# taz.de -- USA und Argentiniens Militärdiktatur: Wie Kissinger zum Morden erm… | |
> Brisante Informationen in freigegebenen Dokumenten: Henry Kissinger stand | |
> an der Seite der Generäle, auch gegen Präsident Jimmy Carter. | |
Bild: Von Kissinger für das Vorgehen gegen „Terrorismus“ gelobt: Juntamitg… | |
BERLIN taz | Bei seinem Besuch in Argentinien im März dieses Jahres hatte | |
es US-Präsident Barack Obama versprochen – vor einigen Tagen hat die | |
US-Regierung das Versprechen nun eingelöst und rund 1.000 bislang als | |
geheim eingestufte Dokumente zur Rolle der USA während der argentinischen | |
Militärdiktatur veröffentlicht. | |
Als sich Argentiniens Militärs im März 1976 an die Macht putschten und | |
ihren Feldzug der Verhaftungen, Entführungen, Folterungen und Ermordungen | |
Tausender linker Oppositioneller begannen, war noch Präsident Gerald Ford | |
im Weißen Haus, sein Außenminister hieß Henry Kissinger. | |
Auf Ford folgte im Januar 1977 der Demokrat Jimmy Carter, der eine | |
Neuausrichtung der US-Außenpolitik in Menschenrechtsfragen anstrebte. | |
Aus der ersten Sichtung der freigegebenen Dokumente, die einige Medien und | |
Wissenschaftler inzwischen vorgenommen haben, ist einerseits zu erkennen, | |
wie sich das Verhältnis nicht nur der argentinischen Machthaber, sondern | |
auch der anderen lateinamerikanischen Militärdiktaturen zum Weißen Haus | |
unter Carter verschlechterte. Einige Memos und Protokolle geben auch | |
Hinweise darauf, warum Carters Politik letztlich doch zahnlos blieb. | |
## Kissinger als Ehrengast von Juntachef Videla | |
Eine Schlüsselrolle dabei spielte offenbar, obwohl gar nicht mehr im Amt, | |
Henry Kissinger. Noch als Außenminister hatte Kissinger die Militärs | |
ermuntert, ihren Kampf gegen den „Terrorismus“ rigoros durchzuführen. Es | |
war die Weltsicht des Kalten Krieges und die sogenannte „Doktrin der | |
nationalen Sicherheit“, aufgrund derer die USA an der Seite aller rechten | |
Militärdiktaturen Lateinamerikas stand, ja deren Machtübernahme oft erst | |
möglich gemacht hatte. | |
Aber noch nach seiner Amtszeit blieb Kissinger aktiv. Als Argentinien 1978 | |
die Fußballweltmeisterschaft ausrichtete, reiste Kissinger als Ehrengast | |
des Juntachefs Jorge Videla nach Buenos Aires. „Seine Lobpreisungen der | |
argentinischen Regierung und ihres Anti-Terror-Kampfes war Musik in den | |
Ohren“ der Militärs, notierte eine Botschaftsdepesche. | |
Vor einer Besprechung des von Carter entsandten US-Botschafters Raúl Castro | |
mit Junta-Chef Videla, angesetzt, um über die Menschenrechtsverletzungen | |
der Militärs zu sprechen, traf sich Kissinger heimlich vorher mit Videla. | |
Der Botschafter schrieb eine wütende Depesche nach Washington und äußerte | |
seine Besorgnis, dass „Kissingers wiederholte Belobigungen für Argentiniens | |
Vorgehen gegen den Terrorismus“ den Gastgebern zu Kopf steigen könnten. „Es | |
besteht die Gefahr, dass die Argentinier Kissingers Lobhudeleien als | |
Rechtfertigung für noch härtere Menschenrechtsvergehen benutzen könnten.“ | |
## Der beliebte Elder Statesman | |
Robert Pastor, damals im Nationalen Sicherheitsrat für Argentinien | |
zuständig, schrieb über Kissinger: „Was mich am meisten beunruhigt, ist | |
sein offensichtlicher Wunsch, der Menschenrechtspolitik der | |
Carter-Regierung offen entgegenzutreten.“ | |
Henry Kissinger, heute 93, ist für seine Rolle bei der Förderung der | |
lateinamerikanischen Militärdiktaturen nie belangt worden. Im Gegenteil | |
gilt er nach wie vor als „Elder Statesman“, dessen Rat viele suchen, | |
einschließlich des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer und | |
der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. In den kommenden 18 Monaten | |
will die US-Regierung weitere Dokumente veröffentlichen. | |
13 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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