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# taz.de -- Nachruf auf Henry Kissinger: Der Kriegs-Nobelpreisträger
> Henry Kissinger war nicht nur ein geschickter Stratege der
> US-Außenpolitik. Für die Interessen seines Landes ging er immer wieder
> über Leichen.
Bild: Früherer US-Außenminister Henry Kissinger ist mit 100 Jahren gestorben
Sie werden ihn preisen: Kissinger, der gewiefte Stratege, der
Friedensnobelpreisträger, der Staatsmann, der Vermittler in globalen
Krisen. Gefragter Interviewpartner von Spiegel bis ZDF, von der FAZ bis zur
Zeit, die mit Helmut Schmidt den größten Kissinger-Fan als Herausgeber
hatte. Auch Hillary Clinton bewunderte als Präsidentschaftskandidatin seine
profunden China-Kenntnisse. Bundespräsident Steinmeier gab anlässlich
dessen 95. Geburtstages Kissinger zu Ehren im Juni 2018 ein Essen im
Schloss Bellevue, Friede Springer und Joschka Fischer aßen mit. Und auch
Mathias Döpfner hing noch im April 2021 für ein großes Welt-Interview an
den Lippen des damals bereits fast 98-Jährigen.
„Er ist doch der Darling des Establishments“, sagte einmal der Historiker
Howard Zinn. „All diese Leute, die ihn zum Dinner eingeladen haben – die
wollen doch nicht sagen, dass sie mit einem Kriegsverbrecher zu Abend
gegessen haben.“ Nur wenige wollten dem Fan-Club nicht angehören: Der
demokratische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders sagte im Februar 2016
in einer Debatte mit Hillary Clinton: „Ich bin stolz darauf, sagen zu
können, dass ich nicht mit Henry Kissinger befreundet war.“ Denn der sei
„einer der zerstörerischsten Außenminister in der jüngeren Geschichte“ d…
USA gewesen.
Auch Wolodimir Selenski reagierte überaus verärgert auf einen Vorschlag,
den Henry Kissinger im Mai 2022 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos
machte: Die Ukraine solle doch die Krim sowie die Gebiete in Donezk und
Luhansk an Russland abtreten, denn andernfalls drohe ein Krieg zwischen
Russland und der Nato. „Man hat den Eindruck,“ sagte Selenski, „dass Herr
Kissinger nicht das Jahr 2022 auf seinem Kalender stehen hat, sondern das
Jahr 1938, und dass er glaubt, er spreche nicht in Davos, sondern in
München zu einem Publikum von damals.“ 15 Monate später riet Kissinger dann
plötzlich, die Ukraine in die Nato aufzunehmen. Denn anders sei Europas
Sicherheit nicht gewährleistet, sagte er dem Economist.
Kissinger war zuletzt nur ein leises Echo aus der Zeit des Kalten Krieges,
als die Welt übersichtlich aufgeteilt war. Sein grummelnder Bass beschwor
eine Ära, als internationale Politik in Schwarz-Weiß über die Bildschirme
flimmerte. Die schicksalhaften Gespräche im Oval Office, die 1974 Nixons
Sturz über die Watergate-Affäre auslösten und an denen Kissinger oft
beteiligt war, hatte Nixon noch heimlich auf einem Spulen-Tonbandgerät
mitgeschnitten. Bei einem dieser Dialoge ging es 1973 um Bundeskanzler
Willy Brandt. Der sei ein Trottel, fand Nixon, ein Bastard, ein Hundesohn.
Ein Trottel, ja, und gefährlich, fügte Kissinger hinzu. Es sei schade, dass
die Geschwulst an Brandts Hals wohl doch nicht so schlimm sei.
Der zeitliche Abstand hat das andere, nicht ehrenhafte Bild des Strategen
Kissinger schärfer und umfassender werden lassen. Viele Dokumente, die er
gern auf ewig unter Verschluss halten wollte, sind zugänglich geworden. Und
so kennen wir heute die Rolle, die Kissinger in seinen Regierungsämtern
zwischen 1969 und 1976 bei der Operation Condor, beim Putsch in Chile oder
in der Endphase des Vietnamkrieges spielte, recht genau. „Grob
überschlagen, kommen da vielleicht drei bis vier Millionen Tote zusammen“,
schreibt der Kissinger-Biograph Greg Grandin.
