# taz.de -- Landtagswahlen in Bayern und Hessen: Ampel-Desaster und Rechtsruck | |
> Die Wahlen in Hessen und Bayern sind ein Fiasko für die Ampel. Dabei ist | |
> jetzt ein gemeinsames Signal gegen die extreme Rechte gefragt. | |
Bild: Enorme Wahlschlappe für die SPD: Was wird aus Nancy Faeser? | |
BERLIN dpa/taz | Es sind zwar „nur“ zwei Landtagswahlen. Aber dass die | |
Ergebnisse in Hessen und Bayern auch ein Misstrauensvotum gegen die | |
Ampel-Regierung in Berlin bedeuten, darüber gab es an diesem Wahlabend | |
keine zwei Meinungen. Man sei ja nicht „taub und blind“, sagte | |
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert schon kurz nach Schließung der | |
Wahllokale. „In diesem Wahlergebnis liegt auch eine Botschaft für uns.“ | |
[1][Die SPD hat in beiden Ländern ihre jeweils historisch schlechtesten | |
Ergebnisse eingefahren]. In Bayern sind die Sozialdemokraten nur noch die | |
Nummer fünf mit gerade einmal 8,4 Prozent. In Hessen landete sie mit | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser an der Spitze abgeschlagen auf Platz | |
drei – deutlich hinter CDU und AfD. Die FDP setzt ihre Niederlagenserie bei | |
Landtagswahlen fort und fliegt in Bayern aus dem Parlament hinaus und in | |
Hessen beinahe. Vergleichsweise glimpflich kommen trotz deutlicher Verluste | |
noch die Grünen weg. Sie könnten in Hessen mit der CDU sogar | |
weiterregieren. | |
[2][Der Trend geht bei diesen Wahlen ganz klar nach rechts] – und zwar | |
ziemlich weit nach rechts. Die AfD, die vom Verfassungsschutz als | |
rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, ist kein ostdeutsches | |
Massenphänomen mehr. Mehr als 18 Prozent in Hessen, knapp 15 Prozent in | |
Bayern, zweit- beziehungsweise drittstärkste Kraft – das sind die höchsten | |
Ergebnisse bisher bei Landtagswahlen in westdeutschen Bundesländern. Kein | |
Zweifel also, die beiden Wahlen haben die Bundespolitik ziemlich | |
durchgerüttelt. | |
## Wahlverliererin aus Berlin: Was wird aus Nancy Faeser? | |
Dass die vielleicht größte Verliererin des Wahlabends ihren Arbeitsplatz | |
nicht in Wiesbaden oder München, sondern in Berlin hat, ist symptomatisch | |
für diese Wahl. Die Bundesinnenministerin wurde in Hessen von der SPD ins | |
Rennen geschickt, weil es keine Alternative gab. Und sie ist krachend | |
gescheitert. Mit fast 20 Prozentpunkten Rückstand hat Nancy Faeser gegen | |
Ministerpräsident Boris Rhein und seine CDU verloren: 15,1 zu 34,6. | |
Dass Scholz sie deswegen fallen lässt, ist aber ziemlich unwahrscheinlich. | |
Der Kanzler lässt sich in solchen Fragen ungern treiben und hat selbst die | |
Pleiten und Pannen der damaligen Verteidigungsministerin Christine | |
Lambrecht (SPD) so lange ertragen, bis es wirklich gar nicht mehr ging. An | |
Faeser hat er bisher keinerlei Zweifel erkennen lassen und sie in den | |
vergangenen Tagen für ihr Agieren bei der Reform des europäischen | |
Asylsystems mehrfach ausdrücklich gelobt. Das machte am Sonntagabend auch | |
die komplette Parteispitze deutlich: „Wir stehen zu Nancy Faeser“, sagte | |
Kühnert. | |
Bleibt noch die Möglichkeit, dass Faeser selbst hinschmeißt. Ihre künftige | |
Rolle als Landesparteichefin ließ sie am Wahlabend zwar offen, ansonsten | |
hörte sie sich allerdings nicht danach an: „Ich habe sehr viel Solidarität | |
heute aus Berlin erhalten.“ | |
Faeser kehrt nach dem desaströsen Wahlabend in Wiesbaden jedenfalls | |
ziemlich angeschlagen nach Berlin zurück. Gleichzeitig hat sie in ihrem | |
Ressort jenes Thema, bei dem akut der größte Handlungsbedarf besteht: die | |
hohe Zahl an Migranten, die nach Deutschland kommen. Gut möglich, dass der | |
Kanzler als Konsequenz daraus nun selbst das Heft des Handelns in die Hand | |
nimmt. Die Union dringt auf einen Deutschland-Pakt zwischen Regierung und | |
Opposition zur Eindämmung der Einwanderung. | |
Scholz sieht eher die Landesregierungschefs als den CDU-Vorsitzenden | |
