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# taz.de -- SPD-Kandidat und Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz und die Steuermillionen
> Das Finanzamt Hamburg ließ Forderungen in Millionenhöhe verjähren. Holt
> der Skandal den Ex-Bürgermeister noch ein?
Bild: Muss nach der Bundestagswahl wiederkommen: Olaf Scholz vor dem Hamburger …
Mitten im Wahlkampf ist der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit zwei
Untersuchungsausschüssen konfrontiert. Der eine untersucht seine
Verantwortung beim Wirecard-Bilanzskandal, der andere seine Rolle beim
[1][Steuerdiebstahl der Hamburger Privatbank MM Warburg]. Dabei geht es
darum, ob Scholz als damaliger Hamburger Bürgermeister Einfluss auf das
Finanzamt genommen hat, um die Warburg-Bank zu schonen. Es ging um eine
Forderung von 47 Millionen Euro, die das Finanzamt damals verjähren ließ.
Bei dem Geld handelte es sich um Kapitalertragsteuer aus einem sogenannten
Cum-Ex-Geschäft. Im Zuge dessen hat das Finanzamt der Bank Steuern
erstattet, die die Bank aber nie bezahlt hatte. Mit Cum-Ex-Geschäften
[2][ist der deutsche Fiskus Schätzungen zufolge um 10 Milliarden Euro
geprellt worden]. Dabei wurden Aktien um den Dividendenstichtag herum mit
und ohne Dividende hin und her gehandelt, so dass am Ende schwer
nachvollziehbar war, wer Kapitalertragsteuer bezahlen musste.
Der [3][Hamburger Ausschuss] muss nun die Rolle der Finanzverwaltung in dem
Verwirrspiel der Banker und Juristen klären: Hat sie sich einfach nur ins
Bockshorn jagen lassen – oder ist sie vom damaligen Bürgermeister Scholz
und dessen Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) dahingehend beeinflusst
worden, die Steuerrückforderungen verjähren zu lassen?
Die vom Ausschuss bisher befragten Beamten des Finanzamtes und der
Finanzbehörde, also des Ministeriums, beantworteten die zweite Frage mit
Nein. Der Verlauf der Ereignisse lässt aber die Vermutung zu, dass die
Beamten zwar keinen Anweisungen, aber doch Hinweisen aus dem Senat folgten.
## Verdächtige Gedächtnislücken
Scholz hat das von Anfang an abgestritten. Das ging so weit, dass die
Senatskanzlei auf Anfrage verneinte, dass sich Scholz mit Christian
Olearius, einem der Eigentümer der Bank, getroffen habe. Dabei förderten
die Tagebücher des Bankers zutage, dass Olearius drei Mal von Scholz in
dessen Amtszimmer empfangen wurde. Scholz wollte sich vor dem Ausschuss an
den Inhalt dieser Gespräche nicht erinnern. Dabei fielen sie zeitlich mit
wichtigen Sitzungen zum Thema „Steuern zurückfordern oder nicht?“ zusammen.
Bei den ersten beiden Treffen ging es um die Rückforderung der 47
Millionen, die 2016 zu verjähren drohte. Im September schildert Olearius
dem Tagebuch zufolge die miserable wirtschaftliche Lage der Bank. Scholz
habe nichts versprochen, Olearius auch nichts gefordert. Im Oktober
berichtet Olearius noch mal den Sachstand. Die Reaktion des Bürgermeisters
glaubt er so auslegen zu können, „dass wir uns keine Sorgen zu machen
brauchen“.
Scholz sagt: „Ich habe mich vor und nach den Gesprächen aus den
Steuerangelegenheiten bei der [4][Warburg-Bank] herausgehalten.“ Die Frage
ist, ob das stimmt.
Am 9. November morgens telefoniert er auf eigenen Wunsch mit Olearius. An
diesem Tag schickt Olearius ein Schreiben an die für ihn zuständige
Sachgebietsleiterin im Finanzamt in Kopie an Tschentscher. Dieser zeichnet
das Schreiben, in dem die Bank ihre Rechtsposition schildert, in Grün ab
„mit der Bitte um Informationen zum Sachstand“.
## Einen Auftritt hat Scholz noch vor dem Ausschuss
Allein der Umstand, dass der Senator informiert werden wolle, könne schon
einer Aufforderung gleichkommen, sagte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen,
Scholz’ ehemaliger Justizsenator im Ausschuss. Jedenfalls fanden die
Beamten des Finanzamts für Großunternehmen und der Finanzbehörde im
gleichen Zeitraum zu einer Entscheidung. Nachdem die Sachgebietsleiterin
die Chancen, mit einer Rückforderung vor Gericht durchzukommen, zunächst in
einer längeren Ausarbeitung mit mindestens fifty-fifty taxiert hatte, fiel
am 17. November einstimmig die Entscheidung, nicht zurückzufordern.
Ein Aspekt, der den Aussagen zufolge dabei eine Rolle spielt, war die
Gefahr, in Amtshaftung genommen zu werden, falls die Bank wegen der
Steuerforderung pleitegehen sollte. Diese Gefahr hatten die Eigentümer der
Bank allerdings schon im April mit dem Versprechen, mögliche Schulden zu
übernehmen, gebannt.
Der zweite Aspekt war die Unsicherheit über den Sachverhalt. Es habe nicht
nachverfolgt werden können, wer welche Aktien wann an wen verkauft habe,
argumentierten die Beamtinnen in leitenden Funktionen, bis hin zur Chefin
der Steuerverwaltung. Die an dem Fall arbeitenden Betriebsprüfer fanden, es
reiche schon, dass MM Warburg nicht nachweisen könne, die Steuer bezahlt zu
haben. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits die ersten Urteile zur
Strafbarkeit solcher Cum-Ex-Praktiken vor.
Im Jahr darauf gab es noch einmal das gleiche Spiel, obwohl das
Bundesfinanzministerium die Hamburger gleich zu Jahresanfang anwies, das
jetzt in die Verjährung laufende Geld einzutreiben. Bei den Hamburgern kam
das gar nicht gut an. Solche Weisungen seien extrem selten und außerdem
noch an die dritte Hierarchie-Ebene gerichtet gewesen, sagte Angela
Nottelmann, die damalige Chefin der Steuerverwaltung. „Ich habe dem BMF
einen Hinweis auf die Kleiderordnung gegeben, das hat auch gewirkt.“
Nottelmann zufolge erklärten sich die Hamburger bereit, die Weisung
umzusetzen, wollten darüber aber noch mal mit dem Bund sprechen. Derartige
Weisungen sind sehr selten. Die Hamburger hatten Redebedarf. Eine knappe
Woche vor dem entsprechenden Termin Mitte November in Berlin besuchte
Olearius noch einmal den Bürgermeister, um für seinen Standpunkt zu werben.
Bei dem Treffen der Hamburger und Berliner Steuerexperten soll es dann
recht lebhaft zugegangen sein. Am Ende fügten sich die Hamburger und
forderten die 43 Millionen Euro zurück.
Scholz wird noch einmal vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen müssen,
um im Lichte neuer Erkenntnisse ein weiteres Mal befragt werden zu können –
aber erst nach der Bundestagswahl.
8 Sep 2021
## LINKS
[1] /SPD-Kanzlerkandidat-sagt-im-Cum-Ex-Ausschuss-aus/!5769127
[2] /BGH-Urteil-zu-Cum-Ex-Geschaeften/!5785995
[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/
[4] https://www.mmwarburg.de/de/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
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