Dies führte dazu, dass gegen Kissinger in einigen Ländern juristische
Vorladungen ausgestellt wurden – und er diese Staaten fortan auf Reisen
mied. [1][Deutschland] zählte nicht dazu. Aber der Plan des damaligen
Verteidigungsministers Thomas de Maizière, den amerikanischen Freund 2014
zum 90. Geburtstag mit einer Henry-Kissinger-Professur für Internationale
Beziehungen und Völkerrechtsordnung an der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu ehren, scheiterte an Protesten der
Studierenden und Zweifeln [2][im Bundestag]. Einige Abgeordnete nahmen
Kissinger seine despektierliche Bewertung Willy Brandts übel, nachdem der
Spiegel sie veröffentlicht hatte.
## Er steht für die Ausübung skrupelloser Macht
Er steht wie kaum ein anderer in der Geschichte der Vereinigten Staaten
seit dem Zweiten Weltkrieg für die [3][Ausübung skrupelloser Macht] – einer
Macht, die sich sicher wähnte, von niemandem kontrolliert werden zu können.
Allein den Interessen der USA zu dienen und das Vordringen des Kommunismus
zu verhindern, war ihre Maxime. Darin war sich Kissinger mit Richard Nixon,
dem er von 1968 bis 1974 als Außenminister und Sicherheitsberater diente,
einig. Nixon und Kissinger – das war die perverse Allianz zweier von sich
selbst überzeugter Machtmenschen.
Kissinger hatte einen großen Teil seiner Familie im Holocaust verloren und
nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gefangene Nazis verhört. Doch er
ertrug den offenen Antisemitismus Nixons, der Kissinger als seinen
„Jewboy“, seinen Judenbengel, bezeichnete, mit Gleichmut. Kissinger hatte
am Anfang keine hohe Meinung von Nixon. Noch im Juli 1968 nannte er ihn
„den gefährlichsten unter allen Präsidentschaftskandidaten“, doch wenige
Monate später wurde er dessen Nationaler Sicherheitsberater. Als Nixon 1974
vor dem Ende seiner Präsidentschaft stand und angesichts der drohenden
Amtsenthebung an Depressionen litt und sich in Alkohol flüchtete, riss
Kissinger wiederholt dessen Befugnisse an sich.
Schon 1983 sezierte der New York Times-Reporter Seymour Hersh Kissingers
Karriere in „The Price of Power“. 2001 veröffentlichte der britische
Journalist Christopher Hitchens mit dem Buch „The Trial of Henry Kissinger“
eine Anklageschrift, die ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit in Südostasien und in Lateinamerika vorwarf. Und das
National Security Archive in Washington, ein unabhängiges
Forschungsinstitut, das seit über 30 Jahren für die Freigabe brisanter
Dokumente zur US-Außenpolitik streitet, konnte nach einem langen
Rechtsstreit Forschern auf 30.000 Seiten Kissingers Telefonate zwischen
1969 und 1977 zur Verfügung stellen. Kissinger selbst hatte sie
mitgeschnitten und von seiner Sekretärin transkribieren lassen. Freilich
hatte er nicht beabsichtigt, dass sie noch zu seinen Lebzeiten zugänglich
sein würden.
Auf diesen Bändern fand sich 2010 auch Kissingers Reaktion auf die 1973
ausgesprochene Bitte der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir,
Moskau zu drängen, mehr sowjetische Juden ausreisen zu lassen. Nach dem
Besuch Meirs sagte er zu Nixon: „Die Auswanderung von Juden aus der
Sowjetunion ist kein Ziel der amerikanischen Außenpolitik. Auch wenn sie
Juden in Gaskammern stecken, ist das keine amerikanische Angelegenheit.
Vielleicht ist es eine humanitäre Angelegenheit.“ Die Amerikanische
Versammlung der Holocaust-Überlebenden nannte Kissingers Aussage „moralisch
grotesk“.
