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# taz.de -- Mediziner zu Infektionen und Reformen: „Dieses Jahr wird das nich…
> Die aktuelle Corona-Lage lässt den Intensivmediziner Christian
> Karagiannidis entspannt. Bei der Krankenhausreform aber drohe die
> Stimmung zu kippen.
Bild: Gab härtere Zeiten: Blick in die Intensivstation des Universitätsklinik…
taz: Herr Karagiannidis, was macht eigentlich Corona?
Christian Karagiannidis: Die Zahlen aus dem Abwassermonitoring bei uns
hier in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die Anzahl der [1][Infektionen
deutlich nach oben] geht.
Das deckt sich mit Berichten aus dem Bekanntenkreis. Sind auch schwere
Verläufe darunter?
Im Klinikalltag haben wir jetzt doch wieder ein paar mehr Fälle auf den
Intensivstationen. Das sind aber allesamt Menschen aus den
Risikokollektiven – zum Beispiel transplantierte Patienten.
Für die meisten Menschen scheint das Thema Corona jedoch durch zu sein. Ist
das berechtigt?
Ich bin insgesamt entspannt. Die Immunität der Bevölkerung ist weiterhin
gut. Aber die Risikogruppen müssen sich nochmal impfen. Und sie müssen sich
jetzt auch schützen. Meinen chronisch kranken Patienten sage ich, dass sie
in dieser Phase wirklich auch wieder Maske tragen und aufpassen müssen.
Die Auffrischungsimpfung ist für Menschen ab 60 und Risikogruppen
empfohlen. Aber [2][es gibt eine gewisse Impfmüdigkeit], oder?
Ja, das beobachte ich auch. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man jetzt
jeden völlig fitten 60- oder 70-Jährigen impfen muss, der bereits
ausreichend grundimmunisiert ist. Wir müssen uns konzentrieren auf die, die
jetzt am meisten von der Impfung profitieren: die chronisch Kranken und die
Hochaltrigen.
Wenn die Infektionszahlen steigen, betrifft das auch das Personal. Haben
Sie noch genug Mitarbeiter*innen an den Betten?
Im [3][Sommer 2022 hatten wir einen starken Personalausfall] durch Corona.
So schlimm war und ist es im Moment nicht. Wir sehen aber, dass andere
respiratorische Erkrankungen auch eine Rolle spielen. Deswegen finde ich
besonders wichtig, dass sich alle noch mal drauf konzentrieren, dass die
Influenza vor der Tür steht. Die Saison wird irgendwann jetzt im Dezember
beginnen. Die Impfung ist gerade für die Mitarbeiter enorm wichtig. Und da
sind wir nicht gut, das muss man sagen.
Das war aber schon vor Corona so, oder?
Im Osten waren die Influenza-Impfquoten besser als im Westen. Wir haben
schon immer Schwierigkeiten gehabt, die Leute ausreichend zu motivieren.
Als wir 2018 diese starke Welle hatten, haben noch mal alle gemerkt, ach,
das ist ja eine schwere Erkrankung – und haben sich dann im nächsten Jahr
impfen lassen. Aber da ist ganz klar noch Luft nach oben. Da würde ich echt
noch mal darauf aufmerksam machen, dass sich auch die über 60-Jährigen und
alle chronisch Kranken gegen Grippe impfen lassen. Asthma reicht da – in
meinen Augen – als Grund schon aus.
Aus den Kinderkliniken kommt die Warnung: Wir stehen [4][eher noch
schlechter da als im letzten Jahr], was die Personalsituation betrifft.
Gilt das auch für die Erwachsenenmedizin?
Ich glaube, ganz so schlimm ist es nicht. Wir haben in der
Erwachsenenmedizin deutlich mehr Kapazitäten als bei den Kindern. Es ist
jetzt nicht so, dass wir hier unendlich viele freie Betten hätten, aber es
sind ausreichend Kapazitäten da.
Das könnte in Zukunft anders aussehen. Die als so dringend empfundene
Krankenhausreform ist [5][noch einmal ganz schön ins Stocken gekommen].
Man merkt, dass die Stimmung so langsam anfängt zu kippen. Wir müssen jetzt
wahnsinnig aufpassen, dass wir aus Angst nicht den Kurs der
gesellschaftlichen Mitte verlieren. Wenn die Bundesländer oder die
Krankenhausgesellschaft jedes Mal den Weltuntergang herbeireden, wenn
irgendwo ein 100-Betten-Haus schließt, dann treibt das der AfD und anderen
extremistischen Kräften nur noch mehr Wähler zu.
… weil die AfD mit den Ängsten der Menschen spielt. Aber: Kann die
Krankenhausreform noch scheitern?
Das ist keine Option, und ich glaube, das wissen alle.
Ist der Zeitplan – das Reformgesetz sollte noch in diesem Jahr beschlossen
werden – überhaupt noch zu halten?
Nein, dieses Jahr wird das, glaube ich, nichts mehr. Aus meiner Sicht
müssen wir im April, spätestens Mai durch den Bundesrat durch sein. Wenn
das mit den Wahlen im Osten und dem Bundestagswahlkampf zusammenfällt, dann
haben wir keine Chance mehr. Das Zeitfenster für eine tiefgreifende Reform
schließt sich dann.
Das klingt dramatisch.
Ganz so pessimistisch bin ich auch nicht, weil allen klar ist, dass eine
Reform seit Jahren überfällig und der Istzustand nicht mehr haltbar ist.
Was man auch nicht unterschätzen darf, sind die Digitalgesetze.
Damit sollen vor allem [6][die elektronische Patientenakte und das E-Rezept
Standard werden].
Nächste Woche ist die Anhörung im Bundestag. Diese Reform ist für uns
mindestens genauso wichtig wie die Krankenhausreform. Ich nenne Ihnen ein
Beispiel: In dieser Woche kam ein Mann mit schwerer Lungenerkrankung in
unsere Notaufnahme, bei dem nicht klar war, ob er schon zur
Transplantation gelistet ist. In solchen Situationen, wenn der Zustand des
Patienten so schlecht ist, muss man schnell entscheiden. Aber wir haben
sechs Telefonate gebraucht, bis nach drei Stunden ein Fax mit den
lebenswichtigen Informationen kam. Deswegen ist für uns die elektronische
Patientenakte so zentral. Gerade weil die Ressourcen immer weniger werden.
13 Nov 2023
## LINKS
[1] /Infektion-mit-Covid-19/!5965594
[2] /Impfstart-in-den-Hausarztpraxen/!5957986
[3] /Personalnotstand-in-Krankenhaeusern/!5864029
[4] /Erkrankungsrate-in-Deutschland/!5895627
[5] /Einigung-auf-Krankenhausreform/!5946911
[6] /Lauterbachs-Gesetzesvorhaben/!5953379
## AUTOREN
Manuela Heim
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