# taz.de -- Flüchtlinge in Spanien: So schürt die Rechte Stimmung | |
> Immer mehr Menschen auf der Flucht landen in Spanien. Die rechten | |
> Parteien PP und VOX nutzen das offenbar, um auf ein bestimmtes Ziel | |
> hinzuarbeiten. | |
Bild: Menschen auf der Flucht landen auf den Kanarischen Inseln | |
Madrid taz | Die Kanarischen Inseln verzeichnen einen Flüchtlingsrekord. | |
Alleine im Oktober kamen auf dem zu Spanien gehörenden Archipel vor Afrikas | |
Atlantikküste Flüchtlingsboote mit rund 13.000 Migranten an. Das entspricht | |
knapp der Hälfte der 27.800 Menschen, die seit Jahresbeginn [1][den | |
gefährlichen Seeweg auf den Außenposten der Europäischen Union] angetreten | |
haben. 2023 ist also dabei, zum Jahr mit den meisten Flüchtlingen zu | |
werden. Bisher ist das 2006. Damals kamen insgesamt 31.000 Migranten auf | |
den Kanaren an. | |
Die Neuankünfte im Oktober erschöpfen die Kapazität der Inseln. Die | |
Regierung in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez fängt an, 8.700 | |
Migranten auf das spanische Festland zu bringen und sie dort auf mehrere | |
Provinzen zu verteilen. Als Notunterkünfte halten leer stehende Kasernen, | |
alte Krankenhäuser, Hotels und religiöse Unterkünfte her. Außerdem werden | |
Einrichtungen genutzt, die Flüchtlingen aus der Ukraine vorbehalten waren | |
und jetzt wieder leer stehen. | |
Während einige Städte – die vorwiegend von den gleichen Linksparteien | |
regiert werden, [2][die auch die spanische Regierung stellen] – sich | |
solidarisch zeigen, schlagen rechte Gemeindeverwaltungen und autonome | |
Gemeinschaften – vergleichbar mit den Bundesländern – Alarm. Dort regiert | |
die [3][konservative Partido Popular (PP)] größtenteils zusammen mit der | |
rechtsextremen VOX. | |
Die Migranten würden aufgenommen und es sei nun üblich, sie, „ohne mit den | |
autonomen Gemeinschaften zu sprechen, in Flugzeuge zu setzen und an | |
Bushaltestellen auszusetzen“, erklärt PP-Chef und Oppositionsführer Alberto | |
Nuñez Feijóo. „Die Regierung Sánchez hat beschlossen, mit der organisierten | |
Kriminalität der Schleppermafia zusammenzuarbeiten, indem sie zum letzten | |
Glied der Kette wird“, geht der PP-Abgeordnete Rafael Hernando auf X noch | |
einen Schritt weiter. | |
## Rassistische Entgleisungen | |
PP und VOX nutzen das Thema Flüchtlinge, um Unmut gegen die alte und wohl | |
auch neue Linkskoalition zu schüren. Der Sozialist Sánchez muss nach den | |
Wahlen im vergangenen Juli im Laufe des Novembers erneut die | |
Parlamentsmehrheit hinter sich vereinen, will er weiter regieren. | |
[4][Ansonsten kommt es zu Neuwahlen]. Und genau darauf scheinen die beiden | |
Rechtsparteien hinzuarbeiten. | |
„Wir wurden nicht informiert“, wiederholt die Chefin der Regierung der | |
Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz Ayuso, immer wieder, obwohl dies laut | |
Innenministerium nicht wahr ist. Sie wirft Sánchez vor, die Migranten „wie | |
Pakete auf die Halbinsel zu bringen und sie überall zu verteilen“. In und | |
um Madrid sollen mindestens 425 Migranten untergebracht werden. | |
„Wenn sie sie nicht wie Tiere markieren, ihnen etwa ein Armband oder was | |
Vergleichbares verpassen, weiß ich nicht, was für einer Kontrolle diese | |
Kreaturen, die anfangen herumzustreifen, unterliegen werden“, erklärt in | |
einem Radiointerview der Kultur- und Traditionsbürgermeister der PP der | |
Kleinstadt Torrox im südspanischen Andalusien. In diese Region sollen rund | |
2.000 Flüchtlinge kommen. Auf den Kanaren gebe es bereits Typhus, fügt er | |
hinzu und warnt: „Wir wissen nicht, was sie treiben werden, ob sie dir das | |
Auto stehlen.“ | |
In Castilla y León warnt der VOX-Politiker und Vize-Regierungschef Juan | |
García-Gallardo: „Während die Regierung behauptet, die Interessen der | |
Frauen zu vertreten, bringen sie 183 junge Männer im wehrpflichtigen Alter | |
hierher.“ | |
## Gegen den rassistischen Chor | |
Der Vizepräsident der kanarischen Regierung, Manuel Domínguez, ist der | |
einzige Politiker der spanischen Rechten, der offen aus dem rassistischen | |
Chor ausschert. „Das kann einfach nicht sein. Wenn wir ein bisschen, nur | |
ein bisschen Einfühlungsvermögen haben, wenn jemand zu einem der Häfen | |
käme, um zu sehen, wie diese Leute von Bord gehen, würde sich die Meinung | |
wohl ändern. Wir sollten mit diesen Vorwürfen aufhören“, mahnt Domínguez. | |
„Sie versuchen diese Angelegenheit politisch, opportunistisch und | |
ausländerfeindlich auszuschlachten“, erklärt Spaniens Sozial- und | |
Einwanderungsminister José Luis Escrivá. Aus nicht von der PP regierten | |
Regionen, wie etwa Katalonien, das über 1.600 Flüchtlinge aufnehmen soll, | |
oder dem Baskenland, wo am vergangenen Freitag die ersten 36 Flüchtlinge | |
ankamen, gibt es kaum kritische Stimmen. | |
29 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Mindestens-18-Tote/!5946377 | |
[2] /Mindestens-18-Tote/!5946377 | |
[3] /Vor-den-Parlamentswahlen-in-Spanien/!5945275 | |
[4] /Schwierige-Regierungsbildung-in-Spanien/!5963272 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Spanien | |
VOX | |
PP | |
Pedro Sánchez | |
Afrikanische Flüchtende | |
Spanien | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geflüchtete in Spanien: Zwischenlandung ins Chaos | |
Immer mehr Flüchtende beantragen bei Landungen in Spanien Asyl. Die | |
Bedingungen in den Wartesälen seien laut Rotem Kreuz unhaltbar. | |
Regierungsbildung Spanien: Amnestie für den Machterhalt | |
Pedro Sánchez einigt sich mit Parteien auf ein Gesetz, das katalanischen | |
Politikern Amnestie gewährt. Darunter sind mehrere, die im Exil leben. | |
OECD-Migrationsbericht für Deutschland: Hälfte der Zuwanderer sind EU-Bürger | |
Die Hälfte der Personen, die 2022 nach Deutschland einwanderten, waren | |
EU-Bürger. Sie sind die größte Gruppe, dann folgen Kriegsgeflüchtete. | |
Flucht nach Europa über Kanaren: Über 1.100 Menschen erreichen Küsten | |
Der spanische Rettungsdienst Archipel vermeldet die Ankunft von mehreren | |
Booten auf den Kanarischen Inseln. Die Zahl der Fliehenden ist deutlich | |
gestiegen. | |
Fluchtroute von Afrika auf Kanaren: Verloren im Atlantik | |
Rund 400 Menschen kommen derzeit auf der Insel Gran Canaria an. Pro Tag. | |
Doch viele Flüchtlingsboote verschwinden schon vorher im Ozean. |