# taz.de -- Ökonomin zum Gender Pay Gap: „Homeoffice kann zur Hölle werden�… | |
> Sie ist erst die dritte Frau mit Wirtschaftsnobelpreis: US-Ökonomin | |
> Claudia Goldin zur Erwerbsbeteiligung von Frauen – und zu Problemen ohne | |
> Namen. | |
Bild: Die Ökonomin Claudia Goldin | |
taz: Frau [1][Goldin], in Ihrem Buch „Career and Family“ schreiben Sie über | |
„problems with no name“. Was sind die Probleme unserer Zeit, die „keinen | |
Namen“ haben? | |
Claudia Goldin: Auch wenn Frauen und Männer denselben Vertrag haben, | |
[2][verdienen sie nicht immer das Gleiche]. Nehmen wir als Beispiel einen | |
Bahnarbeiter und eine Bahnarbeiterin. Beide erhalten das gleiche Gehalt, je | |
nach Dienstalter. Doch es kommt zu Abweichungen, weil Frauen zum Beispiel | |
weniger unbequeme Schichten übernehmen können. Jedoch gibt es Zuschläge, | |
wenn man an Feiertagen arbeitet oder Nachtschichten übernimmt. Männer | |
verdienen also mehr als Frauen in der gleichen Position, weil sie flexibler | |
Schichten übernehmen können. | |
Woran liegt das? | |
Wenn man sich um Kinder kümmern muss, ist man seltener in der Lage, die | |
späte oder die Sonntagsschicht mit Zulagen zu nehmen. Wir sehen an diesem | |
Beispiel, dass Ungleichheit zwischen den Geschlechtern trotz gleicher | |
Rahmenbedingungen bestehen bleiben kann. Bei Alleinerziehenden wird der | |
Unterschied beim Lohn noch weiter verstärkt. | |
Obwohl auf den ersten Blick alle in derselben Position gleich bezahlt | |
werden. | |
Ja, das hat auch mit den Herausforderungen zu tun, die vor allem Frauen in | |
Bezug auf die Care-Arbeit haben. Während der Pandemie wurde vielen | |
plötzlich die Bedeutung des Pflegesektors bewusst, die Bedeutung der | |
Bildungseinrichtungen. Schulen sind nicht nur Orte, an denen Kinder lernen, | |
sie werden dort auch tagsüber betreut. So können viele Firmen produktiver | |
sein. Als Kinder plötzlich zu Hause bleiben mussten, waren viele | |
Arbeitnehmer zunächst weniger produktiv. Vor allem aber hatten Frauen eine | |
höhere Belastung. | |
Wie hat sich die Care-Arbeit durch die [3][technologischen Entwicklungen] | |
verändert? | |
Historisch gesehen hat sie sich stark verändert. Wenn wir ins 19. | |
Jahrhundert zurückgehen würden, hätte die Pflegearbeit Aspekte, über die | |
wir heute gar nicht mehr nachdenken. Wir müssen uns heute nicht mehr | |
fragen, ob Wasser da ist oder ob man Wasser holen muss, um es in die | |
Toilette zu gießen. Und es gibt weitere ungelöste Probleme. Wir sollten | |
nicht nur über die Pflegearbeit sprechen, sondern auch über Gesundheit und | |
Fruchtbarkeit. Wer sich um Kinder kümmert oder schwanger ist, dessen | |
Möglichkeiten verändern sich schon ziemlich stark. | |
Frauen können heute in vielen Berufen auch von zu Hause aus arbeiten. Hilft | |
das nicht? | |
Die Arbeit von zu Hause hat neue Möglichkeiten eröffnet. Ich denke da an | |
meine wissenschaftliche Assistentin, die jetzt zwei Tage pro Woche zu Hause | |
arbeiten kann. Sie kann deshalb von einer teuren Gegend in Cambridge in | |
eine viel günstigere, weil weiter entferntere Wohnung ziehen. Und die | |
gleiche Arbeit verrichten, nur effizienter. Die Arbeit von zu Hause aus | |
