Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protokolle von COP-Reisenden: „Aus Kohle, Öl und Gas aussteigen�…
> Trotz Enttäuschungen in der Vergangenheit: Teilnehmer:innen
> berichten, warum sie zur Klimakonferenz nach Dubai fahren.
Bild: Werbung für die Klimakonferenz COP28 in Dubai, 29. 11. 2023
## Verbündete des Inselstaats Tuvalu
Als Vertreterin der Zivilgesellschaft beobachte ich die COPs seit 2008, nur
einmal habe ich gefehlt, 2021 kam mein Kind zur Welt. Gespannt bin ich in
Dubai auf Kausea Natano, den Premierminister von Tuvalu: Seit einigen
Jahren bin ich eine Verbündete des Inselstaates, auf Wunsch der Kirche von
Tuvalu habe ich das Land zweimal besucht, ich fühle mich den
Einwohner:innen sehr verbunden. Jetzt hat Australien angekündigt, alle
Bewohner:innen von Tuvalu als Klimaflüchtlinge aufzunehmen. Ich möchte
vom Premierminister erfahren, wie er das mit seiner Bevölkerung bespricht.
Solange sich die Klimakrise ungebremst zuspitzt, muss die
Staatengemeinschaft an den Verhandlungstisch der COPs. In Zeiten von
Kriegen und Konflikten ist es ein Hoffnungsschimmer, dass die Welt bei der
Klimakonferenz in Dubai noch miteinander redet: Klimapolitik wird so auch
zu Friedenspolitik.
Zwar haben die COPs bisher nicht die notwendigen Ergebnisse geliefert.
Trotzdem brachten sie Beschlüsse, die es ohne den Prozess nicht gegeben
hätte. Zum Beispiel bei der Klimafinanzierung: Ohne Klimadiplomatie hätten
die Verursacherstaaten niemals für die Folgen im Globalen Süden gezahlt!
Ohne die COPs würde der Ausbau der Erneuerbaren weit hinter dem heutigen
Niveau liegen.
Auch ein Abkommen zum Waldschutz wäre sicherlich nicht aufgelegt worden.
Klar ist deshalb: Den Multilateralismus darf man nicht leichtfertig in die
Mülltonne treten! Stichwort „Loss and Damage“, also beispielsweise der
Verlust von Inseln oder Küsten durch den Anstieg der Meere: Ich erwarte,
dass die COP28 einen neuen Fonds für Klimaschäden einrichtet.
Sabine Minninger, Klimaexpertin bei Brot für die Welt
## Globaler Norden soll für Schäden einstehen
Ich fahre zur COP28, weil ich die Verursacher des Klimawandels dazu
auffordern will, für die Schäden, die sie verursacht haben, aufzukommen.
Ich komme aus einer marginalisierten Hirtengemeinschaft, in der 90 Prozent
unserer Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängen. Wir sind auf Getreide
angewiesen. Als unsere Tiere wegen der Dürre starben und unsere Ernten
verdorrten, habe ich begonnen, diejenigen zu hinterfragen, die die Erde
verschmutzen. Ich möchte, dass der globale Norden und die großen
Umweltverschmutzer für die Schäden, die sie verursacht haben, einstehen.
Diese Schäden sind ihr Problem, aber sie betreffen uns.
Ein Beispiel: Ich habe eine Organisation namens „Pads 4 Education“
mitgegründet. Unser Ziel ist es, Mädchen, die wenig Geld haben, mit
Damenbinden zu versorgen. Wenn sie vom Klimawandel getroffen werden, müssen
sich Familien zwischen Lebensmitteln und anderen Grundbedürfnissen für ihre
Kinder entscheiden. Mädchen in meiner Gemeinde verpassen regelmäßig wegen
so etwas Normalem wie der Periode den Unterricht, weil ihre Familien nicht
in der Lage sind, sie zu ernähren und gleichzeitig Hygieneartikel zu
kaufen. So beeinflusst der Klimawandel unser tägliches Leben.
Ich bin zum ersten Mal auf der COP. Die COP28 ist ein sehr großes
Weltereignis. Ich bin ein bisschen nervös. Aber ich kann es nicht
verpassen, mich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Ich kann nicht nichts
sagen, nur weil es ein so großes Ereignis ist. Ich kann nicht jeden Tag
aufwachen und sehen, wie meine Gemeinschaft leidet. Ich werde der Welt
zeigen, dass etwas getan werden muss.
Emmanuel Kiptoo Ng'olepus (27), Mitgründer von „Pads 4 Education“, einer
NGO aus Kenia, die zu Armut und Klimagerechtigkeit arbeitet
## Von fossilen Energien abkoppeln
Ich fahre zur COP nach Dubai, um mich für mehr internationalen Klimaschutz
einzusetzen. Die Klimakrise sorgt schon jetzt für massives Leid und große
Schäden weltweit, besonders bei armen Menschen, die diese Krise am
wenigsten verursacht haben. Damit die Krise endlich gerecht gelöst wird,
braucht es eine starke Zivilgesellschaft, für die ich arbeite. Gemeinsam
mit den Mitgliedern der Klima-Allianz will ich die deutsche Bundesregierung
dazu bewegen, sich für gute Ergebnisse der Klimakonferenz einzusetzen.
