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# taz.de -- Cum-Ex-Prozess eingestellt: Olearius kommt so davon
> Der bislang wichtigste Prozess zur Cum-Ex-Affäre wird eingestellt. Der
> Grund ist die angeschlagene Gesundheit des Angeklagten Christian
> Olearius.
Bild: Die Staatsanwaltschaft warf Olearius (links, mit seinen Anwälten) in 15 …
Berlin taz | Der bislang wichtigste Prozess, der Licht ins Dunkel der
milliardenschweren Cum-Ex-Affäre bringen sollte, ist seit diesem
Montagnachmittag Geschichte. Das Bonner Landgericht verkündete ein
Einstellungsurteil und beendete den Prozess ohne Frei- oder Schuldspruch.
Grund sind ernsthafte gesundheitliche Probleme (der Blutdruck) des
Angeklagten: Christian Olearius, 82 Jahre alt und ehemals Chef der
Warburg-Bank.
[1][Begonnen hatte das Verfahren im September vergangenen Jahres].
Stundenlang verlasen zwei Staatsanwälte die 371 Seiten starke
Anklageschrift. Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Köln warf Olearius in
15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung vor. Der Bankier habe
Cum-Ex-Deals initiiert und abgesegnet. „Er soll in alle Planungen
eingebunden gewesen sein und die maßgeblichen Entscheidungen getroffen
haben.“ Der entstandene Steuerschaden: „knapp“ 280 Millionen Euro.
Cum-Ex-Deals sind sogenannte Aktienkreisgeschäfte, um sich eine nur einmal
gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach vom Finanzamt erstatten zu lassen.
Die vier Verteidiger von Olearius wurden angeführt vom ehemaligen
CSU-Politiker Peter Gauweiler. Sein Mandant habe sich auf seine
Fachabteilungen verlassen, welche die Transaktionen rechtlich und
steuerlich geprüft hätten.
Der Anklage fehle ohnehin jegliche Glaubwürdigkeit: „Das Land NRW klagt
Taten an, die es selbst begangen hat.“ Gauweiler zielt damit auf
Cum-Ex-Geschäfte der staatlichen Landesbank WestLB, die bis heute nicht
strafrechtlich verfolgt würden. Bundesweit laufen mehr als hundert
Verfahren gegen etwa 2.000 Beschuldigte wegen Cum-Ex.
## Eine staatstragende politische Rolle
Der 1942 in der heutigen polnischen Provinz Opole geborene Olearius
studierte Jura in Heidelberg. Über einige Zwischenstationen bei Banken
wurde Olearius 1986 von Max M. Warburg Junior zur 1798 gegründeten, überaus
distinguierten Privatbank M.M.Warburg & CO in Hamburg geholt. Dort wurde er
persönlich haftender Gesellschafter und Sprecher der Gesellschafter. Bis
Ende 2019 leitete er dann den Aufsichtsrat des Traditionshauses.
Unter seiner Leitung wuchs die Bank wirtschaftlich und spielte in Hamburg
eine staatstragende politische Rolle. Vom SPD-Senat um Hilfe gebeten,
rettete Olearius Teile des maroden Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat sowie
die Hamburger Stahlwerke und verhinderte eine feindliche Übernahme der
Reederei Hapag-Lloyd, heute ein Weltmarktführer. Unter der Führung von
Olearius beteiligte sich das Bankhaus aber von 2008 bis 2011 – in
Zusammenarbeit [2][mit dem mittlerweile vom Bonner Landgericht verurteilten
Steuerstaranwalt Hanno Berger] – auch an Cum-Ex-Deals.
Nicht allein in Nordrhein-Westfalen scheinen Politiker ihre schützende Hand
über örtliche Kreditinstitute gelegt zu haben. Ein solcher Verdacht besteht
auch gegenüber Olaf Scholz. Der heutige Bundeskanzler traf als Hamburgs
Erster Bürgermeister mehrfach im Rathaus mit Olearius zusammen. „Es ging
[Olearius] darum, drohende Steuerrückzahlungen durch Druck auf politische
Entscheidungsträger abzuwenden“, meinte die Staatsanwaltschaft.
Beobachter hatten daher erwartet, dass Kanzler Scholz über kurz oder lang
als Zeuge nach Bonn geladen wird. Für Ökonomen ist die Lage allerdings
weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick erscheint. In vielen
Cum-Ex-Fällen sind ausländische Banken die Steuerprofiteure. Hiesige Banker
und Anwälte waren lediglich Dienstleister und kassierten dafür Provisionen.
Eine Revision gegen das Urteil vom Montag ist möglich, dies gilt aber als
unwahrscheinlich.
24 Jun 2024
## LINKS
[1] /Cum-Ex-Prozess-in-Bonn-beginnt/!5960486
[2] /Urteil-gegen-Cum-Ex-Schluesselfigur/!5934787
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Cum-Ex-Geschäfte
Banken
Steuerhinterziehung
Olaf Scholz
wochentaz
Das Milliardenloch
Cum-Ex-Geschäfte
Cum-Ex-Geschäfte
Peter Tschentscher
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