# taz.de -- Hamburger Cum-Ex-Affäre: Vieles spricht gegen Scholz | |
> Fazit nach drei Jahren Untersuchungsausschuss: Linke sieht Indizien, dass | |
> der Bundeskanzler dem Finanzamt einen Wink zugunsten der Warburg-Bank | |
> gab. | |
Bild: Geredet aber nichts gesagt: Olaf Scholz verlässt den Zeugenstand im Hamb… | |
HAMBURG taz | Bundeskanzler Olaf Scholz und der Hamburger Bürgermeister | |
Peter Tschentscher (beide SPD) haben in ihren früheren Ämtern einen | |
millionenschweren Steuerraub durch Cum-Ex-Aktiengeschäfte unterstützt. | |
Diesen Vorwurf erhebt die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft | |
nach einem dreijährigen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. „Wir | |
haben keinen Beweis für eine direkte Einflussnahme von Scholz und | |
Tschentscher gefunden – aber die Indizien sind überwältigend“, sagte | |
Norbert Hackbusch, Obmann der Linken im Ausschuss. | |
Die Linke präsentierte ihr Fazit im Vorgriff auf eine Sitzung des | |
Untersuchungsausschusses am Mittwoch. Dort soll ein Zwischenbericht | |
diskutiert werden, der die bisherigen Erkenntnisse darstellen und bewerten | |
soll. Ein Zwischenbericht deshalb, weil die Opposition aus CDU, Linken und | |
FDP beantragt hat, den Untersuchungsauftrag auf die ehemalige HSH Nordbank | |
– heute Hamburg Commercial Bank – zu erweitern. Die ehemalige Landesbank | |
hatte ebenfalls Cum-Ex-Geschäfte gemacht. | |
Diese Geschäfte wurden, wie Gerichte inzwischen mehrfach geurteilt haben, | |
einzig und allein zu dem Zweck betrieben, den Steuerzahler zu bestehlen. | |
Dabei wurde durch den wechselseitigen Kauf, Verkauf und das Leihen von | |
Aktien mit und ohne Dividendenanspruch Rückerstattungsansprüche erzeugt für | |
Kapitalertragssteuern, die gar nicht bezahlt worden waren. Der Schaden wird | |
allein in Deutschland grob auf zehn Milliarden Euro geschätzt. | |
## Aufarbeitung begann mit einer Falschinformation | |
In dem Fall, in den Scholz als damaliger Bürgermeister und Tschentscher als | |
damaliger Finanzsenator involviert sind, ging es [1][um die | |
traditionsreiche Hamburger Privatbank M.M.Warburg]. In den Jahren 2016 und | |
2017 wollte die Finanzbehörde die Erstattung von 90 Millionen an Steuern | |
aus Cum-Ex-Geschäften verhindern. [2][Nach Überzeugung der mit der Bank | |
befassten Betriebsprüfer ging es jedoch um Steuern, die die Bank gar nicht | |
bezahlt hatte]. | |
Bekannt wurde das Ende 2019 und die Aufarbeitung in Hamburg begann mit | |
einer Falschinformation, um nicht zu sagen: einer Lüge des Senats. Im | |
November 2019 wollte der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch wissen, ob es | |
im Zusammenhang mit den Steuererstattungen persönliche Gespräche „zwischen | |
dem Bankhaus M.M.Warburg und dem Senat“ gegeben habe und ob der Erste | |
Bürgermeister Olaf Scholz darin eingebunden gewesen sei? Antwort: „Nein.“ | |
Tatsächlich gab es mehrere solcher Gespräche im Amtszimmer des | |
Bürgermeisters. [3][Vor dem Ausschuss konnte sich Scholz später daran | |
erinnern, dass diese stattgefunden hätten, nicht jedoch an deren Inhalt]. | |
Dabei ging es um Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe, die angeblich | |
den Fortbestand der Bank gefährdet hätten. | |
Die Affäre wurde auch vom Bundestag aufgegriffen und nachdem die Opposition | |
sich von Tschentscher im Haushaltsausschuss hingehalten gefühlt hatte, | |
initiierte sie den Untersuchungsausschuss. Dessen Ziel: „Klärung der Frage, | |
warum der Senat und die Steuerverwaltung bereit waren, Steuern in | |
Millionenhöhe mit Blick auf Cum-Ex-Geschäfte verjähren zu lassen und | |
inwieweit es dabei zur Einflussnahme zugunsten der steuerpflichtigen Bank | |
und zum Nachteil der Hamburgerinnen und Hamburger kam“. | |
