# taz.de -- Neuer Gesetzesentwurf in Tunesien: Radikal gegen Israel | |
> Tunesiens Parlament diskutiert ein Gesetz, das den Kontakt zu Israel und | |
> Israelis verbietet. Damit setzt das Land seine anti-israelische Linie | |
> fort. | |
Bild: Anti-israelischer Protest auf den Straßen von Tunis am 2. November | |
TUNIS taz | Das tunesische Parlament hat am Donnerstagabend die ersten | |
beiden Paragraphen eines Gesetzesentwurfes ratifiziert, der jegliche | |
geschäftlichen und private Kooperationen und Kontakte mit Israel und | |
Israelis unter Strafe stellt. | |
Die hitzige Debatte um die Details des „Gesetzes gegen die Normalisierung | |
der Beziehungen mit der zionistischen Entität“ beendete Parlamentspräsident | |
Brahim Bouderbala erst kurz vor Mitternacht. 161 Abgeordnete – und damit | |
die absolute Mehrheit der Parlamentarier – wollen das Gesetz nun in den | |
nächsten Tagen verabschieden. | |
Doch selbst der stets israelkritisch auftretende Präsident Kais Saied | |
fürchtet negative Auswirkungen auf Tunesien, das von Tourismus und | |
ausländischen Investitionen abhängig ist – und in dem weiterhin mehrere | |
[1][tausend jüdische Tunesier leben]. | |
Bouderbala verlas am Donnerstag eine Botschaft von Präsident Kais, in der | |
dieser vor unvorhersehbaren Auswirkungen des aktuellen Gesetzes auf | |
tunesische Diplomaten und Geschäftsleute warnt. Es wurde bereits seit Juli | |
diskutiert, seit dem Beginn des [2][Krieges zwischen der Hamas und Israel] | |
im Oktober wird das Gesetz im Schnellverfahren bearbeitet. | |
## Sogar zufälliger Kontakt mit Israelis wäre verboten | |
Das Gesetz würde schon zufällige Treffen mit israelischen Staatsbürgern zur | |
Straftat machen. Der Entwurf sieht ein Verbot jeglicher Interaktion mit | |
israelischen „Einzelpersonen, Institutionen, Organisationen, staatlichen | |
oder nichtstaatlichen Körperschaften“ vor. Das Verbot soll auch für | |
Veranstaltungen im „politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, | |
künstlerischen und sportlichen“ Bereich gelten, die in Israel und in den | |
israelisch besetzten Gebieten stattfinden. | |
Sollten also tunesische Geschäftsleute oder Diplomat:innen selbst im | |
Ausland zusammen mit Israelis an einer Konferenz oder Universitätsseminaren | |
teilnehmen, drohen ihnen in der Heimat sechs bis zehn Jahre Gefängnis und | |
eine Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro. Die Wiederholung von Handlungen, | |
die zur „Normalisierung der Beziehungen mit der zionistischen Entität“ | |
dienten, würden mit lebenslanger Haft bestraft werden. | |
Vor dem Parlamentsgebäude in Tunis forderten Demonstranten die | |
Parlamentarier am Donnerstag in Sprechchören auf, das Gesetz ohne | |
Verzögerung zu beschließen. „Wir sind gegen die anhaltende Spirale der | |
Gewalt und setzen auf solche Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern | |
in Gaza und dem [3][Westjordanland]“, erklärt eine Demonstrantin der taz. | |
## Die Mobilisierung erinnert an den Arabischen Frühling | |
Das Parlament in Tunis ist bisher öffentlich kaum in Erscheinung getreten. | |
Wegen des autokratischen Kurses von Saied und der anhaltenden | |
Politikverdrossenheit waren bei der letzten Parlamentswahl nur 11 Prozent | |
der Wähler an den Urnen erschienen. | |
Doch die aktuelle Welle der Solidarität mit den Palästinensern eint in | |
Tunesien sowie den Nachbarländern auch heftig zerstrittene Gegner. Viele | |
fühlen sich erinnert an die Mobilisierung der Massen während des | |
[4][arabischen Frühlings]. Das Schicksal der Palästinenser ist im Alltag | |
derzeit Thema Nummer eins. | |
„Wir werden an unserer Position festhalten, dass die palästinensische Frage | |
das zentrale Thema für unser Volk ist“, sagte Brahim Bouderbala am | |
Freitagmorgen. „Wir sind gegen die Normalisierung und Anerkennung der | |
Legitimität dieser Entität. Palästina muß vom Fluss bis zum Meer befreit | |
werden muss, mit der vollständigen Wiedererlangung des Heimatlandes, der | |
Rückgabe aller Gebiete und der Errichtung eines palästinensischen Staates | |
auf all seinen Gebieten, mit Jerusalem als Hauptstadt.“ Dem Staat Israel | |
spricht er damit das Existenzrecht ab. | |
3 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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