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# taz.de -- Nach den Wahlen in Bayern und Hessen: AfD holt Rekordergebnisse
> Die AfD steuert in Hessen und Bayern Platz zwei hinter den Unionsparteien
> an. Sie profitierte wie 2018 von einer rechten Zuspitzung des Themas
> Migration.
Bild: AFD-Chefin Alice Weidel auf der Wahlparty in Hessen
Berlin taz | Breit strahlend brüllte AfD-Chefin Alice Weidel unter Applaus
ins Mikro: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“, rief sie auf der Wahlparty
und unterstrich damit erneut den Kurs der Fundamentalopposition. Die ersten
Hochrechnungen der Landtagswahlen in Bayern und Hessen sorgten unterdessen
für Schockwellen bundesweit.
Beide sind Rekordergebnisse für die AfD im Westen: Die extrem rechte Partei
kam in Bayern laut ersten Hochrechnungen auf rund 16 Prozent und legte
damit um 6 Prozentpunkte zu. In Hessen kam die AfD gar auf rund 17 Prozent,
legte damit um 4 Punkte zu, ein Rekordwert für ein westdeutsches
Bundesland. In Hessen dürfte die AfD damit zweitstärkste Kraft sein, in
Bayern lag sie bei Redaktionsschluss nahezu gleichauf mit den Grünen.
Bisher lag das AfD-Rekordergebnis in einem westdeutschen Bundesland bei 15
Prozent in Baden-Württemberg 2016.
Die AfD profitierte in ihrem Höhenflug von einer starken Fokussierung der
öffentlichen Debatte auf Migration und rechtspopulistisch zugespitzten
Wahlkämpfen, vor allem in Bayern mit viel populistischer Konkurrenz von
Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Die AfD
instrumentalisiert Abstiegsängste und gibt rassistische Antworten auf
gesellschaftliche Verteilungskämpfe.
Sie profitiert dabei von der Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und der
Übernahme von rechten Positionen durch FDP, CDU und CSU. Laut
Nachwahlanalysen verloren die CSU ebenso wie die Freien Wähler deutlich an
die AfD. Unionspolitiker vertraten zuletzt aber nicht nur in Wahlkampf und
Talkshows AfD-Positionen zu Geflüchteten, sondern verhalfen in Thüringen
auch ganz konkret mit einer gemeinsamem Mehrheit mit der Fraktion des
Rechtsextremisten Björn Höcke der AfD zu Wirksamkeit.
## Rechte Märchen helfen AfD
Im bayerischen Wahlkampf spielte etwa das rechte Märchen vom „Pullfaktor
Sozialstaat“ eine Rolle, Konservative forderten wie sonst nur die AfD
Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber – obwohl keine haltbaren Belege
für einen Zusammenhang von [1][Sozialleistungen und Asylbewerberzahlen]
gibt.
Bemerkenswert bleibt dabei, dass die Radikalisierung und Normalisierung der
AfD synchron verlaufen. Die gerichtlich bestätigte Einstufung als
rechtsextremer Verdachtsfall scheint die Wähler*innen der AfD ebenso
wenig zu jucken, wie das radikale Spitzenpersonal. Nach jahrelangen
Flügelkämpfen dominiert der völkisch-nationalistische Flügel die Partei.
Erst kürzlich entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass der
Verfassungsschutz die Partei beobachten darf. In einer Ende 2021
aufgeflogenen internen Chat-Gruppe mit mehr als 200 Mitgliedern, darunter
fast alle Landtagsabgeordnete und der Landesvorsitzende Stephan Protschka,
gab es neben rassistischen Entgleisungen jede Menge Bürgerkriegsfantasien –
etwa einer [2][notwendigen „totalen Revolution“].
Der hessische Landesverband des Spitzenkandidaten Robert Lambrou gilt als
weniger extrem als Bayern, hat aber dennoch mit Andreas Lichert einen
Co-Vorsitzenden aus dem völkischen Flügel. Lichert hat enge Verbindungen
ins neurechte Milieu. Er war Verwalter einer Immobilie der „Identitären
Bewegung“ und war fürs „Institut für Staatspolitik“ tätig. In der AfD
Hessen war auch der [3][Mörder von Walter Lübcke], der Neonazi Stefan E.,
aktiv, der für die Partei im Landtagswahlkampf Plakate hängte.
Hessen ist schon länger eines der stärksten Westbundesländer für die AfD.
