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# taz.de -- Jugendforscher über AfD-Erfolg: „Sie suchen nach Sündenböcken�…
> Bei den Wahlen in Bayern und Hessen gaben viele Unter-30-Jährige der
> extrem rechten AfD ihre Stimme. Jugendforscher Klaus Hurrelmann erklärt
> die Gründe.
Bild: Einfache Botschaften scheinen bei manchen Jungen zu verfangen, AfD-Plakat…
taz: Herr Hurrelmann, bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern haben
überraschend viele junge Menschen die Alternative für Deutschland (AfD)
gewählt. Was ist der Grund?
Klaus Hurrelmann: Grundsätzlich sind knapp 10 Prozent der jungen Leute
unter 30 nationalistisch orientiert und vertreten rechtspopulistische
Positionen. Bei denen hat die AfD leichtes Spiel. In ihrem Ergebnis liegt
sie aber deutlich darüber. Meiner These nach war das eine Kombination aus
Enttäuschung und nicht erfüllter Bedürfnisse. Immer mehr fühlen sich sozial
abgehängt und sehen für sich keine Perspektiven. Die Corona-Pandemie hat
das verschärft. In ihrer Folge ist die Zahl der Jungen, die sich abgehängt
fühlen, von 20 Prozent auf mindestens 25, vielleicht sogar 30 Prozent
gestiegen.
Wie hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen?
Fast drei Jahre herrschte Ausnahmezustand. Während Corona kümmerte sich die
Politik um die Arbeitenden und die Alten. Aber die Jungen standen vor
verschlossenen Bildungsinstitutionen. Sie wurden in ihrem Bildungsrhythmus
getroffen. Vielleicht haben sie den Schulabschluss nicht geschafft, sind in
ihre gewünschte Ausbildung nicht reingekommen oder haben sie abgebrochen
und machen heute gar nichts. Zu ihnen gehören viele junge Männer, teils aus
Familien, denen es selbst wirtschaftlich nicht gut geht. Sie empfinden das
als Demütigung und fühlen sich vernachlässigt. Und Menschen mit diesem
Gefühl anzusprechen, gelingt der AfD grundsätzlich gut.
Auch nach den Landtagswahlen 2021 in Sachsen-Anhalt wurde über die starke
Zustimmung junger Ostdeutscher für die AfD diskutiert. Hätten nur die unter
Dreißigjährigen gewählt, wäre die AfD dort stärkste Kraft geworden. Als
Grund wurde ebenfalls Corona, sowie die schwache Infrastruktur im Osten
genannt. Inwieweit sind die Wahlergebnisse miteinander vergleichbar?
Sie sind sehr direkt vergleichbar. Junge Leute sind sensibel für
Entwicklungen. Für alle Regionen in Deutschland zeigt sich: Junge Menschen
fürchten, die Wohlstandsjahre sind vorbei und fühlen sich verunsichert in
ihrer sozialen Sicherheit. Sind solche Gefühle des relativen
Zurückgesetzt-Seins sehr stark, spielt es keine Rolle, ob ich in
Sachsen-Anhalt oder Bayern lebe. Die Menschen suchen dann nach
strukturellen Gründen, nach Sündenböcken und wenden sich an die
Oppositionspartei, die noch nie regiert hat und sozusagen unschuldig ist an
den neuen Verhältnissen. Das kommt der AfD zugute. In Teilen, aber
abgeschwächt wegen der langen Regierungsbeteiligung, auch der Union.
Die hat ihre hohen Wahlergebnisse insbesondere den Älteren über 60 zu
verdanken.
Mit ihrer Kommunikation, ihrer Art zu argumentieren und zu arbeiten können
die traditionellen Volksparteien die Jüngeren nicht überzeugen. Sie
verlassen sich zu sehr auf ihre alte Wählerschaft. Das ist kurzsichtig: Sie
verschlafen den Trend zur digitalen Kommunikation. Da hat die AfD, die im
digitalen Zeitalter gegründet wurde, die Nase vorn. Umso bemerkenswerter
der Erfolg der Unionsparteien auch bei den Jüngeren.
Als ein wichtiges Thema für junge Menschen gilt die Bewältigung der
Klimakrise. Aber die AfD bietet dafür keine Lösungen. Haben sich die Themen
verschoben?
Ja, die wirtschaftliche Sorge ist dominant geworden. Das war sie schon
immer in der Gruppe der ‚Abgehängten‘, die während der Pandemie wuchs. F�…
sie war auch das Klimathema wichtig, aber an erster Stelle stand schon
immer die Frage: Wie komme ich als Einsteiger in Arbeit und Beruf? Wie kann
ich vernünftig leben und einen Wohlstand erreichen, der nach eigener
Einschätzung Standard ist? Wird hier eine Gefährdung gesehen, zum Beispiel
durch Themen wie irreguläre Migration, den Krieg in der Ukraine, der
Inflation – dann rutscht die Frage noch weiter in den Vordergrund.
Was müssen die etablierten Parteien tun, um diese jungen Menschen wieder zu
erreichen?
Es kann gelingen. Junge Leute sind themenorientiert. Damit konnten auch die
Grünen, FDP, sogar die Sozialdemokraten bei der letzten Bundestagswahl
überzeugen. Als Regierungsparteien müssen sie nun vermitteln, dass
Kompromisse ein Inbegriff von demokratischer Kultur sind und erklären, wie
politische Entscheidungen getroffen werden. Dabei müssen sie die Leute
mitnehmen und beteiligen. Und nicht im stillen Kämmerlein brüten, sich
streiten und kurz danach ein Ergebnis verkünden, das danach von allen
wieder infrage gestellt wird. Das zerstört Vertrauen.
18 Oct 2023
## AUTOREN
Adefunmi Olanigan
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