bringt also viel Neues mit sich. Doch es gibt auch den berechtigten Grund | |
zur Sorge, dass das Homeoffice zur „WFH: Work from Hell“ – Arbeit aus der | |
Hölle – werden kann. | |
Wie lässt sich das verhindern, zum Beispiel, dass viele zu Hause ohne Pause | |
arbeiten? | |
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Veränderung auch negative | |
Aspekte mit sich bringen kann, die wir korrigieren müssen. Wir sollten das | |
Gute von Veränderungen annehmen und den schlechten Teil erkennen und | |
verbessern. Oft wird – wie am Beispiel Homeoffice deutlich wird – nicht | |
wirklich darüber nachgedacht, ein neues Gleichgewicht zu koordinieren. | |
Und die Männer? Wie wichtig ist es für Väter, Zeit mit ihren Kindern zu | |
verbringen? | |
Ich lese oft von Männern, die Großväter sind und sagen: „Seht, was ich | |
verpasst habe, und es tut mir leid.“ Aus sozialen Zwängen auszubrechen ist | |
eine Herausforderung. Wenn man in einem Büro aus den Zwängen ausbricht, in | |
dem niemand sonst aus den Zwängen ausbricht, wird man zum Außenseiter und | |
könnte als weniger produktiv angesehen werden. Auch hier brauchen wir ein | |
besser koordiniertes Gleichgewicht. | |
In Ihrem Essay „The Economist as Detective“ von 1998 betonen Sie, wie | |
wichtig genaues Hinsehen und Hinterfragen ist. Warum ist es gerade für | |
Frauen wichtig, Autoritäten zu hinterfragen? | |
Es ist für jeden wichtig, alles zu hinterfragen. Wir sollten den | |
Ist-Zustand immer hinterfragen, wenn wir das Gefühl haben, dass uns nicht | |
zugehört wird oder wir beiseite geschoben werden. Wir sollten einfach viel | |
selbstbewusster sein. | |
2 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Nobelpreis-fuer-feministische-Oekonomie/!5962316 | |
[2] /Gender-Pay-Gap-in-der-EU/!5973154 | |
[3] /Report-aus-der-Zukunft/!5945900 | |
## AUTOREN | |
Klaudia Lagozinski | |
## TAGS | |
Gleichberechtigung | |
Gender Studies | |
Gender Pay Gap | |
Gender Pay Gap | |
Statistisches Bundesamt | |
Kolumne Kinderspiel | |
Gender Pay Gap | |
Gehälter | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Equal Pay Day: Bis zum 6. März umsonst gearbeitet | |
Trotz aller Kampagnen verdienen Frauen immer noch weniger als Männer. 2023 | |
bekamen sie für die gleiche Arbeit im Schnitt 6 Prozent weniger Geld. | |
Arbeitsteilung im Alltag: Frauen sind stets „on the job“ | |
Addiert man unbezahlte und bezahlte Arbeit, sind Frauen etwas fleißiger als | |
Männer. Das ergab eine Studie zur Zeitverwendung in Haushalten. | |
Kaum Stipendien für schreibende Mütter: Kein Platz im Turmzimmer | |
Es gibt unzählige Stipendien für Autor*innen. An schreibende Mütter wird | |
nicht gedacht, an Alleinerziehende schon gar nicht. Das muss sich ändern. | |
Gender Pay Gap in der EU: Frauen bekommen 13 Prozent weniger | |
Für jeden Euro, den ein Mann verdient, erhalten Frauen in der EU 87 Cent. | |
Brüssel verspricht, an der Schließung des Gender Pay Gaps zu arbeiten. | |
Einkommen im Kulturbetrieb: Weiterhin prekär | |
Die Gehälter im Kulturbetrieb sind mit die schlechtesten. Eine neue Studie | |
des Deutschen Kulturrats weist zudem auf einen Gender-Pay-Gap hin. |