# taz.de -- Die Kunst der Woche: Sich selbst im Bauch | |
> Angespülte Fische, verschmolzene Architekturen und knallende Skulpturen: | |
> die Installationskünstlerin Elisa Duca zieht Räume und Welten zusammen. | |
Bild: Was konserviert ist, kann wieder schmelzen: Arbeiten von Elisa Duca | |
Es ist, als sei eine Gruppe Tiefseefische aus dem Meer empor gestiegen und | |
bis in die [1][Galerie im Saalbau] hinaufgeschwommen. Nur einige von ihnen | |
haben es in die Nähe der zwei dekonstruierten Teichbecken geschafft, die | |
jedoch anstelle von Wasser Videoscreens beherbergen. Manche der Fische | |
gelangten nur noch bis zum Sand, der hier ausgeschüttet ist. Über den | |
Teichwannen hängen durchsichtige Klarsichtbeutel, aus denen vielleicht noch | |
eine rettende Flüssigkeit tropfen könnte, doch dann ist der bunte Schleim, | |
der langsam aus kleinen Öffnungen tritt, scheinbar in der Luft zum | |
Erstarren gekommen. Wie ein im Moment festgehaltener Faden aus Motoröl. | |
Zwischen Schwarzlichtröhren, die die Künstlerin [2][Elisa Duca] ihrer | |
Rauminstallation hinzugefügt hat, geben die aquatischen Tiere ein | |
schimmerndes Neonlicht in den Raum ab. Ähnlich den Leuchtorganen der Tiere | |
der Tiefsee, tragen die abgegossenen Silikonfische, um die es sich hier | |
handelt, Leuchtendes im Innern. Wobei es hier Kabel, Wolle, Datenträger und | |
etwas Moos sind, die sie sich einverleibt haben. | |
Die leuchtenden Farben und Schnüre sind die Potenzierung der netzartigen | |
Elemente, mit denen Elisa Duca [3][2017 als Goldrausch-Stipendiatin] in | |
ihrer immer weiter wachsenden performativen Installation „Netz“ das | |
Kunstquartier Bethanien in Berlin-Kreuzberg bespielt hatte. Mal | |
großmaschig, mal dicht wie bei einem Gemüsestrumpf aus dem Supermarkt, fing | |
sie mit diesem Netz Elemente der Umwelt ein und entließ sie zurück in den | |
Raum. Einer der Fische im Saalbau in Neukölln trägt sich nun selbst | |
tausendfach umher – in seinem Bauch tummeln sich die kleinen | |
Plastikfläschchen für Sojasauce, die der Künstlerin in der Vergrößerung f�… | |
ihre Abgüsse dienten. | |
Verschmelzen, bei gleichzeitigem Herauslösen. Dieses Thema zieht sich durch | |
die Ausstellung, deren Titel „Soy Dreams“ auf die Träume besagter Fische | |
hinweist, aus ihrer Perspektive wohl eher Albträume, sind wir als Menschen | |
doch zu allen Impulsen gleichzeitig fähig: sie einfangen, in Aquarien | |
halten, tiefkühlen, essen und freilassen zu wollen. Und so erinnert das | |
kleine fischförmige Sojafläschchen an die Werbeschilder von Metzgereien, in | |
denen ein Schwein schon Messer und Gabel bereit hält, um gleich gegessen zu | |
werden. Oder sich sogar selbst zu essen, so klar ist das nie. | |
## Wo Architektur aus der Achse kippt | |
Die Miniatur und das Puppenhaus, sie sind eng verwandt. In der weiteren | |
Ausstellung verschmelzen in Videosequenzen („Sweet Cosmic City“, 2023) dann | |
sogar ganze Puppenstädte zu animierten Architekturfragmenten. Die | |
Künstlerin, die sich schon länger für [4][große Städte und ihre Kieze] | |
interessiert, hat 3-D-Scans von Gebäuden angefertigt und diese in die | |
Arbeit gespeist. Spätifronten, Schriftzüge von Imbissbuden und Werbeflächen | |
an Hauswänden aus den Metropolen Hong Kong und Berlin kreisen umeinander | |
und drehen sich um die eigene Achse: gestapelte Waffeln, Uhren, ein kleiner | |
pinker Antiheld, geschichtete Brezeln, Logos von 7- Elevens. Alles fällt | |
durch den Raum, dreht sich, beschleunigt, bis sich das Konglomerat | |
zusammenzieht und schließlich im Nichts verschwindet. Nur um sofort wieder | |
Fahrt aufzunehmen. Kurz sind wir scheinbar am Alexanderplatz in Berlin: Ein | |
U-Bahn-Eingang mit den Schildern U2, U5, U8 rauscht vorbei, bevor er in der | |
Spirale mit anderen Architekturfetzen verschwimmt. | |
An den Seiten zerbröckelt alles, die Spur führt zu bedruckten Samt- und | |
Gazebahnen, auf denen die gleichen Bruchstücke einmal durchs Kaleidoskop | |
gejagt schließlich im vorderen Raum [5][der kommunalen Galerie] als Mosaike | |
zur Ruhe kommen. Daneben summt schon der Kühlschrank aus dem nächsten | |
Kiosk. Im Innern wachsen blaue Haarsträhnen aus bunten Epoxidharzskulpturen | |
heraus, die von einer minimalistischhen Wasserflasche abgegossen wurden. | |
Zwischen Eisblöcken aus dem gleichen Guss wird sie konserviert, diese | |
abstrahierte Armee von aus der Haut gefahrenen, sich selbst überschlagenden | |
My Little Ponies. Fast meint man, den künstlichen Erdbeergeruch zu riechen, | |
dazu eine Brise aus Salzersatz. | |
Unweit sind wir fast gänzlich im virtuellen Raum: Die aufblasbaren, | |
überdimensionalen Skulpturen auf Straßen und Gehwegen, die hier auf einem | |
Bildschirm gezeigt werden, sind auch als Miniabzüge über den Boden | |
verteilt. Sie entstammen einem Programm, das die Künstlerin mit Bildern | |
ihrer Objekte gefüttert und um Vorlagen für neue Skulpturen gebeten hat. | |
Die luftgespeisten Objekte, sie verschlucken Handys, auf denen Bilder von | |
Pflanzen und anderen organischen Gewächsen zu sehen sind. | |
Ist die Abbildung – von einem Tiefseefisch oder einer Meerespflanze – | |
irgendwann das einzige, was nach dem Anthropozän bleibt? Einige der Fische | |
haben hier jedenfalls schon mal gelernt, sich in Regalen, zwischen | |
Pflastersteinen und in Treppenhäusern zurechtzufinden. | |
13 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://galerie-im-saalbau.de/de | |
[2] http://elisaduca.de/ | |
[3] /Ausstellungsempfehlung-fuer-Berlin/!5444576 | |
[4] /Archiv-Suche/!5294176&s=elisa+duca&SuchRahmen=Print/ | |
[5] /Neukoellner-Kunstpreis-verliehen/!5771082 | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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