Zu den Indizien, dass es zu einer solchen Einflussnahme kam, gehören nach | |
einer Auflistung der Linken die erwähnten Gespräche Scholzens mit dem | |
Warburg-Bankier Christian Olearius. Diese wurden von dem Sozialdemokraten | |
und ehemaligen Senator Alfons Pawelczyk eingefädelt. | |
Bei einem dieser Gespräche 2016 übergibt Olearius Scholz ein | |
Argumentationspapier der Bank, das in der Finanzbehörde schon vorliegt und | |
dessen Argumentation auf eine Mitarbeiterin des Finanzamtes zurückgeht. Ein | |
paar Tage später fordert Scholz Olearius auf, dieses Papier kommentarlos | |
seinem Finanzsenator Tschentscher zu übergeben. Dieser reicht es in seine | |
Behörde hinein mit der „Bitte um Informationen zum Sachstand“. Gegen die | |
Einschätzung ihrer Betriebsprüfer ließ die Finanzverwaltung die Forderung | |
dann verjähren. | |
Ein Jahr später wies das Bundesfinanzministerium die Hamburger an, eine | |
ähnliche Forderung nicht verjähren zu lassen – offenbar ein recht seltener | |
Vorgang. Dagegen wehrte sich die Hamburger Finanzverwaltung, indem sie | |
einen Brief nach Berlin schickte, in dem sie für eine Verjährung | |
argumentierte. „Wichtige Teile der Behörde agierten als Verteidiger der | |
Bank“, sagt Hackbusch. „Das war nur mit Rückendeckung des Senators | |
möglich.“ | |
## Tatsächlich mit der Bank verständigt | |
Die Krone setzte die Finanzbehörde dem Ganzen aus Sicht der Linken auf, als | |
sie [4][2019 eine „tatsächliche Verständigung“ mit der Bank vorschlug]. | |
Damit hätten sich Stadt und Bank auf eine Summe geeinigt, die weit unter | |
den Rückforderungsansprüchen lag. Das Bundesfinanzministerium unterband | |
das. | |
„Die Warburg-Bank konnte sich während der gesamten Affäre der offiziellen | |
und inoffiziellen Hilfestellung der politischen Elite Hamburgs gewiss | |
sein“, resümiert Die Linke. „Der Senat hatte Angst um den Banken-Standort | |
Hamburg“, vermutete Hackbusch, denn die Vorgänge fallen in jene Zeit, als | |
das [5][Debakel der HSH Nordbank die Stadt beschäftigte]. | |
Eben mit dieser Skandalbank, die sich am Finanzmarkt schwer verzockt hatte | |
und auch [6][Cum-Ex-Geschäfte] nicht ausließ, will sich die Bürgerschaft in | |
einer Fortsetzung des Ausschusses beschäftigen. Die frühere Landesbank von | |
Hamburg und Schleswig-Holstein hatte 2012 nach Medienberichten eine | |
unabhängige Prüfung ihrer Cum-Ex-Geschäfte beauftragt und unter anderem die | |
Hamburger Finanzverwaltung über die Ergebnisse informiert. Die hatte | |
daraufhin 127 Millionen Euro an erstatteten Steuern zurückgefordert und war | |
damit eine Vorreiterin. Danach scheint sie auf Leitungsebene das Interesse | |
oder zumindest den Biss verloren zu haben. | |
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Hamburger | |
Finanzverwaltung habe 2014 ein kriminelles Cum-Ex-Geschäft der HSH Nordbank | |
AG entdeckt. Tatsächlich hat die HSH Nordbank AG im Dezember 2012 | |
eigeninitiativ eine unabhängige Prüfung der von ihr zuvor betriebenen | |
Cum-Ex-Geschäfte angestoßen und deren Zwischenergebnisse noch im Jahre 2013 | |
unter anderem der Hamburger Finanzverwaltung mitgeteilt. | |
Außerdem war von einem zweijährigen Untersuchungsausschuss die Rede. Der | |
Ausschuss tagte jedoch drei Jahre. Wir bedauern die Irrtümer. | |
27 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Cum-Ex-Prozess-in-Bonn-beginnt/!5960486 | |
[2] /Hamburger-Cum-Ex-Skandal/!5805168 | |
[3] /Kanzler-im-Cum-Ex-Skandal/!5875725 | |
[4] /Hamburger-Cum-Ex-Skandal/!5848215 | |
[5] /Verkauf-an-US-Hegdefonds/!5485713 | |
[6] https://www.finanzwende.de/themen/cumex/wie-funktionierten-die-cumex-gescha… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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