| # taz.de -- Landtagswahl in Bayern: Weitgehende Nackenfreiheit für Söder | |
| > CSU und Freie Wähler können ihre Regierung in Bayern wohl fortsetzen. Die | |
| > AfD triumphiert und die SPD ist auf historischem Tief. | |
| Bild: Nur noch wenig Grund zum Strahlen: CSU-Chef Markus Söder | |
| München taz | „[1][Bayern bleibt Bayern], auch wenn die Welt langsam | |
| verrückt wird.“ So kann man es auch sehen. Als Markus Söder gegen 18.45 Uhr | |
| im bayerischen Landtag vor seine Anhänger tritt, macht er von vornherein | |
| klar: Zu Frust gibt es keinen Anlass. „Die CSU hat die Wahl klar gewonnen“, | |
| sagt der Ministerpräsident unter dem Jubel seiner Partei. | |
| Das ist natürlich richtig, aber dennoch eine interessante erste Reaktion | |
| auf ein Ergebnis von 36,8 Prozent der Stimmen, das die zweite Hochrechnung | |
| an diesem Abend für die CSU vorhersagt. 37,2 Prozent, das war schon vor | |
| fünf Jahren ein historisches Tief, auf das Söder seine Partei geführt | |
| hatte. Nun sieht es so aus, als ob die Partei nicht einmal dieses Niveau | |
| halten kann. | |
| Es sei der CSU nie um einen Schönheitspreis gegangen, sagt Söder jetzt. Ein | |
| Ergebnis schönreden, so könnte man das durchaus nennen. Man werde die | |
| bürgerliche Koalition fortsetzen, und gerade weil die Zeiten so schwer | |
| seien, fügte Söder hinzu, erfolge aus dieser Wahl ein klarer Auftrag: eine | |
| Wende in der Migrationspolitik einzuleiten. Knapp 37 Prozent für die CSU, | |
| rund 14 Prozent für die Freien Wähler – mit einem solchen Ergebnis fällt es | |
| in der Tat schwer, sich vorzustellen, dass die nächsten vier Wochen ein | |
| anderes Ergebnis bringen könnten als eine schwarz-orangefarbene Koalition – | |
| also genau das, was alle erwartet hatten. | |
| Spannender war da das Rennen um den zweiten Platz: Diesem kam besondere | |
| Aufmerksamkeit zu, da Grüne, Freie Wähler und AfD zuletzt in allen Umfragen | |
| sehr nah beieinander lagen – irgendwo zwischen 14 und 17 Prozent. [2][Würde | |
| Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger] tatsächlich dank trotziger Solidarität | |
| einiger Wähler in der Flugblattaffäre ein paar Extra-Prozentpunkte | |
| abstauben können? Sprich: Würde das, was CSU-Chef Markus Söder, als eine | |
| „Fieberkurve der Solidarität“ bezeichnete, anhalten? Und inwieweit würde … | |
| die AfD doch noch schaffen, am deutlich stärkeren Bundestrend anzuknüpfen? | |
| Und umgekehrt: Würden die bayerischen Grünen sich vielleicht doch noch | |
| etwas stärker von der Bundespolitik abgrenzen können? Diese Fragen standen | |
| im Raum. | |
| ## AfD legt enorm zu | |
| Der jetzige Erfolg der Freien Wähler dürfte zwar nun kleiner ausfallen, als | |
| es die Umfragen zuletzt vermuten ließen, lässt aber natürlich dennoch ein | |
| besonders selbstbewusstes Auftreten in den Koalitionsverhandlungen | |
| erwarten. Wenn sich die ersten Hochrechnungen bestätigen und die Grünen mit | |
| knapp 16 Prozent vor der AfD mit gut 15 Prozent bleiben und weiterhin die | |
| zweitstärkste Fraktion stellen, bliebe d[3][er Partei um die | |
| Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann] zumindest der Rang | |
| als Oppositionsführerin erhalten. Die AfD dürfte aber in jedem Fall die | |
| Partei sein, die am meisten von allen Parteien zugelegt hat. | |
| Auch beim Ergebnis der kleinsten Landtagsparteien, SPD und FDP, führten | |
| kleine Prozentverschiebungen zu großen Auswirkungen: Bei den Liberalen ging | |
| es buchstäblich um alles, sprich den Wiedereinzug in den Landtag, den sie | |
| jetzt aller Voraussicht nach mit rund drei Prozent der Stimmen verpasst | |
| haben dürften. Bei der SPD war die Sache mehr symbolischer Natur. Mit 8,4 | |
| Prozent laut Hochrechnung dürften sie jedoch nun ihr historisches Tief von | |
| 9,7 Prozent bei der Wahl 2018 noch klar unterboten haben. Entsprechend mies | |
| war die Stimmung bei beiden Parteien am Abend. | |
| In dem Wahlergebnis traten jedoch auch Verschiebungen im politischen System | |
| Bayerns zutage, deren mittel- und langfristigen Auswirkungen noch gar nicht | |
| abzusehen sind und die sich anhand von ein paar Prozentpunkten mehr oder | |
| weniger für diese oder jene Partei auch nur bedingt ablesen lassen. Eher | |
| schon an den Wochen oder eigentlich Monaten des vorangegangenen | |
| Wahlkampfes. | |
| Dazu gehören populistische Auftritte wie der in Erding, als Hubert Aiwanger | |
| sich anschickte, die „Demokratie zurückzuholen“, natürlich auch die | |