## Doppelzüngigkeit in Vietnam
Im Herbst 1968, der Demokrat Lyndon Johnson war noch Präsident und Nixon
der Kandidat der Republikaner bei der anstehenden Wahl, hatte Kissinger gar
kein Regierungsamt inne. Doch er mischte schon im Hintergrund bei den
Pariser Verhandlungen um ein Friedensabkommen in Vietnam mit. Der
weitgereiste Harvard-Professor beriet die US-Delegation – und gab
gleichzeitig unter der Hand Interna an das Nixon-Lager weiter, wie dieser
Jahre später in seinen Memoiren bestätigte. Nixons Leute konnten so die
Verhandlungen hintertreiben, indem sie die Südvietnamesen drängten, vor der
Wahl in den USA keinem Abkommen zuzustimmen. Wenn Nixon gewonnen habe,
werde er ihnen bessere Bedingungen für einen Waffenstillstand verschaffen.
Johnson bekam damals Wind von der Geheimdiplomatie des Nixon-Lagers und
beschwerte sich telefonisch beim republikanischen Senatsführer Everett
Dirksen. Dies sei Hochverrat, schäumte Johnson. Dirksen antwortete: „Ja,
ich weiß“. Christopher Hitchens bilanziert in seinem Buch: Das Scheitern
der Verhandlungen habe den Krieg um vier Jahre verlängert und 31.000
US-Soldaten und etwa eine halbe Million Vietnamesen das Leben gekostet.
Beendet wurde er dann zu den Bedingungen, die im wesentlichen schon 1968
auf dem Tisch gelegen hatten.
Im [4][März 1969 weiteten die USA den Konflikt auf Kambodscha und Laos
aus.] Mit Direktive Kissingers wurden – unter strikter Geheimhaltung –
allein bis Mai 1970 Stützpunkte des Vietcong und der Nordvietnamesen in
Kambodscha aus der Luft bombardiert. Kissinger verteidigte sich später:
Kambodscha sei nicht mehr neutral gewesen, da es den Kriegsgegnern der USA
Unterschlupf gewährt hatte. Vor einem Senatsausschuss behauptete er dann,
die bombardierten Gebiete seien „unbevölkert“ gewesen. Er wusste, dass das
gelogen war. Kurz vor seinem 100. Geburtstag sagte er in einem TV-Interview
mit Ted Koppel gereizt: „Sie müssen wissen: Es war eine notwendige Sache.“
Dabei war im Kongress die Empörung groß, als bekannt wurde, dass die
Luftangriffe, die sich auf halb Kambodscha und Laos ausgeweitet hatten, all
die Zeit vor den Abgeordneten geheimgehalten worden waren. Auf jedes dieser
beiden Länder fielen bis 1973 mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben – mehr,
als die US-Luftwaffe im gesamten Zweiten Weltkrieg abgeworfen hatte.
Niemand war in der Lage, die Toten zu zählen. Bei den Bombardements starben
nach Hitchens’ Angaben etwa 350.000 Menschen in Laos und bis zu 600.000 in
Kambodscha. Kissinger selbst schreibt in seinen Memoiren von 50.000 toten
Kambodschanern.
Der geheime Bombenkrieg gegen Kambodscha, der das Land ruinierte und den
Weg für den Genozid der Roten Khmer bereitete, sollte 1974 nach dem Willen
vieler Abgeordneter zu einem weiteren Anklagepunkt im
Amtsenthebungsverfahren gegen Nixon werden. Das war ein Jahr, nachdem
Kissinger und seinem nordvietnamesischen Gegenpart Le Duc Tho der
Friedensnobelpreis zuerkannt worden war. Der Dokumentarfilmer und Koch
Anthony Bourdain schrieb 2001: „Wenn Du einmal in Kambodscha gewesen bist,
wirst Du nie wieder den Wunsch los, Henry Kissinger mit bloßen Fäusten zu
Tode zu prügeln.“
## Unverantwortliche Chilenen
[5][Im September 1970 gewann in Chile Salvador Allende die
Präsidentschaftswahl] mit 36,2 Prozent knapp vor dem Zweitplazierten. Sein
Sieg wurde erst nach zwei Monate dauernden Verhandlungen zwischen Allendes
Unidad Popular und den Christdemokraten in Chiles Parlament bestätigt.
