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# taz.de -- EU-China-Gipfel: Trostpflaster aus Peking
> EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen fordert einen faireren Zugang zum
> chinesischen Markt. Peking zeigt sich unter Druck bereit für Kompromisse.
Bild: Gegenseitige Abhängigkeit: Hier in einer Fabrikhalle des Joint-Ventures …
Peking taz | Vor dem ersten EU-China-Gipfel seit 2019 liegen Katerstimmung
und Zuversicht nah beieinander. Zwar mussten viele europäische Unternehmen
in den letzten Jahren beobachten, wie sie in kürzester Zeit von der
chinesischen Konkurrenz und einer zunehmend nationalistischen
Industriepolitik abgehängt worden sind. Doch gleichzeitig ist [1][das Reich
der Mitte] ebenfalls ökonomisch angeschlagen – und derzeit wohl so abhängig
von seinem größten Handelspartner wie nie zuvor.
Schließlich sind es vor allem europäische Konsumenten, die die
exportgetriebene Volkswirtschaft Chinas weiter stützen. „Es gab nie einen
besseren Zeitpunkt, Forderungen zu stellen“, sagt Jens Hildebrandt von der
Deutschen Handelskammer in Peking.
Und die Liste an Themen, die Ursula von der Leyen, Charles Michel und Josep
Borrell bei ihrem Staatsbesuch am Donnerstag mitbringen werden, ist lang:
An vorderster Stelle stehen die unausgeglichenen Handelsbeziehungen, die
sich im Vorjahr in einem Handelsdefizit von knapp 400 Milliarden Euro
äußerten. Menschenrechte werden zwar ebenfalls angesprochen, wie es von
EU-Vertretern heißt. Doch im Zentrum stehen sie ganz offensichtlich nicht.
Politisch dominiert Chinas [2][enge Partnerschaft gegenüber Russland] die
Agenda, die zumindest indirekt Putins Kriegsmaschinerie am Laufen hält.
Brüssel hofft darauf, dass China endlich Druck auf Russland ausüben wird.
„Wir wissen, dass China mit dem Krieg nicht einverstanden ist“, sagt ein
EU-Vertreter mit Bitte um Anonymität. Doch gleichzeitig ist ebenso Fakt,
dass die meisten sogenannten „Dual use“-Güter, die sowohl für zivile als
auch militärische Zwecke eingesetzt werden können, [3][über China nach
Russland] gelangen.
Chinesische E-Autos werden kommen
Das mit Abstand größte Streitthema zwischen Brüssel und Peking betrifft
jedoch die ungleichen Marktbedingungen. „Wir dürfen nicht länger zulassen,
dass europäische Unternehmen in China in einigen Bereichen nicht auf die
gleichen Wettbewerbsbedingungen treffen wie die chinesische Wirtschaft,
während chinesische Firmen den europäischen Markt voll ausschöpfen können�…
sagt Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer.
Wie schwierig dies in der Umsetzung sein wird, zeigt sich allerdings am
Beispiel E-Mobilität. Wer sich die aktuellen Zahlen der chinesischen
Autohersteller anschaut, der kann nur staunend den Hut ziehen: Allein in
der letzten Novemberwoche hat Marktführer BYD knapp 50.000 Fahrzeuge
verkauft. Volkswagen, neben Tesla der derzeit einzige ausländische Anbieter
mit nennenswertem Absatz, kommt in China mit 5.600 verkauften Einheiten nur
auf ein Zehntel davon. Bereits 2025 werden die Mehrheit der verkauften
Neuwagen [4][in China E-Autos] sein. Die günstigen und technisch
überlegenen Elektro-PKWs aus China werden den europäischen Markt schon bald
überfluten. Es stellt sich deshalb die Frage, wie die EU mit der Expansion
umgehen wird.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits eine
Untersuchung wegen wettbewerbsverzerrender Subventionen eingeleitet, mit
denen die chinesische Regierung ihre Industrie aufgebaut hat. „Ganze
Industrien und Wertschöpfungsketten, für die China früher auf den Rest der
Welt angewiesen war, werden zunehmend ins eigene Land verlagert“, sagte von
der Leyen bereits Mitte November.
Doch wirklich gleiche Rahmenbedingungen würde bedeuten, dass Brüssel die
chinesischen Autobauer zu lokalen Joint Ventures zwingt, ehe sie Zugang zum
europäischen Markt haben können. Genauso ist Peking seinerseits mit
ausländischen Marken verfahren. In der Praxis ist dies allerdings kaum
möglich – vor allem, weil ein solcher Protektionismus gegen die Regeln der
Welthandelsorganisation WTO verstoßen würde.
## Angst vor Vergeltungsmaßnahmen bei Abschottung
Zudem wollen auch europäische Unternehmen keine Abschottung, denn sie
fürchten insbesondere ökonomische Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen
Regierung. „Wir hoffen, dass keine Handelskonflikte heraufbeschworen
werden, denn die deutsche Wirtschaft braucht offene Märkte“, sagt auch
Hildebrandt von der Handelskammer. Im Vorfeld des Gipfels hat die
chinesische Regierung einige teils [5][überraschende Zugeständnisse]
abgeliefert.
So hob Peking zuletzt seine – offiziell nie bestätigten –
Handelsbeschränkungen gegenüber Litauen auf, mit denen die Volksrepublik
die engen Beziehungen des baltischen Staats zu Taiwan abstrafen wollte.
Ebenso führte China eine visafreie Einreise für Staatsbürger aus
Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden ein.
Die Maßnahme wird jedoch auch mit Argusaugen betrachtet. „Wir sollten uns
auch darüber im Klaren sein, dass sie Teil eines Plans ist, welcher die von
der Europäischen Kommission vorgeschlagene Agenda für wirtschaftliche
Sicherheit und Risikominderung neutralisieren soll“, kommentiert etwa
Mathieu Duchâtel vom [6][Institut Montaigne] mit Sitz in Paris. Viele
europäische Beobachter werten Pekings Zugeständnisse vor allem als Beleg
dafür, dass man zwar gewillt ist, kleine Trostpflaster zu verteilen, die
strukturellen Ungleichgewichte jedoch unangetastet lassen möchte.
Von der Leyen präsentiert sich selbstbewusst
Kurz vor ihrem Flug nach Peking gab sich Ursula von der Leyen demonstrativ
selbstbewusst: „Die Staats- und Regierungschefs in Europa werden das
Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen langfristig nicht dulden“, warnte
die Kommissionspräsidentin am Dienstag. Peking habe sich nun zu
entscheiden, ob es eine Verhandlungslösung wolle. Andernfalls werde die EU
ihre Instrumente zum Schutz des europäischen Marktes ausschöpfen.
Doch Außenamtssprecher Wang Wenbin zeigte sich am Mittwoch gänzlich
unbeeindruckt. „China strebt niemals absichtlich einen
Handelsbilanzüberschuss an“, sagte er. Man heiße alle Länder willkommen,
den riesigen Markt Chinas besser zu nutzen. Für ausländische Firmen, die in
den letzten Jahren durch diskriminierende Regulierungen und öffentliche
Auftragsvergaben aus dem Markt gedrängt wurden, mag dies wie purer Hohn
klingen.
7 Dec 2023
## LINKS
[1] /Geschichte-des-Maoismus/!5964629
[2] /Russlands-Praesident-in-Peking/!5963904
[3] /China-und-Russland/!5934481
[4] /Handelskonflikt/!5958156
[5] /Chinas-neue-Westpolitik/!5973793
[6] https://www.institutmontaigne.org/en
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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Welthandel
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Emmanuel Macron
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