| Flugblattaffäre. Und der vermeintliche Kulturkampf, [4][zu dem Markus Söder | |
| den Wahlkampf beschwor], inklusive jeder Menge fantasievoll konstruierter | |
| Vorwürfe gegen die politischen Gegner, vor allem die Grünen. Stichwort: | |
| Zwangsveganisierung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragte sogar, ob | |
| das nun der erste postfaktische Wahlkampf gewesen sei. | |
| ## Söder nur für historische Niederlagen zuständig? | |
| Doch inwieweit Söders Vorgehen sich mittelfristig bewährt, ist derzeit mehr | |
| als fraglich. Die Erwartungshaltung an den CSU-Chef war schließlich klar: | |
| Söder sollte die CSU aus diesem Tief führen. Wer, wenn nicht er? Dies ist | |
| ihm ganz offensichtlich nicht gelungen. Bislang ist Söder nur für | |
| historische Niederlagen zuständig. Natürlich stimmt, was Söder schon im | |
| Vorfeld zu betonen, nicht müde wurde: Früher gab es keine Freien Wähler, | |
| keine AfD. Nur: Dass es sie nicht gab, war eben nicht zuletzt auch das | |
| Verdienst der CSU, die etwa in den Neunzigern einen nachhaltigen Erfolg der | |
| Republikaner zu verhindern wusste. | |
| Gut möglich also, dass es im Rückblick einst Markus Söder sein wird, der | |
| den Niedergang seiner Partei einleitete. Dass sein Führungsanspruch aktuell | |
| dennoch nicht zur Disposition steht, hat der Ministerpräsident nur zwei | |
| Dingen zu verdanken: zum einen Hubert Aiwanger, dem er eine erhebliche | |
| Mitschuld an dem Ergebnis anlasten kann, zum anderen dem Mangel an | |
| möglichen Nachfolgern. Seehofer hatte stets einen Söder im Nacken. Söder | |
| dagegen hat weitgehende Nackenfreiheit. Noch. | |
| 8 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kampf-um-den-Landtag/!5962023 | |
| [2] /Nach-Affaere-um-antisemitisches-Flugblatt/!5955593 | |
| [3] /Gruene-ueber-Landtagswahl-in-Bayern/!5960800 | |
| [4] /CSU-Parteitag-in-Muenchen/!5961865 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Freistaat Bayern | |
| Markus Söder | |
| Hubert Aiwanger | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Landtagswahl in Hessen | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Bayern | |
| Grüne Bayern | |
| CSU-Parteitag | |
| Hubert Aiwanger | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bayerns neue Regierung: Gefährliches „Schwamm drüber“ | |
| Markus Söder hat mal wieder eine Pirouette hingelegt und regiert weiter mit | |
| Hubert Aiwanger. Doch der Frieden dürfte nicht lange halten. | |
| Rechtsruck in Bayern: Der Schorsch muss weg! | |
| Wenn die Rechten im Aufschwung sind, wird’s für die Linken immer | |
| ungemütlicher. Dann sind bald nicht mehr nur die Rechten ihre Gegner. | |
| Zivilgesellschaft nach den Wahlen: „Ein Ergebnis, das bitter ist“ | |
| In Hessen und Bayern feiern rechte Parteien Erfolge. Zivilgesellschaftliche | |
| Gruppen fürchten, dass ihr Raum nun noch enger wird. | |
| Rechtsruck nach den Landtagswahlen: Wie man die AfD groß macht | |
| In Bayern und Hessen wurde gewählt – mit deutlichem Trend nach rechts. Das | |
| Ergebnis sollte Anlass sein, in der Asyldebatte verbal abzurüsten. | |
| Nach den Wahlen in Bayern und Hessen: AfD holt Rekordergebnisse | |
| Die AfD steuert in Hessen und Bayern Platz zwei hinter den Unionsparteien | |
| an. Sie profitierte wie 2018 von einer rechten Zuspitzung des Themas | |
| Migration. | |
| Landtagswahlen in Hessen und Bayern: Grüne verfehlen ihre Wahlziele | |
| Die Grünen wollten in Hessen den Ministerpräsidenten stellen und in Bayern | |
| in die Regierung kommen. Daraus wird angesichts deutlicher Verluste nichts. | |
| +++ Live-Ticker zu Landtagswahlen +++: FDP wieder knapp überm Durst | |
| Die Liberalen müssen in Hessen zittern bis zum Schluss. AfD legt in Bayern | |
| und Hessen deutlich zu. Ampel-Parteien verlieren. Linke streitet unter | |
| ferner liefen. | |
| Grüne über Landtagswahl in Bayern: „Das war eine Eskalation“ | |
| Die Grünen werden im bayerischen Wahlkampf angefeindet. Wie gehen die | |
| Spitzenkandidat:innen Katharina Schulze und Ludwig Hartmann damit um? | |
| CSU-Parteitag in München: „Schwarz-Grün isch over“ | |
| Markus Söder hat seine Partei hinter sich – fast einstimmig wählt sie ihn | |
| erneut zum Chef. Eine Prozentzahl für die Landtagswahl verspricht er nicht. | |
| Aiwanger im Interview: Fragen ohne Antworten | |
| Der bayerische Minister Aiwanger äußert sich in einem Interview zur | |
| Flugblatt-Affäre. Nicht alles, was er sagt, kann veröffentlicht werden. |