Nixon und Kissinger setzten alles daran, Allendes Amtseinführung zu
verhindern. Der US-Geheimdienst CIA hatte schon seit 1962 konservativen
Parteien und der rechten Zeitung El Mercurio Geld zukommen lassen. „Wir
können doch nicht stumm zuschauen, wie ein Land kommunistisch wird, weil
seine Bevölkerung so unverantwortlich ist“, sagte Kissinger 1970.
Zum einen versuchten die USA – allerdings erfolglos – Chiles
Christdemokraten davon abzuhalten, im Parlament für Allende zu stimmen.
US-Botschafter Ed Korry hatte Allendes Vorgänger, dem Christdemokraten
Eduardo Frei, gedroht: „Falls Allende an die Macht kommt, werden wir dafür
sorgen, dass Chile und die Chilenen erfahren, was Armut und Entbehrung
ist.“ Nixon hatte die CIA angewiesen: „Sorgt dafür, dass Chiles Wirtschaft
vor Schmerz schreit!“ Die CIA-Dienststelle in Santiago erhielt die
Direktive: „Weiter bestehendes klares Ziel ist der Sturz Allendes durch
einen Putsch. Es wäre wünschenswert, wenn dies noch vor dem 24. Oktober
zustande käme.“
Also wurden rechte Kreise im Militär ermuntert, gegen den designierten
Präsidenten zu putschen. Die CIA lieferte am 22. Oktober als
Diplomatengepäck deklarierte unmarkierte Maschinenpistolen samt Munition an
die Gruppe „Patria y Libertad“ unter General Roberto Viaux. Noch am
gleichen Tag versuchte diese Gruppe, Chiles Militärchef General René
Schneider zu entführen und verletzte ihn mit mehreren Schüssen schwer, er
starb drei Tage später. Die CIA wusste genau, dass Schneider die
Neutralität des chilenischen Militärs und eine friedliche Machtübergabe
garantiert hatte. Sie hatte den rechten Generälen eine Belohnung von 50.000
Dollar für dessen Ausschaltung ausgelobt.
Doch es dauerte noch drei Jahre, bis die Wünsche Kissingers in Erfüllung
gingen und die mindestens acht Millionen Dollar, die die CIA in die
Destabilisierung Allendes investiert hatte, sich für ihn auszahlten. In
einem Telefongespräch mit Kissinger zeigte sich Nixon fünf Tage nach
Pinochets Putsch erleichtert, dass es keine Spuren einer Verwicklung der
USA gab. Kissinger antwortete: „Wir haben den Putsch nicht gemacht, aber
wir haben geholfen und, so gut es ging, die Bedingungen dafür geschaffen.“
Er bedankte sich im Juni 1976 bei Junta-Chef Augusto Pinochet: „Sie haben
dem Westen einen großen Dienst erwiesen, als Sie Allende gestürzt haben.“
Mitten in Washington, D.C. starb im September des gleichen Jahres Orlando
Letelier, Chiles Botschafter und Verteidigungsminister unter Allende, als
ein unter seinem Fahrzeug angebrachter Plastiksprengsatz detonierte.
Verantwortlich für das Attentat war Pinochets Geheimdienst DINA, und der
Mordbefehl kam vom Diktator persönlich. Die CIA wusste von
länderübergreifenden Absprachen, Gegner der lateinamerikanischen
Militärdiktaturen im Exil zu ermorden – der sogenannten Operation Condor.
Tage vor dem Letelier-Attentat hatte das State Department seine Botschaften
in den lateinamerikanischen Militärdiktaturen Chile, Argentinien und
Uruguay zwar angewiesen, diese vor den negativen Folgen solcher Attentate
zu warnen. Doch das Kabel kam nie bei den Botschaftern an – denn Henry
Kissinger hatte es einkassiert.