[1][Deutschland als reichem Land] mit einer historischen Verantwortung für
die Klimakrise kommt dabei eine besondere Rolle zu. Wir müssen zeigen, dass
eine Industrienation es schafft, ihre Wirtschaft von fossilen Energien zu
entkoppeln. Wir müssen ärmere Länder auch finanziell dabei unterstützen,
dasselbe zu tun, ohne mit den Folgen der Klimakrise alleingelassen zu
werden.
Mir ist besonders wichtig, dass die Regierungen endlich die gewaltige Lücke
schließen zwischen dem, was beim Klimaschutz nötig ist, und dem, was
aktuelle Klimaschutzpläne vorsehen. Bis 2030 müssten wir die weltweiten
Treibhausgasemissionen laut Weltklimarat um 43 Prozent senken, um die
Erderhitzung bis 2100 bei 1,5 Grad zu stoppen, aktuell liegen wir bei
gerade mal 2 Prozent.
Die Regierungen müssen also jetzt aus fossilen Brennstoffen aussteigen und
erneuerbare Energien massiv ausbauen. Dabei müssen sie auch mehr Menschen
Energiezugang ermöglichen – damit alle von der globalen Energiewende
profitieren.
Lisa Jörke, Referentin für europäische und internationale Klimapolitik bei
der Klima-Allianz in Deutschland
## Nicht auf Greenwashing hereinfallen
Ich reise mit der internationalen Greenpeace Delegation zur COP 28, um dazu
beizutragen, dass der notwendige Beschluss gefasst wird, aus Kohle, Öl und
Gas auszusteigen. Unser Ziel ist es, [2][der zu erwartenden übermächtigen
Lobby der Öl- und Gasindustrie] etwas entgegenzusetzen und auch die
deutsche Regierung und den Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Bekenntnis
zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu bewegen.
Ich denke auch, dass die Konferenz erfolgreich sein kann. Sonst würde ich
ja nicht hinfahren. Die COP ist die einmalige Chance, dass die politischen
Entscheidungsträger die Stimmen der Opfer der Klimakrise hören und mit den
am härtesten betroffenen Menschen zusammenkommen.
Die Klimakrise ist inzwischen in so vielen Ländern angekommen, dass die
Politiker jetzt endlich handeln müssen. Besonders wichtig ist mir, dass die
deutsche Regierung jetzt nicht auf das Greenwashing der Gasindustrie
reinfällt und noch mehr Gasinfrastruktur für Bohrungen baut, wohl wissend,
dass fossiles Gas die Klimakrise weiter verschärfen wird.
Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland
## Fortschritte bei der Finanzierung
Ich nehme an den Verhandlungen teil, um den Verhandlungsprozess, seine
Qualität, das Tempo, seine Sackgassen, die Ergebnisse zu analysieren. Es
geht auf der COP28 um die globale Bestandsaufnahme der Erfolge unter dem
Pariser Übereinkommen und den dringenden Bedarf an Finanzhilfen zur
Bewältigung der bereits akuten Klimawandelfolgen in den am stärksten
betroffenen und ärmsten Ländern des Globalen Südens. Und tatsächlich
erwarte ich in Dubai Fortschritte bei der Klimafinanzierung auf allen
Ebenen.
Allerdings könnten symbolische Gefechte um den Kopftext eines möglichen
Dubai-Abkommens das verhindern – zumindest gab es dafür im Vorfeld für
dieses Szenario etliche Anzeichen. Mein persönlicher Höhepunkt wird
sicherlich ein Nebenevent im Pavillon der Ukraine sein, auf dem ich wegen
unseres Projekts ViaMUN eingeladen bin, dem Viadrina Model United Nations:
Es geht dabei um Ausbildung in Sachen internationaler Verhandlungen, denn
wir brauchen Nachwuchs, junge Verhandlerinnen und Verhandler.
Reimund Schwarze, Professor für Internationale Umweltökonomie an der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)
## Dialog über Kultur und Klimapolitik
2022 war ich bei einem Camp für Klimagerechtigkeit in Tunesien, wo ich
Kontakte zu Greenpeacemitarbeiter*innen knüpfte. Diese luden mich
ein, der Jugenddelegation für die COP27 beizutreten. Jugendliche aus dem
Nahen Osten und Nordafrika (Mena) sind in der Klimapolitik erheblich
unterrepräsentiert. Mein Ziel ist es, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
Wir sind in der Mena-Region nicht aufmerksam genug für die Klimakrise. Das
wird dadurch verstärkt, dass in Diskussionen oft Begriffe verwendet werden,
die nicht direkt ins Arabische übersetzt werden können – wie „just
transition“ („gerechter Wandel“) oder „loss and damage“ („Verluste …
Schäden“). Das macht die Kommunikation schwieriger.
