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# taz.de -- Musikerin über Frauen der Wiener Klassik: „Sie sind gefeiert wor…
> Die Komponistinnen der Wiener Klassik wurden fast systematisch vergessen.
> Das junge Bremer Ensemble Namu spielt nun ihre Musik.
Bild: Marianne Martines, „Il Consiglio“ 1778: Um sie spielen zu können, mu…
taz: Frau Seiler, wie ist es zu dem Konzert-Programm mit den Frauen der
Wiener Klassik gekommen?
Dannielle Seiler: Wir wollen Komponist*innen, die diskriminiert wurden,
[1][eine Bühne geben]. Und wir wussten, es hat in der Zeit der Wiener
Klassik eben nicht nur Haydn, Mozart und Beethoven gegeben, die alle
kennen, sondern auch Frauen, deren Musik gefeiert wurde. Also haben wir
uns, gefördert vom Bremer Kultursenator und der Waldemar-Koch-Stiftung, auf
die Suche nach ihnen gemacht – und nach Werken von ihnen, die zu unserer
Besetzung passen.
Und Sie [2][sorgen für musikhistorische Gerechtigkeit]?
Warum nicht? Aber wichtiger ist uns doch die Gegenwart – also, dass man
sich in der modernen Gesellschaft klar macht, dass die Erzählung, die
Hälfte der Gesellschaft sei von der Kultur [3][ausgeschlossen gewesen],
nicht stimmt. Frauen waren stets beteiligt. Sie haben die Musik ihrer Zeit
mitgestaltet.
Wenn sie dafür gefeiert wurden, heißt das: Die Diskriminierung setzt erst
nachträglich ein?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Einerseits gibt es bei den Frauen genau
wie bei den Männern immer welche, die nicht bekannt geworden sind –
unabhängig von der Qualität ihrer Werke. Zugleich hatten
[4][Komponistinnen] immer auch mit frauenfeindlichen Vorurteilen zu
kämpfen. Dafür gibt es viele Belege. Diejenigen, die es trotzdem geschafft
hatten, sind vom Publikum durchaus gefeiert worden. Aber dann sind ihre
Werke nicht in die Zukunft weitergegeben worden.
Wieso?
Nachruhm ist etwas, das nicht von selbst kommt. Die berühmten Komponisten
haben sich stark darum gekümmert, dass ihre Musik auch nach ihrem Tod
gespielt wird. Die haben diese Aufgabe oft ihren Schülern anvertraut oder
sehr häufig haben die Witwen dafür gesorgt. Im umgekehrten Fall gab es das
so gut wie gar nicht: Frauen fiel es sehr viel schwerer, die Pflege ihrer
Werke sicherzustellen.
Waren die so bescheiden?!
Nein, aber ihre Erfolge waren nicht erwünscht. Sie galten als …
… unschicklich?
Vielleicht ist es das. Jedenfalls wurden sie von der männlich dominierten
Musikwelt nur ausgehalten, aber eben nicht weitergegeben. Seit den
1970er-Jahren gibt es [5][viel sehr gute Forschung dazu], aber bis dahin
hatte eine patriarchale Musikwissenschaft die Werke von Komponistinnen
meist ignoriert oder kleingeredet, um das Narrativ vom männlichen Genius
aufrecht zu erhalten.
Konnten Sie denn wenigstens auf edierte Partituren zurückgreifen?
Nein, ich habe die Noten für uns aus digitalisierten Handschriften oder
sehr alten Drucken übertragen und für unsere Besetzung arrangiert. Wobei
[6][das Namu-Ensemble] ein Nonett ist, wir aber beim Konzert in
unterschiedlicher Besetzung spielen.
Der zeitliche und ästhetische Rahmen, den Ihr Programm setzt, ist ja
deutlich weiter als Wiener Klassik: Er reicht von Rokoko bis Romantik.
Wonach haben Sie die drei Komponistinnen ausgesucht?
Das stimmt: Es ging uns darum, ausschließlich anhand der Werke von Frauen
eine stilistische Entwicklung der Epoche hörbar zu machen. Das ging mit den
Werken von diesen dreien – Anna Bon, Marianna Martines und Maria Agata
Szymanowska – sehr gut. Jede von ihnen hat einen persönlichen Stil und hat
genau dadurch zu dieser Entwicklung beigetragen, wobei es stimmt, dass
Szymanowska weit über die Wiener Klassik hinausweist. Die ist schon sehr
romantisch.
12 Jan 2024
## LINKS
[1] /Saengerin-ueber-Barockkomponistin-Leonarda/!5957642
[2] https://zentrum-fuer-kunst.de/veranstaltungen/
[3] /!5958280/
[4] https://komponistinnen.org/
[5] https://www.archiv-frau-musik.de/repertoire-listen
[6] https://namutrio.wordpress.com/uber-uns/
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Bremen
Wien
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Frauen
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Barock
Hamburg
Musik
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