Hier wurde die Partei 2013 in Oberursel gegründet, 2018 zog sie bereits mit
13,1 Prozent in den hessischen Landtag ein. Die meisten ihrer
Gründer*innen sind mittlerweile [4][wegen der Radikalisierung]
ausgetreten.
## Diffuse Bedrohungen
Im Wahlkampffinale hat die AfD noch kurzfristig versucht, sich in der
häufig zur Schau getragenen Opferrolle zu suhlen. Co-Chefin Alice Weidel
sagte einen Wahlkampftermin im bayerisch-thüringischen Mödlareuth ab wegen
einer diffusen Bedrohungslage kurzfristig ab, sagte per Videobotschaft,
dass sie „leider“ nicht vor Ort sein könne. AfD-Politiker vor Ort sprachen
gar davon, dass Weidel sich in einem „Safehouse“ aufhalte und dieses nicht
verlassen dürfe.
Blöd nur, dass das für Personenschutz zuständige BKA keine Empfehlung gab
oder Veranlassung sah, den Termin abzusagen. Noch blöder, dass sich
herausstellte, dass Weidel während der Veranstaltung mit ihrer Familie
Urlaub auf Mallorca machte und an der Strandpromenade anstatt im Safehouse
saß, wie Fotos belegen.
Zum Wahlkampfabschluss am Samstag hetzte sie dann frisch erholt im
hessischen Wiesbaden zusammen mit dem Spitzenkandidaten Robert Lambrou,
nach der Wahl gab sie Falschinformationen aus der Partei zu, die man intern
aufarbeiten wolle. Die AfD-Kundgebung zum Wahlkampfabschluss stand 1.000
Gegendemonstrant*innen gegenüber.
## Der angebliche Mordversuch
Der andere [5][Co-Sprecher Tino Chrupalla] ließ sich unter der Woche per
Krankenwagen ins Krankenhaus bringen, nachdem er am Rande einer
Wahlkampfveranstaltung im bayerischen Ingolstadt über Schwindel und
Übelkeit geklagt hatte. Laut AfD aufgrund eines „tätlichen Angriffs“ und
einer angeblichen Stichverletzung mit einer Nadel im Oberarm.
Während innerhalb der AfD-Bubble sogar von einem Mordversuch, womöglich mit
einer vergifteten Nadel oder Spritze, geschwurbelt wurde, bestätigen
Ermittler*innen nichts dergleichen. Es gibt laut Staatsanwaltschaft
trotz zahlreicher Zeug*innen keine Hinweise auf einen Angriff, zudem
ergaben mehrere toxikologische Untersuchungen keinerlei Substanzen.
Chrupalla sei „nach unauffälligem Monitoring und in beschwerdefreien, gutem
Allgemeinzustand“ entlassen worden.
Ein Arztbrief, der einen „Nadelstich“ sowie eine „Injektion“ erwähnt u…
kurzer Zeit exklusiv bei der rechtsradikalen Zeitung Junge Freiheit
landete, basiert lediglich auf den Aussagen Chrupallas. Chrupalla selbst
teilte nach seiner Entlassung mit, dass er nicht über die Hintergründe
spekulieren wolle, nachdem seine Partei mehrere Tage lang über angebliche
Hintergründe spekuliert hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass
AfD-Politiker*innen sich angebliche Attacken ausdenken oder
überdramatisieren.
Sowohl die bayerische Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Stein als auch der
hessische Spitzenkandidat Robert Lambrou hatten versucht, die Vorfälle zu
instrumentalisieren. Ebner-Stein sagte wahrheitswidrig, dass ein Angriff
auf Chrupalla bestätigt sei, für den Merkel und Söder verantwortlich seien
und man ihnen deswegen einen Denkzettel verpassen solle. Lambrou bedankte
sich bei Weidel für ihren Auftritt „trotz der Bedrohungslage“, für die das
BKA ja gar keine Grundlage gesehen hatte.
8 Oct 2023
## LINKS
[1] https://zeitung.faz.net/fas/politik/2023-10-08/172b8e8533158c8fe94bd506c576…
[2] /Rechtsextreme-Chatgruppen/!5819500
[3] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Luebcke-Mord-Tatverdaechti…
[4] /10-Jahre-AfD/!5910563
[5] /Nach-Vorfall-mit-AfD-Chef-Chrupalla/!5964807
## AUTOREN
Gareth Joswig
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