten-Chef-ueber-Provokateure/!5654717 | |
[6] /Aktivist-ueber-Antifaschismus/!5930910 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Sachsen | |
Freital | |
Antifaschismus | |
Holocaust-Gedenktag | |
Holocaust-Gedenktag | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Martin Sellner | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Holocaust-Gedenken im Bundestag: „Sei ein Mensch“ | |
Der Bundestag gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus. Die | |
Holocaust-Überlebende Szepesi erinnert an die NS-Anfänge und wünscht sich | |
zu handeln. | |
Strategien gegen rechts: Hilft Hass gegen die AfD? | |
Die großen Kundgebungen der letzten Tage sollten keine Proteste gegen, | |
sondern Bekenntnisse für etwas sein. Die pluralistische Demokratie nämlich. | |
Deportationen im Nationalsozialismus: Die letzten Bilder | |
Ein jüdischer Fotograf macht 1941 heimlich Bilder von der Deportation | |
Breslauer Jüd:innen. Die jetzt entdeckten Fotos sind einzigartige | |
Dokumente. | |
Protest gegen die AfD: Zum ersten Mal Mehrzahl | |
Hunderttausende gehen gegen rechts auf die Straße. In Burg in | |
Sachsen-Anhalt treffen eine Kundgebung der AfD und der Gegenprotest | |
aufeinander. | |
AfD-Kandidat in Thüringer Landratswahl: Herrgott noch mal gegen Thrum | |
Nachdem der AfD-Kandidat beim ersten Wahlgang im Saale-Orla-Kreis vorne | |
lag, bekommt sein CDU-Gegner, Christian Herrgott, Unterstützung von links. | |
Nach Enthüllungen über Deportationspläne: Zehntausende protestieren gegen AfD | |
Auch am Dienstag sind wieder vielerorts Menschen gegen Rechtsextremismus | |
auf die Straße gegangen. Allein in Darmstadt kamen rund 17.000 zusammen. | |
Rechtsextremer Martin Sellner: Einreisesperre für Sellner? | |
Mehmet Daimagüler, Antiziganismusbeauftragter der Regierung, fordert ein | |
Einreiseverbot für Martin Sellner. Das wird nun geprüft. | |
Vorstandsklausur der CDU: Endlich mal was richtig gemacht | |
Merz hat wohl erkannt, dass die AfD konfrontiert werden muss. Das kann zwar | |
auch bei der AfD einzahlen. Alles andere ist aber keine Alternative mehr. |