| # taz.de -- Kanzler im Cum-Ex-Skandal: Scholz kann sich nicht erinnern | |
| > Der Bundeskanzler wurde das zweite Mal im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss | |
| > befragt. Er blieb bei seiner Linie, kaum konkrete Antworten zu geben. | |
| Bild: Zeuge Olaf Scholz im Untersuchungsausschusses am 19. August 2022 | |
| Hamburg taz | Wäre der Bundeskanzler gegebenenfalls bereit, sich einer | |
| Befragung unter Hypnose zu unterziehen? Diese Frage des CDU-Abgeordneten | |
| Richard Seelmaecker offenbarte die ganze Verzweiflung des Hamburger | |
| Untersuchungsausschusses zum Cum-Ex-Steuerskandal bei der Befragung von | |
| Olaf Scholz am Freitag. Der ehemalige Bürgermeister blieb dabei seiner | |
| Linie treu, zu den allermeisten Fragen keine fassbaren Antworten zu geben. | |
| Zu konkreten Ereignissen und Sachverhalten gefragt, sagte er meist, er habe | |
| keine Erinnerung. | |
| Der [1][Ausschuss untersucht, warum die Hamburger Behörden in den Jahren | |
| 2016 und 2017 bereit waren, Steuerrückforderungen aus Cum-Ex-Geschäften] in | |
| Höhe von 90 Millionen Euro verjähren zu lassen und ob die damalige | |
| Senatsspitze darauf hingewirkt hat. Scholz war damals Bürgermeister, der | |
| heutige Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Finanzsenator. | |
| Konkret geht es um Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger Privatbank MM Warburg, | |
| von denen sich inzwischen herausgestellt hat, dass sie rechtswidrig waren. | |
| Bei den Geschäften wurden Aktien so gehandelt, dass sich die Beteiligten | |
| eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten lassen konnten | |
| – ein schlichter Griff in die Staatskasse. | |
| Scholz war bereits im [2][April 2021 von dem Parlamentarischen | |
| Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft befragt worden] und | |
| referierte für die Galerie zunächst seine Aussagen bei dieser Befragung. | |
| Allerdings konnte Scholz zu den in jüngster Zeit aufgetauchten | |
| Merkwürdigkeiten wenig Erhellendes beitragen. | |
| ## Kanzler ganz leise | |
| Bei der Befragung verebbten viele Antworten des Kanzlers ins kaum Hörbare. | |
| Das ging so weit, dass ein Zuhörer vom Balkon im Bürgerschaftssaal rief, | |
| das sei arrogant, er solle lauter sprechen – und wegen möglicher | |
| Beleidigung seine Personalien angeben musste. | |
| Ob E-Mails im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Fall in der Hamburger Verwaltung | |
| gelöscht wurden? Das könne er nicht berichten, das sei ein weites Feld, so | |
| der Kanzler: „Warum sollte das der Fall sein?“, fragte Scholz dann. | |
| Ob er sich an eine Sitzung des Finanzausschusses des Bundestags im Juli | |
| 2020 erinnere? Konkret nicht. Laut dem Sitzungsprotokoll, das als | |
| Verschlusssache eingestuft ist, hat Scholz dort etwas Konkretes zu einem | |
| Treffen mit Olearius gesagt – was er sonst immer leugnete. Das Protokoll | |
| wurde stark geschwärzt und liegt dem Hamburger Ausschuss nicht vor. Es | |
| konnte Scholz also nicht vorgehalten werden und der sah auch keine | |
| Veranlassung, dazu etwas zu sagen, außer: Die Einstufung des | |
| Sitzungsprotokolls als geheim habe nicht das von ihm geführte | |
| Finanzministerium veranlasst. | |
| Hinweise, seine persönliche Referentin sei gebeten worden, kritische | |
| Termine mit für Warburg lobbyierenden SPD-Politikern „einzusortieren“, | |
| wiegelte Scholz ab. Das habe die Referentin selbstständig getan. | |
| ## Frage und Gegenfrage | |
| Warum er bei seiner Vernehmung im April nicht erwähnt habe, dass damals die | |
| Staatsanwaltschaft ein Vorermittlungsverfahren gegen ihn führte, fragte ihn | |
| der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch. „Warum hätte ich es berichten | |
| sollen?“, fragte Scholz zurück. In der Regel wird jeder Zeuge am Ende | |
| seiner Vernehmung vom Ausschussvorsitzenden gefragt, ob ihm weitere | |
| relevante Fakten bekannt seien. Zumindest die Opposition hätte das für | |
| wichtig gehalten. Inzwischen sind die [3][Ermittlungen gegen Scholz | |
| endgültig eingestellt worden]. | |
| Zum Thema Einflussnahme hatten zwei ehemalige Senatoren, Wolfgang Peiner | |
| (CDU) und Till Steffen (Grüne) im Ausschuss ausgesagt, allein ein Hinweis, | |
| man möge auf dem Laufenden gehalten werden, sei eine Einflussnahme. Dies | |
| sei „in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht falsch“, sagte Scholz. | |
| Warum, wollte der CDU-Abgeordnete Götz Wiese wissen. Das wolle er nicht | |
| begründen, sagte Scholz. | |
| „Ich habe auf das Steuerverfahren keinen Einfluss genommen“, versicherte | |
| Scholz in seinem Eingangsstatement, in dem er seine frühere Aussage | |
| zusammenfasste. Er habe weder als Bürgermeister Steuerakten der | |
| Warburg-Bank eingesehen noch als Finanzminister. „Mein Wissen speist sich | |
| im Wesentlichen aus öffentlichen Quellen.“ Auch laut den in der Presse | |
| veröffentlichten Zeugenaussagen habe es ganz klar keine Beeinflussung | |
| gegeben. | |
| Vertreter der Stadtgesellschaft habe er regelmäßig zu Gesprächen empfangen. | |
| Das seien viele Gespräche gewesen. „Ich brauchte diese Gespräche, um zu | |
| verstehen, was los ist“, sagte Scholz. Seine Maxime dabei sei gewesen, | |
| keine Versprechungen zu machen und gelegentlich rückzufragen. Es habe keine | |
| Vorzugsbehandlung gegeben. | |
| Scholz sagte, er habe auch mit den damaligen Chefs der Sparkasse und der | |
| Berenbergbank gesprochen. Seine drei Gespräche mit Warburg-Vertretern 2016 | |
| und 2017 seien also nichts Ungewöhnliches gewesen. Auch der | |
| Abteilungsleiter aus der Wirtschaftsbehörde, der bei einem Gespräch dabei | |
| gewesen ist, habe bestätigt, dass es keine Beeinflussung gegeben habe. | |
| Und so stehe es ja auch in den Tagebüchern des Warburg-Bankiers Christian | |
| Olearius, die den Anlass zum Untersuchungsausschuss geliefert haben. „Wenn | |
| man die Tagebucheinträge zusammenfasst, wird klar: Da war nichts.“ Viele | |
| Abgeordnete sind sich da nicht so sicher. Zwei der Treffen fanden im | |
| Abstand von wenigen Wochen statt – gerade zu der Zeit, als die | |
| Finanzverwaltung die überraschende Entscheidung traf, das Geld nicht | |
| zurückzufordern. | |
| 19 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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| Johannes Kahrs | |
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