1978 – Jimmy Carter war Präsident und Kissinger nur noch Privatmann –
reiste der zur Fußball-WM nach Argentinien und lobte, anders als Carter,
gegenüber der Junta deren „Kampf gegen den Terrorismus“. Carters
Mitarbeiter Robert Pastor beklagte sich in einem Kabel an
Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, dies sei „genau die Musik gewesen,
die die Militärs gern hören wollten.“
## Süße Töne für Diktatoren Asiens
Süße Töne ließ der Politiker Kissinger auch für die Diktatoren Asiens
erklingen. 1971 gewannen die Befürworter einer größeren Autonomie
Ostpakistans (heute Bangladesch) unter Mujibur Rahman die pakistanischen
Wahlen. Pakistans Militär ging gewaltsam gegen sie vor, bis zu einer
Million Menschen wurden getötet und etwa 20 Millionen Menschen flüchteten
nach Indien. Die USA lieferten Waffen an die Truppen General Yahya Khans,
obwohl der Kongress Wirtschaftssanktionen verhängt hatte und der
US-Generalkonsul in Dhaka, ein Mann namens Archer Blood, Nixon und
Kissinger in einem Telegramm warnte, sie beförderten einen Völkermord.
Kissinger berief den Generalkonsul ab und dankte Yahya Khan Ende April 1971
für „sein Feingefühl und seinen Takt.“ Ähnlich freundlich waren Kissinger
und Präsident Gerald Ford 1975 gegenüber den indonesischen Generälen, die
gegen die einseitig ausgerufene Unabhängigkeit Osttimors vorgehen wollten.
Am 6. Dezember 1975 gaben sie in Jakarta gegenüber Präsident Suharto ihre
Zustimmung für eine „schnelle oder drastische Aktion“. Kissinger sagte laut
Gesprächsprotokoll: „Es ist wichtig, dass Sie mit Ihrem Vorgehen raschen
Erfolg haben.“ Der Einmarsch erfolgte am nächsten Tag. In den 25 Jahren der
indonesischen Besatzung verloren etwa 100.000 der 800.000 Osttimorer ihr
Leben.
Und auch in späteren US-Regierungen blieb Kissinger gern gesehener Gast und
Ratgeber. Bob Woodward schreibt in „Die Macht der Verdrängung“, seiner
Analyse über das Scheitern von George W. Bush im Irak, dass Kissinger oft
von Bush im Oval Office empfangen wurde. Er war skeptisch, ob Bushs
Invasionspläne klug seien, doch wenn er sich zum Einmarsch entschlösse,
dürfe er keine Schwäche zeigen. Das sei die Lehre aus Vietnam. „Der Sieg
über den Aufstand ist die einzig sinnvolle Ausstiegsstrategie“, schrieb er
dann 2005, als der Sieg weit entfernt war. Doch er sei für den Krieg ebenso
wie für den in Afghanistan gewesen, denn im Konflikt mit dem radikalen
Islam gehe es nur um eines: „Sie wollen uns erniedrigen. Aber wir müssen
sie erniedrigen.“
Erstaunlich ist, wie wenig sich von all diesen mittlerweile gut belegten
Umtrieben in den Memoiren, Büchern und Artikeln aus der Feder Henry
Kissingers findet. Er habe davon nicht gewusst, er habe über das Thema
nicht gesprochen, er sei dieser Person nie begegnet, beteuerte er immer
wieder, wenn er auf seine persönliche Verantwortung angesprochen wurde.
Doch die Dokumente sprechen eine andere Sprache. Kissinger sei so gern
eingeladen worden, schrieb Hitchens, „weil seine Anwesenheit für einen
Schauder sorgt, für den authentischen Touch roher, vorlauter Macht.“
Der Autor war von 1982 bis 1990 taz-Redakteur für die USA und ab 1986
Korrespondent in Washington. Er schätzt die Arbeit seines gleichnamigen
ARD-Kollegen aus Madrid sehr.
30 Nov 2023
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## AUTOREN
Stefan Schaaf
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