Auf der COP28 hoffe ich, einen Dialog in Bewegung setzen zu können, der die
[3][Klimapolitik mit unserem kulturellen Kontext verbindet]. Ich möchte
mich mit der Verbindung zwischen Klimaschutz und Religion beschäftigen und
dem mobilisierenden Potenzial des Glaubens auf die Spur kommen. Ich will
Menschen aus der Mena-Region befähigen, Veränderungen anzuschieben, statt
auf externes Eingreifen zu warten.
Fatima-Zahrae Tarib, Klima- und Greenpeace-Aktivistin aus Marokko
## Einigung bei Loss and Damages
Dubai ist nicht meine erste UN-Klimakonferenz. Meine erste COP war im Jahr
2003 in Mailand. Seitdem habe ich fast keines der UN-Klimatreffen
ausgelassen. Als studierter Forstwissenschaftler war ich unter anderem zehn
Jahre für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig
und beriet dabei unter anderem die indonesische Regierung bei
klimapolitischen Fragen.
Nun bin ich seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung
Klimapolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der
Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Frage, wie der globale Süden und der
globale Norden beim Klimaschutz zusammenarbeiten.
Für die COP in Dubai hoffe ich, dass es beim Thema Loss and Damages eine
Einigung gibt. Dabei geht es um den gerechten Umgang mit den Schäden und
Verlusten im Rahmen des Klimawandels – und um sehr viel Geld.
Denn die Hauptlast tragen die Länder des globalen Südens, während die
größten Verursacher des Klimawandels die reichen Industrieländer im Norden
sind. Auf der vergangenen Konferenz einigte man sich deswegen darauf, dass
es einen speziellen Fonds geben soll, mit dem arme Länder für ihre
Klimaschäden entschädigt werden sollen. Doch bisher wurden diesbezüglich
noch nicht genügend finanzielle Mittel zugesagt.
Deswegen hoffe ich auch, dass die potentiellen Geberländer Zusagen machen,
wie viel sie für die Bekämpfung des Klimawandels geben wollen. Am Ende
sollten für den Fonds deutlich mehr als die 100 Milliarden US-Dollar
zusammenkommen, die bisher pro Jahr fließen sollen. Doch bis der Fonds für
Schäden und Verluste endgültig steht, wird noch etwas mehr Zeit vergehen.
Damit werden sich auch die Teilnehmer*innen der COP29 im kommenden Jahr
beschäftigen.
Heiner von Lüpke, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut
für Wirtschaftsforschung (DIW)
30 Nov 2023
## LINKS
[1] /Soziale-Ungleichheit/!5971181
[2] /Subventionen-fuer-fossile-Energien/!5972790
[3] /Ermaechtigung-in-der-Klimakrise/!5956939
## AUTOREN
Nick Reimer
Franziska Betz
Simon Poelchau
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Weltklimakonferenz
Klimakonferenz in Dubai
fossile Energien
Aktivismus
Klimakonferenz in Dubai
Klimakonferenz in Dubai
CO2-Emissionen
Klimakonferenz in Dubai
Klimakonferenz in Dubai
Klimakonferenz in Dubai
wochentaz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protokolle von COP-Reisenden: „Keine Option, nicht teilzunehmen“
Für Menschenrechte oder um Follower*innen aufzuklären: Wir haben drei
Teilnehmer*innen gefragt, warum sie nach Dubai gefahren sind (Teil 2).
Klimakonferenz als Zeitmaschine: Die COP ist ein Kinderspiel
Klimakonferenzen sind für fast niemanden angenehm. Aber für unseren Autor
waren sie einige Jahre eine spannende Abwechslung – trotz Schulhoftyrannen.
Klimareparationen für Globalen Süden: „Es ist kriminell“
Wie können Industrieländer ihre Klimaschulden gegenüber dem Globalen Süden
abbezahlen? Der Ökonom Fadhel Kaboub erklärt, was faire Reparationen wären.
Eröffnung der COP28 in Dubai: Hoffnungsvoller Start
Die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland wollen 200 Millionen
US-Dollar bereitstellen, um armen Ländern bei Klimaschäden zu helfen.
PR-Aktion von Klimaaktivisten: Al-Dschaber tritt zurück – wirklich?
Sultan Ahmad al-Dschaber, Präsident der Klimakonferenz, steht in der
Kritik. Nun haben Aktivisten medienwirksam seinen Rücktritt vorgetäuscht.
Vor der Weltklimakonferenz: Drei Ziele für Dubai
Bei der COP28 steht die Unterscheidung in Industrie- und Entwicklungsländer
auf der Agenda. Eine Person könnte den gordischen Knoten durchschlagen.
Klimakonferenz in Dubai: Good COP, bad COP?
Die 28. Klimakonferenz beginnt – und endet voraussichtlich wieder mit
genervten Delegationen und minimalen Ergebnissen. Dabei gäbe es
Alternativen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.