| # taz.de -- Deutsche Kolonialverbrechen in Tansania: „Sorry“ allein reicht … | |
| > Steinmeier hat für Kolonialverbrechen um Entschuldigung gebeten. Nun geht | |
| > es um Rückgaben – auch von menschlichen Überresten. | |
| Bild: Bundespräsident Steinmeier legt am 1. November einen Kranz im Memorial P… | |
| Daressalam taz | Deutschlands zweite Entschuldigung für Kolonialverbrechen | |
| in Afrika – in Tansania, nach der in Namibia – könnte eine neue Ära in den | |
| deutsch-afrikanischen Beziehungen einläuten, die den Weg zu Reparationen | |
| ebnet. Doch das Schuldeingeständnis des deutschen Präsidenten Frank-Walter | |
| Steinmeier während seines Staatsbesuchs in Tansania und seine Bitte um | |
| „Verzeihung“ hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. | |
| In Songea im Süden Tansanias, Schauplatz eines Massakers an einheimischen | |
| Aufständischen durch deutsche Truppen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hatte | |
| Steinmeier am 1. November eine Gedenkstätte besucht, einen Kranz | |
| niedergelegt und Nachfahren der Getöteten getroffen. „Als deutscher | |
| Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier | |
| Ihren Vorfahren angetan haben“, [1][hatte er gesagt]. „Ich bitte um | |
| Verzeihung, und ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche mit Ihnen | |
| nach Antworten suchen werden auf die offenen Fragen, die Ihnen keine Ruhe | |
| lassen.“ | |
| Tansanias Außenminister January Makamba nannte Steinmeiers Worte „sehr | |
| wichtig“ und sprach von einem „notwendigen Schritt im Umgang mit einem | |
| dunklen – und sehr zerstörerischen – Kapitel in unserer Geschichte“. [2]… | |
| schrieb] auf X (Twitter) weiter: „Unsere beiden Regierungen werden jetzt | |
| ein gemeinsames Team zusammenstellen, um Dialog zu führen und vielfältige | |
| Dinge zu klären, einschließlich einer Art konkreter Wiedergutmachung und | |
| der Rückgabe von Gütern und menschlichen Überresten“. | |
| Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan hatte zuvor auf ihrer | |
| Abschlusspressekonferenz mit Steinmeier in Daressalam bereits angekündigt: | |
| „Wir haben dies im Detail diskutiert, und wir stehen bereit, Verhandlungen | |
| zu eröffnen, um zu sehen, wie wir uns über das deutsche koloniale Erbe | |
| einig werden.“ | |
| ## Den Worten müssen Taten folgen | |
| Diese Äußerungen machen deutlich, dass von tansanischer Seite Erwartungen | |
| an Deutschland geknüpft werden, den präsidialen Worten Taten folgen zu | |
| lassen. Manche in Tansania hoffen nun auf eine beschleunigte Rückgabe der | |
| nach Deutschland gebrachten sterblichen Überreste getöteter traditioneller | |
| Führer. | |
| „Tansanier begrüßen diesen wichtigen Schritt Deutschlands“, sagte Analyst | |
| Peter Nyanje. „Aber die ehemalige Kolonialmacht muss daran erinnert werden, | |
| dass eine Bitte um Verzeihung allein nicht ausreicht. Nun sollte die | |
| Repatriierung der Freiheitskämpfer folgen, die nach Deutschland gebracht | |
| wurden, nachdem der Maji-Maji-Aufstand brutal niedergeschlagen wurde.“ | |
| Aktivisten wünschen sich beispielsweise die Rückgabe der Leiche des Königs | |
| Manga Meli, der von den Deutschen gehenkt wurde. | |
| Zugleich entfacht diese Debatte alte Differenzen zwischen Tansanias | |
| Zentralregierung und lokalen Gemeinschaften in ehemaligen | |
| Aufstandsgebieten, die bis in die Gegenwart reichen. Unter der Herrschaft | |
| der seit der Unabhängigkeit regierenden CCM (Chama Cha Mapinduzi) sind | |
| manche Bevölkerungsgruppen von ihrem angestammten Land vertrieben worden, | |
| um Platz für Nationalparks und Tourismus zu schaffen. Dass eine deutsche | |
| Institution daran beteiligt ist, wirft Fragen über die Ernsthaftigkeit des | |
| deutschen Umgangs mit tansanischen Bevölkerungen auf. | |
| ## „Hört auf, Indigene zu vertreiben“ | |
| Zuletzt betraf dies die Maasai-Bevölkerung im Gebiet Loliondo in der | |
| nördlichen Ngorongoro-Provinz. Regierungsstreitkräften wird brutale Gewalt | |
| vorgeworfen, während Vertriebene angeblich weder Alternativland noch | |
| Entschädigung erhalten. Die Naturschutzaktivitäten in diesem Gebiet werden | |
| von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt finanziert. | |
| „Um Verzeihung zu bitten, hilft niemandem“, sagt ein Aktivist, an die | |
| Deutschen gerichtet. „Hört auf, Indigene aus dem Land ihrer Vorfahren zu | |
| vertreiben.“ Aktivistin Sussana Nordlund fordert eine Entschuldigung der | |
| Zoologischen Gesellschaft für ihre Aktivitäten. | |
| Die Frankfurter Naturschutzorganisation sagt, dass sie ihre tansanischen | |
| Partner seit über 60 Jahren unterstützt, Wildhüter ausrüstet und | |
| Monitoring-Flüge anbietet. Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung sei | |
| zentral. | |
| 15 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier… | |
| [2] https://twitter.com/JMakamba/status/1720089252875407392 | |
| ## AUTOREN | |
| Alloyce Kimbunga | |
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