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# taz.de -- Strategien gegen rechts: Hilft Hass gegen die AfD?
> Die großen Kundgebungen der letzten Tage sollten keine Proteste gegen,
> sondern Bekenntnisse für etwas sein. Die pluralistische Demokratie
> nämlich.
Bild: Protest in Darmstadt gegen Rechtsextremismus am 23.01.2024
Am [1][vergangenen Sonntag] wurde ich am Berliner Reichstag zum Hass
aufgefordert. Ich sollte doch tatsächlich im Rahmen einer großen Kundgebung
für die liberale Demokratie in den Choral einstimmen: „Ganz Berlin hasst
die AfD.“ Tat ich selbstverständlich nicht. Ich lehne Hass ab. Als
„Haltung“ ist das indiskutabel und als Strategie fatal.
Selbst wenn einige Teile dieser Gesellschaft unsere Art zu leben hassen
sollten: Auf Hass mit Hass zu reagieren, potenziert Hass. Genauso wenig
wird die Gleichsetzung AfD-Wähler = Nazi etwas Gutes bringen, außer dem,
der das propagiert, ein geiles Gefühl moralischer Überlegenheit.
Was „bringen“ denn nun die Massenkundgebungen der jüngsten Tage? Auf jeden
Fall eine Menge Pep-Talk von Politik und Medien. Die demokratische
Mehrheitsgesellschaft habe ihre „Hilflosigkeit überwunden“, sie
repolitisiere sich endlich, wende sich „schaudernd“ von der radikalen
Rechten ab und so weiter.
Die gutmeinenden Leitartikel-Pastoren sind unterwegs, die „Bringt alles
nichts“-Checker und auch die Ideologen, die die Kundgebungen in ihrem –
linken – Sinne einsammeln wollen. Ganz abstrus und kontrafaktisch wird es,
wenn gar von einem „[2][Aufstand]“ die Rede ist, als seien wir
Demonstrierende im Widerstand gegen eine bereits herrschende Macht.
Zunächst einmal teile ich die Unterstellung nicht, dass unsere
demokratische Mehrheitsgesellschaft (die anderen, nicht wir!) eine lasche
Pipifax-Truppe sei, die sofort ins Illiberal-Autoritäre lemmingt, wenn das
Hardcore-Nazis so passen würde. Das ist für den Westen angesichts der
Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik eine Unverschämtheit und für den Osten
zu negativ gedacht.
Richtig ist aber, dass viele Leute – ich gehöre dazu – verstehen oder
spüren, dass die Erfolgsgeschichte nicht mehr so weitergeht, und das macht
Leute kirre. Die Frage ist ungeklärt, ob und wie irgendeine Bundesregierung
Politik machen kann, die die großen Fragen nicht mehr aufschiebt und eine
starke postfossile Wirtschaft sozialverträglich priorisiert. Genauso unklar
ist, ob und wie eine (Medien-)Gesellschaft diese Fragen besprechen kann.
Nach meiner Einschätzung reden und denken wir in einer Welt, die es so
nicht gibt, mit überkommenen Begrifflichkeiten (etwa „links“ und „rechts…
und in die falsche Richtung, nämlich rückwärts.
Jetzt aber selbst pastoral: Die großen Kundgebungen der letzten Tage sind
keine Proteste gegen, sondern Bekenntnisse für etwas – für unsere Art zu
leben und leben zu lassen, für eine pluralistische Gesellschaft, die sich
auf der Basis des Grundgesetzes über demokratische Kompromisse verständigt.
Es ist fundamental, dass dies keine linken oder grünen Kundgebungen sind
und schon gar keine „gegen rechts“, sondern Demokratiefeiern, zu denen
selbstverständlich auch Konservative und CDU/CSU gehören. Gehören müssen,
sonst hätten wir ja keine Mehrheit.
Der Denkwechsel angesichts von AfD und radikal veränderter Lage, und das
meint explizit sich für „progressiv“ haltende Leute: Wir müssen verstehen,
dass wir durch Verhärtung und Dagegensein nichts gewinnen können, sondern
nur durch Allianzen. Dass wir ein kritischer, aber überzeugter Teil der
Mehrheitsgesellschaft sein müssen.
Wir können nichts verteidigen und verbessern, wenn wir uns nicht eindeutig
darauf verpflichten. In der Realität, mit all ihren moralisch und politisch
schwierigen Umständen. Wir sind nicht mehr dagegen, wir sind dafür. Das ist
unsere Bundesrepublik und unsere Europäische Union – und genauso die von
konservativen Demokraten.
Wir brauchen keinen Hass, wir brauchen jetzt bundesrepublikanischen
Patriotismus.
27 Jan 2024
## LINKS
[1] /Anti-AfD-Demo-in-Berlin/!5986847
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/aufstand-gegen-die-afd-stoppt-da…
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
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