| # taz.de -- Hamburger Cum-Ex-Steuerskandal: Zum Jagen getragen | |
| > Die Aussage der Kölner Staatsanwältin Brorhilker im Fall der Pivatbank MM | |
| > Warburg rückt die Hamburger Steuerverwaltung in ein schiefes Licht. | |
| Bild: Sagte vor dem Cum-Ex-Ausschuss der Hamburger Bürgerschaft aus: Oberstaat… | |
| Hamburg taz | Im [1][Cum-Ex-Untersuchungsausschuss] der Hamburgischen | |
| Bürgerschaft hat die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker sich verwundert | |
| über das Verhalten der Hamburger Finanzverwaltung gezeigt. Bei der | |
| Vorladung der Staatsanwältin ging es um die Frage, warum das Hamburger | |
| Finanzamt 2016 eine Steuerforderung von 47 Millionen Euro verjähren ließ | |
| und das 2017 mit 43 Millionen Euro noch einmal getan hätte, wäre es nicht | |
| vom Bundesfinanzministerium auf Trab gebracht worden. | |
| Der Ausschuss versucht, die Frage zu klären, ob der damalige Hamburger | |
| [2][Bürgermeister und designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich für | |
| eine Verschonung der Bank stark gemacht hat]. | |
| Bei den Steuerforderungen geht es um [3][illegale Cum-Ex-Geschäfte], bei | |
| denen sich Banken und Investoren im großen Stil Steuern erstatten ließen, | |
| die sie gar nicht gezahlt hatten. Der Betrag an Steuergeld, der auf diese | |
| Weise gestohlen wurde, dürfte sich auf 150 Milliarden Euro in 15 Ländern | |
| belaufen, schreibt der [4][Journalist Oliver Schröm]. Er verweist dabei auf | |
| das Zwischenergebnis eines Recherchenetzwerks, das die sogenannten | |
| Cum-Ex-Files auswertet, ein mittlerweile 200.000 Seiten starkes | |
| Datenkonvolut zum Steuerraub. | |
| Die Staatsanwältin Brorhilker ist seit 2013 mit dem Thema Cum-Ex befasst. | |
| In Hamburg machte sie von sich reden, als sie Anfang 2016 eine Durchsuchung | |
| der Warburg-Bank in der Hamburger Innenstadt anordnete. Der Verdacht gegen | |
| die Bank habe sich aus der Auswertung von Kommunikationsdaten der Kanzlei | |
| des Steuerrechtsanwalts Hanno Berger ergeben, sagte Brorhilker. Berger, der | |
| sich in die Schweiz abgesetzt hat, ist die schillerndste Figur im Geschäft | |
| mit dem Steuerraub. | |
| ## Von wegen nicht ausermittelt | |
| Bei der Vernehmung Brohilkers ging es unter anderem um ein Treffen im | |
| Herbst 2017 im Bundesfinanzministerium, zu dem Verteter der | |
| nordrhein-westfälischen sowie der hamburgischen Finanzverwaltung und | |
| Brorhilker in Begleitung von Kollegen kamen. Wie bereits 2016 wollten die | |
| Hamburger die erstatteten Kapialertragsteuern nicht zurückfordern. | |
| Das Argument der Hamburger, wie es auch im Ausschuss mehrfach vorgetragen | |
| wurde: Der Sachverhalt sei nicht ausermittelt. Es lasse sich keine | |
| Lieferkette rekonstruieren, also nicht nachweisen wie die Aktien, für die | |
| angeblich Kapitalertragssteuer bezahlt worden war, von Hand zu Hand gingen. | |
| Allerdings war es ja das Geschäftsmodell der Cum-Ex-Betrügereien, zu | |
| verschleiern, wer wann die Aktien besaß. | |
| Die Vertreter der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung hätten | |
| argumentiert, dass sich das Geld sehr wohl zurückfordern lasse, sagte | |
| Brorhilker. Ihre eigene Aufgabe sei es gewesen, Ermittlungsergebnisse | |
| vorzustellen. Anders als andere Zeugen schilderte Brorhilker das Gespräch | |
| als sachlich. Es habe „ein ruhiger Gesprächston“ geherrscht. | |
| „Meine Intention war, Sicherheit zu vermitteln“, sagte Brorhilker. Ein | |
| Kronzeuge der Staatsanwaltschaft habe zu diesem Zeitpunkt bereits | |
| detailliert ausgesagt gehabt, wie der Steuerdiebstahl funktionierte und den | |
| nächsten habe die Staatsanwaltschaft schon an der Angel gehabt. „Wenn man | |
| zwei Täter hat, die gestehen, ist man auf der sicheren Seite“, sagte | |
| Brorhilker. Sie habe dargestellt, dass es deshalb gar nicht nötig sei, die | |
| Lieferketten zu ermitteln. | |
| ## 1.000 Seiten Anschauungsmaterial | |
| Zu dieser Zeit lag auch ein 1.000-Seiten-Bericht der Wirtschaftsprüfungs- | |
| und Beratungsgesellschaft [5][Deloitte] vor, in dem Cum-Ex-Transaktionen | |
| detailliert dargestellt wurden. Darin habe sich auch „wirklich markante | |
| Kommunikation“ gefunden, sagte Brorhilker, etwa eine Mail, in der erörtert | |
| worden sei, ob sich die Cum-Ex-Abzocke wohl auch auf die USA ausdehnen | |
| lasse. | |
| Sie habe sich über die Unsicherheit der Hamburger gewundert, sagte | |
| Brorhilker. Immerhin hätten die Hamburger Finanzbeamten ja 2014 schon ein | |
| Cum-Ex-Verfahren erfolgreich vor Gericht durchgefochten – ohne dass, wie im | |
| zur Rede stehenden Fall, sogar noch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen | |
| liefen. | |
| Brorhilker verwies auf die vielen vorliegenden Indizien: riesige | |
| Transaktionsvolumina, hohe Abschläge für Vermittler wirtschaftlich | |
| unsinniger Geschäfte, Scheinrechnungen für Berater. Ein Zeuge habe | |
| ausgesagt, wie er einen anderen Händler bei der Warburg-Bank für so ein | |
| Geschäft unterboten habe. „Dass man da Zweifel hat, kann ich bis heute | |
| nicht nachvollziehen“, sagte Brorhilker. Stattdessen Lieferketten zu | |
| ermitteln, sei wenig aussichtsreich gewesen. „Das versprach, eine | |
| langwierige Angelegenheit zu werden“, sagte Brorhilker. | |
| Die Konferenz beim Bundesfinanzministerium endete mit einer verbindlichen | |
| Weisung an die widerstrebenden Hamburger. Brorhilker erinnert das so: „Es | |
| fiel irgendwann der Satz: Machen Sie den Sack zu.“ | |
| 3 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Untersuchung-von-Hamburger-Cum-Ex-Fall/!5816754 | |
| [2] /Neue-Indizien-im-Steuer-Skandal/!5815561 | |
| [3] https://www.finanzwende.de/themen/cumex/wie-funktionierten-die-cumex-gescha… | |
| [4] https://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?view=3&titel_nr=9123 | |
| [5] https://www2.deloitte.com/de/de.html | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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