# taz.de -- Republika Srpska begeht Staatsjubiläum: Gedrückte Stimmung in Ban… | |
> Die bosnische Teilrepublik feiert mit viel Pomp, steht aber kurz vorm | |
> Bankrott. Die angedrohte Abspaltung des Landes von Bosnien blieb | |
> allerdings aus. | |
Bild: Angehörige der Polizeieinheiten bei der Parade in Banja Luka am 9. Janua… | |
BANJA LUKA taz | Es sollte ein Großereignis werden und war mit | |
entsprechendem Pomp angekündigt: der Tag der Gründung der Republika Srpska | |
Bosna, der sich am 9. Januar zum 32. Mal jährte. | |
Doch anders als vom Regime erwartet drängten sich die Menschen in der | |
inoffiziellen Hauptstadt Banja Luka keineswegs, um dem teuren Spektakel aus | |
Lichtshows und patriotischer Musik teilzunehmen. Dabei hatte [1][der | |
Präsident des serbisch dominierten Teilstaates Republika Srpska, Milorad | |
Dodik], den Zuschauern und den geladenen Gästen etwas bieten wollen, um | |
sich so selbst angemessen in Szene setzen zu können. | |
## Erklärt Dodik die Republika Srpska für unabhängig? | |
Mit Spannung wurde der Aufmarsch der Truppen der serbischen Extremisten am | |
9. Januar in Banja Luka erwartet. Würde Dodik es diesmal wagen, [2][seine | |
Teilrepublik für unabhängig zu erklären]? Und damit internationale | |
Spannungen oder sogar einen Krieg heraufbeschwören? Oder würde er | |
letztendlich doch wieder klein beigeben und doch noch für einen Ausgleich | |
mit der bosniakischen und kroatischen Bevölkerungsmehrheit in Bosnien und | |
Herzegowina sorgen? | |
Als am Dienstag um 17 Uhr bei klirrender Kälte die Parade begann, war | |
darüber noch nicht entschieden. Auf dem Hauptplatz der knapp 200.000 | |
Einwohner zählenden Stadt war ein Podest für die Staatsführung und die | |
Prominenz aufgebaut, an dem die bewaffneten Kräfte und Unterstützer des | |
Regimes vorbeimarschieren sollten. Schon am Vorabend war das Gelände von | |
der Polizei hermetisch abgeriegelt worden. Schmale Zugänge sollten den | |
Veranstaltern garantieren, dass es nicht zu unliebsamen Zwischenfällen | |
kommen würde. Den Zuschauern blieb ein kleiner Streifen hinter der | |
Pressebühne. | |
Doch der Großteil der geladenen internationalen Gäste war zu dem Event erst | |
gar nicht angereist. Einzig der russische Botschafter war gekommen. Doch | |
weder der Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, noch der heiß umworbene und | |
Dodik wohlgesonnene ungarische Präsident Victor Orbán ließen sich blicken. | |
Nicht einmal die serbienfreundliche politische Führung aus Montenegro war | |
nach Banja Luka gekommen. Dass selbst die serbisch-orthodoxe Welt, Serbien, | |
Russland und die orthodoxe Kirche, den Schulterschluss mit ihm vermied, war | |
für Dodik eine Niederlage. Westliche Diplomaten boykottierten die | |
Veranstaltung ohnehin. | |
## Den Menschen ist nicht nach Feiern | |
Und auch die Parade war enttäuschend. Zwar liefen die Menschen brav die | |
Straße entlang, doch weder bei den Studierenden noch bei den | |
Feuerwehrleuten oder den Müllwerkern kam Stimmung auf. Nicht einmal die aus | |
Russland [3][mit einer Putin-Flagge angereiste Motorradgang Nachtwölfe] | |
sorgte für Stimmung. Die Polizeieinheiten und die Antiterrortruppe gerieten | |
zudem leicht aus dem Takt. Und auch die regimetreuen Zuschauer, die aus | |
ländlichen Gebieten angekarrt worden waren, verhielten sich ruhig. Die | |
nationalistischen Parolen zündeten nicht. | |
Die städtische Bevölkerung war gar nicht erst gekommen. In Feierstimmung | |
sind diejenigen, die unter dem ökonomischen Niedergang des Landes leiden, | |
nicht. Denn die serbische Teilrepublik ist eigentlich bankrott. Viele | |
Menschen verlassen das Land, ganze Landstriche leeren sich. Kleinstädte | |
verfallen zusehends, jetzt droht dieses Schicksal auch den Städten Prijedor | |
und Doboi, die bisher noch ein wenig für wirtschaftliches Wachstum sorgten. | |
Von den angeblich 1,2 Millionen Serben im Land sind nach Schätzungen | |
internationaler Organisationen noch etwa 800.000 übrig. | |
Um den Staatsbankrott zu verhindern, versucht Dodik mit allen Mitteln, den | |
Besitz des gemeinsamen Gesamtstaates unter seine Kontrolle bekommen. Dazu | |
gehört auch die Drohung mit der Sezession und der Spaltung des Landes | |
Bosnien und Herzegowina, von der er am Dienstag in Banja Luka nicht mehr | |
sprach. | |
## Unabhängigkeit als Überlebensfrage | |
Beim Friedensabkommen in Dayton 1995 wurde dem serbischen Teilstaat zwar 48 | |
Prozent der Fläche Bosnien und Herzegowinas zugesprochen, der Staatsbesitz | |
blieb unter dem Schirm des gemeinsamen Gesamtstaates. Die Unabhängigkeit | |
der Republika Srpska vom Gesamtstaat ist also eine Überlebensfrage für ihn | |
und seine Herrschaft. Deshalb hat er in „seiner“ Teilrepublik Gesetze | |
erlassen, die alle diejenigen kriminalisieren, die ihre Stimme gegen das | |
Regime erheben. Auch ausländische Medienvertreter können zu „Feinden der | |
Republika Srpska“ erklärt werden. Mit den von ihm im Parlament der | |
Republika Srpska durchgesetzten Gesetzespaket soll das Referendum zur | |
Loslösung aus dem Gesamtstaat erleichtert werden. | |
Das bedeutete aber, bewaffnete Auseinandersetzungen in Bosnien | |
heraufzubeschwören. Das kann von den USA und der EU nicht geduldet werden, | |
gerade weil Russland den Konflikt befeuern kann. Es kommt jetzt also auf | |
die feste Haltung der westlichen Mächte an. Werden sie wie bisher Dodiks | |
Treiben zusehen oder doch noch eingreifen? Immerhin [4][besitzt der Hohe | |
Repräsentant die Macht, dem Spiel Dodiks ein Ende zu bereiten]. Die | |
Bevölkerung in Banja Luka, so scheint es, steht nicht mehr eindeutig hinter | |
ihm. | |
10 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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