Friedrich Merz als seine Gesprächspartner. Mit denen trifft er sich am 6. | |
November in Berlin, um über die Migrationspolitik zu sprechen. Bis dann hat | |
er Zeit, bei dem Thema, das im Wahlkampf eine große Rolle gespielt hat, in | |
die Offensive zu kommen. Auch in seiner eigenen Partei wächst der Unmut | |
über das Image der Ampel als zerstrittener Haufen, der zu wenig zustande | |
bringt. „Da muss jetzt mehr Tempo und ein anderer Stil rein“, sagte | |
SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntagabend. | |
## Was wird aus der FDP? | |
Die SPD-Fraktion hat sich zuletzt schon mit ihrem Votum für einen | |
befristeten Industriestrompreis zur Abfederung der hohen Energiepreise | |
gegen die Position des Kanzlers gestellt. Der Ruf nach einer stärkeren | |
eigenen Profilierung auch bei anderen Themen dürfte in der SPD nun lauter | |
werden. Ein Unsicherheitsfaktor für die Ampel ist, [3][wie die FDP nun mit | |
dem Wahlergebnis umgeht]. Sie hat schon bei früheren Wahlschlappen Krach in | |
der Koalition angefangen – ohne dass ihr das bei den nächsten Wahlen oder | |
bei Umfragen auf Bundesebene geholfen hat. | |
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ließ am Abend noch nicht erkennen, wo | |
diesmal die Reise hingeht. Die FDP-Gremien würden an diesem Montag die | |
Ergebnisse auswerten, sagte er. „Wir werden aber auch innerhalb der | |
Koalition diese Ergebnisse analysieren und besprechen.“ Klarere Worte fand | |
der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. „So kann es nicht | |
weitergehen“, sagte er der „Bild“. „Das ist das klare Signal, dass wir … | |
Berlin endlich aufnehmen müssen, was die Menschen bewegt. Wenn wir keine | |
Lösungen präsentieren, werden sich am Ende die Themen die Koalitionen | |
suchen.“ | |
Die AfD feierte sich am Sonntag als großer Gewinner. „Der Wind ändert sich | |
in Deutschland, der geht von links nach rechts“, sagte der Erste | |
Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Bernd Baumann. | |
AfD-Chefin Alice Weidel schrieb auf der Plattform X (früher Twitter): | |
„Unsere Rekordergebnisse geben unserer Politik recht!“, und fügte ein | |
„Bereit für mehr“ hinzu – ein Slogan, den die Partei seit dem Sommer nut… | |
um klarzumachen, dass sie irgendwann mitregieren will. | |
Die Ergebnisse in Hessen und Bayern verbucht Weidel als Zwischenerfolg. | |
Richtig erschüttert werden könnte die politische Landschaft im kommenden | |
Jahr, wenn in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt | |
werden. In den Umfragen lag die AfD in den drei Ländern zuletzt mit über 30 | |
Prozent vor allen anderen Parteien. | |
Am Sonntagabend musste die AfD allerdings auch eine Niederlage einstecken. | |
In Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) gelang es ihr nicht wie erhofft, die | |
Oberbürgermeisterwahl für sich zu entscheiden und zum ersten Mal einen | |
Oberbürgermeister in Deutschland zu stellen. Ähnlich lief es vor wenigen | |
Wochen bereits im thüringischen Nordhausen. | |
## Söders Chancen als Kanzlerkandidat bleiben | |
Für eine wichtige Frage mit Blick auf die nächste Bundestagswahl brachten | |
die Wahlen keinen Aufschluss. Wer Kanzlerkandidat der Union wird, ist | |
genauso offen wie zuvor. Sein desaströses Ergebnis der letzten Wahl vor | |
fünf Jahren hat [4][Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder | |
zwar nicht wettmachen können], aber es hat sich nicht weiter | |
verschlechtert. Damit ändert sich auch nichts an seinen Chancen auf eine | |
Kanzlerkandidatur. | |
Söder bleibt im Spiel – auch wenn er am Sonntagabend wieder beteuerte, dass | |
er keine Kanzlerkandidatur anstrebe. „Mit einer so starken AfD braucht es | |
auch einen sehr starken Ministerpräsidenten“, sagte er im ZDF. „Alles | |
andere kommt für mich nicht infrage.“ Doch so richtig glauben sie die | |
Beteuerungen selbst im Umfeld des Bayern nicht – und in der CDU schon gar | |
nicht. | |
9 Oct 2023 | |
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