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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Bedeutend im Bild
> Leanne Shapton malt Alltägliches und übersetzt es in neue Situationen.
> Isabell Heimerdinger nähert sich postkolonialen Lücken und Fragmenten.
Bild: Leanne Shapton, „Ceramic Rabbit Tureen“ (2021)
„Nach Bildern – Painted from pictures“ heißt Leanne Shaptons Ausstellung…
der Galerie [1][Thomas Fischer]. Es ist ihre erste Ausstellung in
Deutschland, erstaunlich, denn die kanadische Künstlerin und Autorin hat
hier seit 2010 bereits sieben Bücher veröffentlicht. In der Übersetzung von
Rebecca Casati erschien im November im [2][Aufbau Verlag] ihr längst zum
Kultbuch avancierter Auktionskatalog „Bedeutende Objekte und persönliche
Besitzstücke aus der Sammlung von Lenore Doolan und Harold Morris …“,
eigentlich eine fiktive Liebesgeschichte.
Und im selben Monat kam bei [3][Hanser] „Eine Frau und ein Mann“ heraus,
wofür Shapton und Niklaus Maak die Autofahrten berühmter Filmpaare in
legendären Filmen nachgefahren sind; etwa von Deauville nach Paris wie
einst Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant 1966 in Claude Lelouches
oscarprämiertem Film „Ein Mann und eine Frau“.
Maak schrieb seine dabei gemachten Beobachtungen auf, Shapton skizzierte
ihre mit Aquarellfarben sehr frei auf Papier. Bei aller Abstraktion meint
man aber hier doch die volle Autobahn zu erkennen und dort den Strand, wie
er sich weit zum Meer hin erstreckt.
Die Bilder nach Bildern, die nun in der Ausstellung bei Thomas Fischer zu
sehen sind, kommen dagegen ohne Umschweife zur Sache. Da ist der blaugrüne
Rock von Givenchy, der schwarze Badeanzug aus den 1970er Jahren oder die
hübsche Hasenterrine. Alles Dinge, die fotografiert wurden, um sie auf ebay
oder ähnlichen Plattformen zu verkaufen. Die Aufnahmen, die Leanne Shapton
in Malerei übersetzt, sind amateurhaft fotografiert, wobei sich die
Verkäufer durchaus Mühe geben, die angepriesenen Gegenstände ins rechte
Licht zu rücken und bis ins Detail zu würdigen.
Die Fotografien sind eine Art Idiom im Verkaufsgespräch von Privat zu
Privat. Obwohl pragmatisch gedacht, möchten die Bilder auch verführen und
den ursprünglichen Glamour und Wert des Objekts, der heute manchmal noch
höher sein kann, visuell unmissverständlich vermitteln. Die nach solchen
Fotos meist mit Acryl auf Karton, Holz oder Leinwand gemalten Kleinformate
von Leanne Shapton sind der Versuch, diese besondere Sprache zu studieren.
Die Künstlerin will dahinter kommen, was die Konventionen sind und wie sich
das Begehren überträgt.
Und wie bei den Autofahrten entführen uns ihre Bilder, obwohl sie doch
völlig im Alltäglichen bleiben, auch bei diesem Versuch, in eine ganz
andere, reizvollere Welt, weil sie mit der Art, wie sie die Farbe mit ihrem
Pinselstrich in die Fläche bringt, mehr als nur Sichtbarkeit vermittelt,
nämlich die fühlbaren Qualitäten einer Situation, eines Raums oder Objekts.
## Wenn die Natur unverfügbar ist
In eine ganz andere Welt entführt auch Isabell Heimerdinger die Besucher
und Besucherinnen bei [4][Mehdi Chouakri]. In dieser Welt wird seit 1471
Portugiesisch gesprochen. Damals landete der Seefahrer João de Santarém auf
den Afrika vorgelagerten Inseln São Tomé und Príncipe. Hier entstand
Heimerdingers 42-minütiger Film „On Days of Clear, Perfect Light“ (2022),
der das Zentrum der Ausstellungsinstallation bildet, mit an Bambus
aufgespießten Vogelaquarellen und verschiedenfarbigen Leuchtstoffröhren à
la Dan Flavin, die Heimerdinger allerdings wieder in Form von Bambus sieht.
Wir befinden uns in einer besonderen Welt, das wird selbst in der schwarzen
Finsternis der nächtlichen Anreise sichtbar, wenn das Licht der
Taschenlampe über die dichte, tropische Vegetation gleitet oder eine
Riesenschildkröte, die gerade ihre Eier im Sand vergräbt. Tatsächlich
spielt die Natur mit ihren Bewegungen und Geräuschen die Hauptrolle in
diesem Film, der selbst mit Satzeinblendungen argumentiert.
Hat man sich erst einmal auf den Sound des Winds und der Wellen in der
Brandung, auf das Ächzen der Bäume und das Gezwitscher und Geplapper der
Vögel eingelassen, erkennt man – gerade an den Tagen mit klarem perfekten
Licht –, dass die schlanken Palmen, wie sie vor dem Hintergrund des
hellblauen Meeres aus dem weißen Sand ragen, kein Kitsch sind, sondern
erhabene Natur, prachtvolle, unverfügbare Natur. Trotz aller
Touristenprospektpalmen.
Heimerdinger beobachtet die Menschen an diesem Ort in den Tropen, der im
Film nicht wirklich lokalisiert wird, bei der Arbeit auf der
Zuckerrohrplantage, beim Wäschewaschen am Fluss oder beim Spiel mit einer
gewissen Scheu, die nicht schüchtern, sondern selbstkritisch ist.
So sieht sie auch die schlafenden Hunde am Morgen inmitten der
„pastellfarbenen Brüchigkeit“ der portugiesischen Kolonialarchitektur wie
Renate Wiehager im Begleittext zur Ausstellung schreibt. „Dies ist für mich
die Essenz des Films“, zitiert Wiehager die Künstlerin, „der Versuch einer
Annäherung und gleichzeitig das Scheitern daran. Das bewusste Ausblenden
bekannter Klischees, historischer Fakten, des ganzen postkolonialen
Diskurses. Die Erkenntnis, dass sich doch nichts ausblenden lässt. Das
Unausgesprochene (im wahrsten Sinne des Wortes), die Lücken.“
3 Feb 2024
## LINKS
[1] https://galeriethomasfischer.de/
[2] https://www.aufbau-verlage.de/aufbau/bedeutende-objekte-und-personliche-bes…
[3] https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/eine-frau-und-ein-mann-97834462…
[4] https://mehdi-chouakri.com/isabell-heimerdinger-fasanenplatz-2024/
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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