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# taz.de -- Regierungsbildung Spanien: Amnestie für den Machterhalt
> Pedro Sánchez einigt sich mit Parteien auf ein Gesetz, das katalanischen
> Politikern Amnestie gewährt. Darunter sind mehrere, die im Exil leben.
Bild: Pedro Sánchez sichert sich Stimmen, hier mit Andoni Ortuzar von der bask…
Madrid taz | Es ist so weit. Am Montag reichte die sozialistische PSOE
zusammen mit Regionalparteien aus Galicien, dem Baskenland und Katalonien
beim spanischen Parlament ein Amnestiegesetz ein, das Straffreiheit für
katalanische Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten gewährt. Das betrifft
vor allem all jene, die gegen den Willen der Zentralregierung 2014 eine
Bürgerbefragung und 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum organisierten. Die
Amnestie ist einer der wichtigsten Punkte der Vereinbarungen, die die PSOE
von Ministerpräsident Pedro Sánchez mit anderen Parteien schloss, um nach
einer Parlamentsdebatte am Mittwoch und Donnerstag für [1][weitere vier
Jahre ins Amt] gewählt zu werden.
Mit dem Gesetz erreichte Sánchez die Unterstützung der in Katalonien
regierenden Republikanischen Linken (ERC) und von der katalanisch
separatistischen Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat). Diese wird vom im
Brüsseler Exil lebenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles
Puigdemont geführt.
Das „Gesetz der Amnestie zur institutionellen, politischen und sozialen
Normalisierung in Katalonien“, so der offizielle Name, begünstigt all
diejenigen, die von 2012 bis heute in Zusammenhang mit den beiden
Volksbefragungsprozessen angeklagt oder verurteilt wurden. Das dürften rund
400 Personen sein, darunter auch Puigdemont und weitere im Exil lebende
Politiker sowie 73 Polizeibeamte, die wegen Polizeigewalt am Tag des
Referendums, dem 1. Oktober 2017, angeklagt sind.
Es handele sich um ein „einzigartiges Gesetz zur Regulierung der
politischen Lage und zur Förderung von Lösungen“ für den Konflikt in
Katalonien, heißt es im Vorwort. Die Amnestie sei ein „schwieriger Weg“,
der aber „mutig und versöhnlich“ sei.
## Sánchez macht aus der Not eine Tugend
Die Amnestie werde „der Politik zurückgeben, was die Politik nie hätte
verlassen dürfen“, erklärte Sánchez bereits bevor das Gesetz eingereicht
wurde. Der 2017 regierende konservative spanische Ministerpräsident Mariano
Rajoy brach alle Kontakte nach Katalonien ab und überließ das Problem der
Polizei und den Gerichten. Eltern, Lehrer und Direktoren, die dafür
sorgten, dass Schulen als Wahllokale dienen konnten, werden seither
gerichtlich verfolgt.
Die gesamte katalanische Regierung wurde vor Gericht gestellt und zu bis zu
13 Jahren Haft verurteilt. Später wurden sie von der Regierung Sánchez
begnadigt. Andere gingen, so wie der ehemalige [2][katalanische Präsident
Carles Puigdemont], ins Exil. Er und seine Partei Gemeinsam für Katalonien
(JxCat) sowie die mittlerweile in Barcelona regierende Republikanische
Linke Kataloniens (ERC) handelten das Amnestiegesetz mit Sánchez aus.
„Bei den Wahlen am 23. Juli haben die Bürger gesagt, dass Spanien nur
regiert werden kann, wenn der politische Pluralismus und die territoriale
Vielfalt des Landes anerkannt werden“, erklärte Sánchez am Wochenende auf
dem Kongress der europäischen Sozialdemokratie im südspanischen Málaga.
Sánchez macht damit aus der Not eine Tugend. Denn noch im Wahlkampf wollte
er von einer Amnestie nichts wissen. Ein solches Gesetz habe in der
spanischen Verfassung keinen Platz, behauptete er ohne juristische
Grundlage. Und vor nunmehr vier Jahren versprach Sánchez gar, Puigdemont
nach Spanien vor die Richter zu zerren.
Das Umdenken kam mit dem Ergebnis der Wahlen. Die PP wurde stärkste Partei.
Jedoch gelang es PP-Chef Feijóo nicht, eine Parlamentsmehrheit hinter sich
zu vereinen. Er schloss ein Bündnis mit der rechtsextremen VOX. Keine
weitere Partei wollte dies unterstützen. Feijóo wurde damit selbst Opfer
einer Brandmauer aller restlichen Fraktionen gegen rechts außen.
Es war die Stunde des [3][Zweitplatzierten Sánchez]. Er begann damit ein
breites Bündnis zu schmieden, um selbst die Parlamentsmehrheit zu
erreichen, was jetzt gelang. 179 der 350 Abgeordneten unterstützen ihn für
weitere vier Jahre. Mit dabei sind all diejenigen, die von der Loslösung
Kataloniens von Spanien träumen: linke Basken, die einst den bewaffneten
Kampf verteidigten, Konservative, die im Baskenland regieren, galicische
Linksnationalisten sowie Regionalisten von den Kanaren.
Sie alle bringen damit ihre Ablehnung gegenüber PP und VOX zum Ausdruck.
Die beiden Rechtsparteien regieren seit den Kommunal- und Regionalwahlen
vergangenen Mai gemeinsam in mehr als 100 Gemeinden und Städten sowie in
fünf Regionen. Überall dort werden seither unter anderem die Rechte von
Frauen und sexuellen Minderheiten beschnitten. Dort wo sie gemeinsam
regieren und es – wie auf den Balearen in Form des Katalanischen – eine
eigene Sprache neben dem Kastilischen gibt, versuchen PP und VOX den
Einfluss dieser Regionalsprache zurückzudrängen. All das macht Angst und
stößt auf Ablehnung.
Neben dem Amnestiegesetz hat Sánchez in den Verhandlungen eine Reihe
weiterer wichtiger Zugeständnisse gemacht. Verhandelt wurden unter anderem
mehr Investitionen auf den Kanaren und in Galicien sowie ein Schuldenerlass
für Katalonien. Auch soll es Gespräche unter internationaler Beobachtung
zur Lösung des Katalonienkonflikts geben.
All das ist für PP und VOX eine „Erniedrigung Spaniens“ und eine Gefahr f�…
„die Einheit der Nation“. PP-Chef Alberto Nuñez Feijóo lädt deshalb alle
Spanier ein, sich den Protesten gegen die Amnestie anzuschließen – bisher
aber ohne sichtbaren Erfolg. Obwohl das Thema umstritten ist, hält sich die
PSOE bei jüngsten Umfragen erstaunlich gut. 87 Prozent der Sozialisten
stellten sich in einer Basisabstimmung hinter ihren Parteichef und dessen
Verhandlungen.
In Katalonien loben selbst strikte Gegner der Loslösung von Spanien die
Vereinbarung zwischen Sozialisten und Unabhängigkeitsbefürwortern. „Das
Abkommen öffnet die Tür zu einem politischen Szenario, das so in der
zeitgenössischen Geschichte Spaniens selten war: Alle sind dabei“, schreibt
etwa der stellvertretende Chefredakteur und Leiter des Hauptstadtbüros der
konservativen Zeitung [4][La Vanguardia] aus Barcelona, Enric Juliana.
13 Nov 2023
## LINKS
[1] /Regierungsbildung-in-Spanien/!5972199
[2] /Strafreform-in-Spanien/!5908516
[3] /Schwierige-Regierungsbildung-in-Spanien/!5963272
[4] https://www.lavanguardia.com/
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
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