# taz.de -- Hamburger Cum-Ex-Skandal: Dissens in der Behörde | |
> Beim Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss zeigt sich: Leitung und | |
> Sachbearbeiter im Finanzamt lagen mit ihren Einschätzungen weit | |
> auseinander. | |
Bild: Ob Matthias Petersen (l.) Olaf Scholz (r.) nur aus Befangenheit rauspaukt… | |
Sollte das Hamburger Finanzamt eine Steuerforderung von 47 Millionen Euro | |
gegenüber der Warburg-Bank [1][verjähren lassen]? Über diese Frage gab es | |
in der Verwaltung höchst unterschiedliche Auffassungen auf der Ebene der | |
direkt damit befassten Sachberarbeiteter und der Leitungsebene. Die | |
Betriebsprüfer wollten das Geld zurückfordern, die Sachgebietsleiterin und | |
ihre Vorgesetzten hielten das nicht für ausreichend begründet. | |
Die Betriebsprüferin Dagmar Meyer-Spiess schilderte vor einem | |
Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am Freitag, dass sich | |
ihre Sachgebietsleiterin Daniela Petersen auf eine Strategie zur Verfolgung | |
des Steuerfalls festgelegt hatte, die sie nicht bereit war, mit ihren | |
Mitarbeitern zu diskutieren. Meyer-Spiess schien diese Strategie abwegig. | |
„Man geht da einen Weg, auf dem wir völlig hilflos sind, überhaupt etwas zu | |
machen, und dann werden Steuern angerechnet ohne Ende“, sagte sie im | |
Hamburger Rathaus. | |
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, ob | |
der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz und sein damaliger | |
Finanzsenator, der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) | |
sich dafür eingesetzt haben, die Bank steuerlich schonend zu behandeln. | |
Klar ist, dass Bürgermeister [2][Scholz mehrfach mit den Eigentümern der | |
Bank in seinem Amtszimmer gesprochen hat]. Außerdem leitete Scholz ein | |
Warburg-Schreiben an seinen Finanzsenator weiter, der es abzeichnete und in | |
seine Behörde reichte. | |
Angebahnt hatten diese Kontakte zwei prominente SPD-ler: der damaligen | |
Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs und de ehemalige Hamburger Senator | |
Alfons Pawelzcyk. Pikant: Im Jahr darauf überwiesen Warburg-nahe | |
Gesellschaften 36.000 Euro Spenden an die Hamburger SPD. Der | |
Ausschussvorsitzende Matthias Petersen (SPD) und der SPD-Obmann im | |
Ausschuss Milan Pein haben als Mitglieder des geschäftsführenden | |
Landesvorstands diese Spenden akzeptiert. Die AfD-Fraktion hatte deshalb | |
eine Debatte darüber beantragt, ob beide befangen sein könnten. | |
## Ausschussmitglieder dürfen politische Interessen verfolgen | |
Der Leiter des Ausschuss-Arbeitsstabes Claudio Kirch-Heim wies darauf hin, | |
dass das Untersuchungsausschussgesetz eine Befangenheit im Sinne der | |
Strafprozessordnung nicht kenne. Der Ausschuss sei ein politisches Gremium, | |
dessen Mitglieder durchaus politische Interessen verfolgten. | |
Milan Pein stellte fest, an der Sitzung, auf der über die direkt von | |
Warburg überwiesene Spende von 7.500 Euro befunden wurde, hätten er und | |
Petersen nicht teilgenommen wegen einer Sitzung des Haushaltsausschusses. | |
In weiteren Sitzungen sei über 38.000 Euro von Warburg-Tochterfirmen an den | |
SPD-Bezirk Mitte entschieden worden. | |
Der CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker sagte, er glaube nicht, dass sich | |
Petersen und Pein persönlich bereichert hätten. Allerdings wolle Johannes | |
Kahrs vor dem Ausschuss nicht aussagen. Gegen ihn und Pawelczyk wird | |
[3][strafrechtlich wegen Begünstigung ermittelt]. Es wäre deshalb | |
wünschenswert, wenn die SPD für Klarheit sorgen würde. | |
Norbert Hackbusch von der Linken empfahl das der SPD im Interesse ihres | |
Rufs in der Stadt. Das sei auch ein wichtiges Thema für den Ausschuss. Im | |
Notfall wolle die Linke beantragen, den Untersuchungsauftrag | |
nachzuschärfen. | |
Bei der strittigen Steuerforderung ging es um Kapitalertragsteuer, die | |
Warburg angeblich entrichtet hatte und sich erstatten lassen konnte. Dabei | |
handelte es sich um ein sogenanntes Cum-Ex-Geschäft. Bei solchen Geschäften | |
werden Aktien auf eine Weise gehandelt, die verschleiert, wer die Aktien | |
wann besaß und Kapitalertragssteuer entrichtete. Investoren wurde es auf | |
diesem Wege ermöglicht, sich einmal bezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach | |
erstatten zu lassen. | |
## Streit um die „Lieferkette“ | |
Zwischen den Betriebsprüfern und der Sachgebietsleiterin gab es diametral | |
entgegengesetzte Auffassungen darüber, wo die Beweislast dafür lag, ob | |
Warburg die Kapitalertragssteuer bezahlt hatte. Petersen argumentierte wie | |
ihre Vorgesetzten, sie könne keinen Sachverhalt feststellen, der eine | |
Rückforderung gerichtsfest ermöglichen würde. Ihre Prüfer müssten | |
„Lieferketten“ ermitteln, also lückenlos nachweisen, wer die Aktien wann | |
besaß. | |
„Lieferketten kann man vielleicht bei einem Kühlschrank nachverfolgen – | |
aber nicht bei Milliarden von Aktienpaketen – das ist der falsche Weg mit | |
dem man uns in die irre führen wollte“, sagte dagegen Meyer-Spiess. Die | |
Betriebsprüferin betonte, die Bank trage die Beweispflicht. „Wenn ich nicht | |
beweisen kann, dass Kapitalertragssteuer erhoben wurde, kann ich sie mir | |
auch nicht erstatten lassen“, sagte sie. Das gelte insbesondere für Fälle | |
wie die Warburg-Bank, die sich im Eigenhandel sich selbst | |
Steuerbescheinigungen ausstellen. Mit Blick auf ein einschlägiges Urteil | |
des des Fianzgerichts Hessen und ein Gutachten der | |
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte glaubte sie ableiten zu können, | |
dass Warburg zu Unrecht Kapitalertragssteuer angerechnet wurde. | |
Die Strategie ihrer Vorgesetzten, unbedingt Lieferketten nachweisen zu | |
wollen, empfand Meyer-Spiess als Obstruktion: Wenn Gerichte schon | |
einschlägig entschieden hätten und das trotzdem nicht verfolgt werde, könne | |
man auf den Gedanken kommen, jemand wolle nicht, dass das verfolgt wird. | |
Ihr Kollege Manfred Halpaap, selbst der Auffassung die Steuern hätten | |
zurückgefordert werden müssen, teilte den Eindruck nicht, dass | |
Sachgebietsleiterin Petersen die Steuern nicht zurückfordern wollte. Sie | |
habe das rechtlich nur anders beurteilt. „Peteren hatte Bedenken bezüglich | |
der Kosten, die auf Hamburg zukommen könnten“, sagte Halpaap. Das zu | |
berücksichtigen sei aber nicht seine Aufgabe. | |
22 Oct 2021 | |
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[1] /SPD-Kandidat-und-Cum-Ex-Skandal/!5798402 | |
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[3] /Anfangsverdacht-der-Beguenstigung/!5804730 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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